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4880 Nichtamtlicher Teil. ^ 111, 15. Mai 1906. Gründen die weitere Behandlung dieser wichtigen Angelegenheit zu Kantate v. I. in die Hand genommen hatte, mußten wir vor allem uns Klarheit verschaffen, ob und in welchem Maße wir auf eine energische Hilfe und Mitarbeit aller Vereins- Vorstände würden rechnen können. Nach Rücksprache mit maßgebenden Kollegen konnten wir feststellen, daß eine eingehende Vorberatung allseitig erwünscht war, damit für die im Herbst abzuhaltende außer ordentliche Hauptversammlung des Verbandes auf Grund einer scharf umrissenen Tagesordnung endgültige Beschlüsse stchergestellt sein konnten. Im Hinblick auf dieses Ziel hatten wir zu einer vertraulichen Vorbesprechung eine An zahl Kollegen zum 20. Juni nach Dresden eingeladen. Unsere Voraussetzung, die Sachlage in wünschenswerter Weise geklärt zu sehen, hat sich als zutreffend erwiesen, wenngleich wir noch eine sehr umfangreiche Korrespondenz zu führen hatten, bevor wir mit Ruhe und einiger Zu versicht der späteren Hauptversammlung entgegensehen konnten. Die nach Dresden eingeladenen Kollegen ge hörten denjenigen Vereinsgebieten an, wo noch Aus nahmebestimmungen für den Bibliothekenrabatt in Kraft waren. — Wir konnten konstatieren, daß unter allen Anwesenden volle Einmütigkeit herrschte in der Über zeugung, daß eine Herabsetzung des Rabatts von 10"/«, unter allen Umständen in ganz Deutschland anzustreben sei, während die Meinungen auseinandergingen über die Festlegung eines Höchstrabatts von 7'/,A, sowie über die Möglichkeit eines Festhaltens an 5o/g, wo dieser Satz einmal eingeführt war. Um den immer wieder auftretenden Zweifeln zu begegnen, wurde in Dresden unserseits ausdrücklich die Erklärung abgegeben, daß die einzelnen Kreis- und Orts oereine das Recht besäßen, die Höhe des Rabatts selbst zu bestimmen, daß es sich nicht darum handle, überall 7fl,o/g einzuführen, sondern daß es jedem Verein vollständig über lassen sei, einen geringem Rabatt festzusetzen oder bei zubehalten. Der Abgeordnete des Bayerischen Buchhändler vereins teilte mit, daß es gelungen sei, mit den großen Bibliotheken in München und Erlangen einen Höchstrabatt von 7'/,"/o zu vereinbaren, während die Vertreter Berlins versicherten, daß ein gleiches Abkommen auch hier zu ge wärtigen sei. Die beiden Vertreter des Leipziger Buch handels erklärten sich ebenfalls bereit, ihren Einfluß geltend zu machen, damit Leipzig nicht zurückstehe, wenn der deutsche Buchhandel eine als notwendig erkannte Reform durchführen wolle. Nachdem auch die übrigen Vertreter von Vereinen, in deren Gebieten damals noch Ausnahmebestimmungen vor handen waren, der Rabattreform zugestimmt hatten, konnten wir das gastliche Dresden verlassen mit dem frohen Gefühl, einen großen Schritt weitergekommen zu sein. Nunmehr trat an uns die Aufgabe heran, für die außerordentliche Hauptversammlung alle noch am Wege liegenden Steine fortzuräumen. Das ist in redlicher und nicht ganz müheloser Arbeit geschehen. Die außerordentliche Hauptversammlung hat am 17. Oktober in Weimar stattge funden. Das Resultat ist Ihnen bekannt. Wir haben die ziemlich umfangreichen Verhandlungen drucken lassen und allen Vereinsvorständen zugänglich gemacht. Wenn wir heute daS Gesamtergebnis Überblicken, so dürfen wir gewiß zu- frieden sein. Durch die später erfolgte Veröffentlichung des Vorstands der Berliner Vereinigung dürfen wir uns wohl der Sorge mit Bezug auf die preußischen Bibliotheken ent- schlagen — jetzt fehlt als Schlußstein an unserm Werk nur noch der Beitritt unsrer Kollegen von Leipzig. Wir haben aber ihretwegen ebenfalls keine Sorge zu empfinden, denn wir dürfen ihnen vertrauen. Wir wissen sie im Prinzip mit uns einig, wir wissen jedoch, daß sie mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, denen wir uns nicht ver schließen können und dürfen. Die Leipzig angehenden Ver hältnisse sind neuerdings durch das Auftreten unsers hart näckigsten Gegners in den sächsischen Kammerverhandlungen so scharf erörtert worden, daß eine prinzipielle Entscheidung seitens des Königlich Sächsischen Ministeriums wohl auch die Leipziger Vereine nötigen dürfte, ihrerseits sich zu entscheiden. Wir wollen der aufrichtigen Hoffnung Ausdruck geben, daß es unfern Leipziger Kollegen gelingen möge, aller Schwierig keiten Herr zu werden. Ein weiteres kleines Nachspiel hat speziell uns be schäftigt. Es ist nämlich seitens zweier dem Verbände angehörenden Vereine an uns die Aufforderung ergangen, durch ein Rundschreiben, sowie durch Veröffentlichung im Börsenblatt Stellung zu nehmen gegenüber solchen Firmen, die nach auswärts Lieferungen übernehmen, und zwar nach Orten, wo den ansässigen Sortimentern die Bibliothekslieferungen entzogen werden, weil sie satzungs getreu keinen höhern als den erlaubten Rabatt geben wollen. Wir sollten erklären, daß in solchem Falle die Ausführung der betreffenden Lieferung durch eine andre Firma als ein »Verstoß gegen Treu und Glauben« anzusehen sei, und sollten ferner aussprechen, wir erwarteten, daß »keine Firma, die auf ihre geschäftliche Ehre hielte«, sich bereit finden ließe, derartige Lieferungen zu übernehmen Dieses Ansuchen haben wir abgelehnt. Da es uns leider nicht gelungen ist, die betreffenden Vereine zur Würdigung unsers Standpunktes zu überzeugen, können wir nicht umhin, vor Ihnen auszusprechen, aus welchen Gründen unsre Ablehnung erfolgt ist. Wir vertreten die Anschauung, daß alle Maßnahmen bei Be handlung von Rabattangelegenheiten lediglich der Kompetenz des Börsenvereins angehören, dessen Vorstand jedem einzelnen Kreis- und Ortsverein seine Verkaufsbestimmungen genehmigt. Etwaige Übertretungen oder Handlungen durch Einzelne gehören mithin vor dieses Forum. Jegliche Aktion des Verbandsoorstands, auch wenn es sich wie in diesem Fall nur um eine moralische Qualifizierung handelt, würde einen Eingriff in die Rechtssphäre des Börsenvereins- Vorstands bedeuten. Im übrigen wollen wir gern erklären, daß es auch uns in höchstem Maße bedauerlich erscheint, wenn im Kampf für unsre Lebensbedingungen die Maß nahmen des Börsenvereins, sowie der Kreis- und Orts vereine durchkreuzt werden durch einzelne Angehörige unsers Berufs. Lassen Sie uns hoffen, daß das Standesbewußtsein wenigstens unter den Mitgliedern des Börsenvereins mächtig genug ist, um auf ein Geschäft einmal verzichten zu können. — Wir kommen jetzt zu einer zweiten Angelegenheit, die unsre Tätigkeit in ganz besondrer Weise in Anspruch ge nommen, deren Verlauf uns aber keine Befriedigung ver schafft hat. Es ist die Bücherverlosung des Vereins für Massenverbreitung guter Volksliteratur in Berlin. Sehr ge ehrte Herren! wir wollen hier nicht in voller Ausführlichkeit wiederholen, was wir in besonderm Rundschreiben den Ver einsvorständen im September v. I. mitgeteilt haben, sondern beschränken uns darauf, den von uns eingenommenen Stand punkt kurz zu begründen. Das Ersuchen des Vereins für Massenverbreitung guter Volksliteratur, der geplanten Bücherverlosung unsre moralische Unterstützung zu widmen, haben wir nicht ohne weiteres, sondern erst nach längern Unterhandlungen mit den beiden Schriftführern des Vereins und nach sorgfältiger Prüfung und Erwägung zustimmend beantwortet. Uns leitete die Anschauung, daß einerseits gegen die guten Ziele des Unter nehmens ein Zweifel nicht zu erheben sei, während wir anderseits überzeugt sein mußten, daß die Bücherverlosung unter allen Umständen erfolgen werde. Unter diesen Um ständen fühlten wir die Verpflichtung, dem Sortimentsbuch-