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4696 Börsenblatt s. b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 89, 20. April 1910. Oavete! Schon manchem Sortimenter mag es bei Gelegenheit aufgefallen sein, daß stattliche Orts-, Schul-, Volksbibliotheken oder andere öffentliche Büchereien in seinem Bezirk bestehen, von deren Vorhandensein er nielleicht bis dahin garnichts oder nur durch gelegentliche minimale Käufe etwas erfahren hatte. Welcher Kollege, fragt er sich, kommt mir in mein Gebiet? Er bemüht sich, durch verdoppelte Anstrengung bei den maßgebenden Leuten die Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen, eine Konkurrenz, die, wie er annimmt, ja auch nicht mehr bieten darf als er, also im wesentlichen nur durch persönliche Leistungen ihn seither übertrumpft hat. Forscht er nun weiter nach, wem er seither unterlegen ist, so findet er, daß Gesellschaften wie z. B. die Dichter gedächtnisstiftung in Hamburg - Großborstel, über deren Ge schäftsführung früher schon an dieser Stelle geklagt wurde, und die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung in Berlin die Lieferanten sind und daß ihm aller Fleiß sicher nichts helfen wird, denn ihm ist durch den Börsenverein verboten, was diesen Gesellschaften gerade ihren Erfolg verschafft. Was bietet unter anderem die Gesellschaft für Volksbildung für einen ganz kleinen Jahresbeitrag bei portofreier Zusendung? 1. Bibliothekseinbände in bestem Dermatoid zu beispiel los billigen Schleuderpreisen, 2. Die Möglichkeit, auch kleinere Bezüge in Jahresraten zu bezahlen, z. B. schon 24 ^ auf 4 Jahresraten L 6 verteilt. 3. Aus dem Katalog der Gesellschaft »Eigenbücherei« können die Käufer nach Belieben — so heißt es ausdrück lich in der Anzeige — 50 neue, in besten Dermatoid- einband gebundene Bücher zu 24 also das eingebundene Buch zu 48 H erhalten. Wenn also die ausgewählten Bücher doppelt so viel oder noch mehr kosten sollten, liefert die Ge sellschaft doch zu dem Preise von 24 Dieser Preis ist zudem noch in 4 Jahresraten zu 6 zu entrichten. 4. Jeder Körperschaft, die eine Volks- oder Vereins bibliothek begründen will oder bereits unterhält, werden bei Zahlung eines Jahresbeitrags von 6 bzw. 10 12 ^ und 15 Bücher im Werte von 75 bzw. 120 150 und 200 ^ unentgeltlich zur Ver fügung gestellt als Wander- oder ständige Bibliothek, und zwar nach eigener Wahl des Bestellers aus dem Katalog der Gesellschaft (vgl. die Schrift: »Gründet Volksbibliotheken!« Seite 4). 5. In jeder Nummer der »Volksbildung«, welche alle 14 Tage erscheint, auch an alle Mitglieder der Gesell schaft — das heißt die meisten Bibliotheken rc. — ver sandt wird, bietet die Gesellschaft jedesmal in 12—20 eng gedruckten Spalten ca. 500 — 1000 Werke, darunter die gang barsten Bücher, zu antiquarischen Preisen an. Remittenden- exemplare (I) werden von Verlegern an die Gesellschaft ver kauft zu diesem Zwecke. Die Gesellschaft für Volksbildung versichert in der »Volksbildung«, daß diese zu herabgesetzten Preisen angebotenen Bücher nicht gebraucht oder aber in besten Einbänden neu gebunden seien. Auffallend dabei ist die große Anzahl der alle 14 Tage angebotenen Bücher, und da es sich doch jedenfalls um große Quantitäten handelt, kann das die Sortimenter auch zu anderen Schlüssen ver anlassen. 