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194 Pfalz , und eroberte unter andern auch Neu stadt am Kocher. Dieser Fehde wohnte der Zcugwart selbst bey, und beschrieb sie hernach in Reime», wo er unserer Linde mit folgen- den Worten erwähnt: „ Bey Neustadt eine Linde stat, „Die sieben und sechzig Säulen hat." Wenn um das Jahr 1504 sieben und sech zig Säulen nöthig waren, um die Aesic der Linde zu unterstützen, so darf man aller, bings annehmen^ daß sie damals schon Z22 Jahre alt gewesen seyn müsse, und rechnet man die vom Jahr 1504 bis heute verstossene Zeit hinzu, so betragt ihr Alter ungefähr 620 Jahre. Unter der Regierung des Herzogs Chri stoph von Würtemberg wurde sie im Jahr 1558 zum Theil mit einer drcy Fuß hohen Mauer umgeben, in deren Mitte ein kleines Portal den Eingang bildet. Nebe» diesem unten linker Hand wurde für den Besucher der "moe folgende bedenkliche Warnung, wel che heute noch zu lese» ist, in Stein einge- hanen: „ Diese Linde stehet in Gottes Hand. „Wer do »ein get, und in ein Saul krijt „oder schreibt, oder Unfug treibt, der hat „ eine Hand verloren." Den Fremden, der zum Erstenmal des Städtchens Mauern betritt, vergißt der gut- müthige Neustädter gewiß nicht zu seiner Linde zu führen; vielleicht dem einzigen merk würdigen Gegenstände, den er ihm zeigen kann. — Dor einigen Jahren machte jemand den Vorschlag, diese alte ehrwürdige Linde um zuhauen, und mit dem dadurch gewonnenet Raume den angrenzenden Platz, wo die Vieh markte gehalten werden, zu vergrößern. Ei nen größern Unfug und Undank an der Dry ade dieses Baumes, von welchem Neustadt zugleich seinen Unterscheidungsnamenr „an der Linde" fährt, hatte man wohl nicht be gehen können; aber glücklicher Weife fand dieser Vorschag keinen Eingang. Lange wird sie überhaupt nicht mehr grünen; denn so wie alles in der Welt sein Ende erreicht, so stirbt auch sie zusehends ab, und vielleicht in zo bis 42 Jahren wiegt sich kein gefiederter Sänger auf ihren Zweigen, und kein Wan derer erholt sich mehr in ihrem lieblichen Schattten. Dann hast du aber auch lange genug ge trotzt den Stürmen und der alles vernichten den Zeit, ehrwürdiger Daum! hast Lausende mit deinem Schatten erquickt, und vieles er lebt und gesehen. Die Durchlauchtige Neu- städtische Linie blühte in deiner Nähe auf und verwelkte — du grünest noch. Wohl manchmal zogen der biedere Götz von Verli« chingen mit der eisernen Hand und sein Freund Sickingen an dir vorüben, sie und so viele Tausend andere, welche an dir vor überwallten, sind schon lange, lange in eine bessere Welt gezogen; du hast sie alle über lebt, — aber wie lange, so wird auch von dir nur noch der Name übrig seyn! A. W-k.