6. Modernes Antiquariat wird billigst besorgt. Neue Bücher, »die laut Verkehrs-Ordnung nur mit dem üblichen Rabatt geliefert werden dürfen, werden in besten Einbänden besorgt« (vgl. Aufruf vom 15. September 1909) usw. usw. Die Frage, ob die Gefahr dieser Konkurrenz groß oder klein ist, mag jeder sich selbst beantworten, wenn er im Offiziellen Adreßbuch des Deutschen Buchhandels Seite 167 liest, daß das Organ der Gesellschaft 11 000 Abonnenten, darunter 7000 Bibliotheken zählt. Im Jahre 1908 wurden 7059 Bibliotheken mit über 141 000 Bänden gegründet und unterstützt. Am bedeutendsten waren laut 38. Jahres bericht Seite 5 die Leistungen in Brandenburg bei 900 Bibliotheken mit 16 491 Bänden Rheinprovinz ,. 494 „ 12 418 Hannover ., 545 11 835 Schlesien ., 455 10 535 Prov. Sachsen 428 7 621 Ostpreußen ., 308 7 010 Königr. Sachsen 446 6 572 Bayern .. 297 6 522 Westfalen 318 5 675 Pommern ., 334 5 289 Hessen-Nassau 244 5 111 Hessen (Großh.) .. 231 „ „ 5 002 „ In den Jahren 1897- —1908 wurden 33 000 Biblio- theken mit 810 000 Bänden bedacht (vgl. Prospekt v. 15./S. 09). Der Umsatz der Gesellschaft betrug 1908 314 000 die Mitgliederzahl 11 200 (lt. Jahresbericht 1908). Aber nicht nur auf öffentliche Bibliotheken beschränkt sich die Tätigkeit der Gesellschaft, sondern jede Person kann für sich Mitglied werden und die Vorteile des billigen Bücherbezugs genießen; es wird auch in den Gesellschaftsschriften dringend gebeten, jedermann auf die günstige Gelegenheit aufmerksam zu machen. In welch ausgedehntem Maße diese Gelegenheit zum billigen Büchererwerb unter Umgehung des Sortiments selbst in Großstädten benutzt wird, erhellt daraus, daß für die Bibliothek des mit eiuem Kostenaufwand von 8 Millionen erbauten Düsseldorfer Krankenhauses die Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung ebenfalls Bücherlieferantin war. Eine Lehrerbibliothek erwähnt auch z. B. der Bericht des Mecklenburgischen Kreisvereins vom 4. Juli 1909, die bei einer Bestellung von 300 5 Prozent Rabatt und ein Büchergeschenk von 100 ^ bekam. Eine wohlhabende süd deutsche Stadt erhielt kürzlich für 500 ^ Bücher nach eigener Wahl und bezahlte dafür nur 400 obwohl die Preise für die besten Dermatoidbände an sich schon wesent liche Vorteile boten. Der Sortimenter am Platz hatte sein Angebot trotz seines Protestes als Steuerzahler dieser Kon kurrenz gegenüber umsonst gemacht; er durfte ja nur 5 Prozent Rabatt anbieten! Die Gesellschaft für Volksbildung liefert jedes Buch, ja auch Lehrmittel. Ihr Zweck ist es augenscheinlich, alle Bibliotheken in ihre Hände zu bekommen und den Bücher bezug zu monopolisieren, was ihr ja auch, wenn es so fort geht, schließlich gelingen wird. Wenn der Sortimenter nur mit dem satzungsmäßigen Rabatt liefern darf, mährend die Gesellschaft beliebig Bücher zuschenkt, wird jeder Käufer seine Bestellung schließlich bei der Gesellschaft machen müssen, jedenfalls aber jede Gemeindevertretung, weil sie ihren Steuerzahlern gegenüber verpflichtet ist, so billig wie möglich zu kaufen. Was ist gegen solches Geschäftsgebaren zu tun? Der Sortimenter verschaffe sich den Bücherkatalog 11. Ausgabe von 1910 und den Katalog »Eigenbücherei« Nr. 1 der Gesellschaft und die »Volksbildung« und sehe, welche Verleger hauptsächlich mit der Gesellschaft arbeiten. Er mag die nötigen Konsequenzen selbst ziehen! Gelegentlich dürfte eine Veröffentlichung der Verleger, die auch künftig noch der Gesellschaft liefern, am Platze sein.