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Kr. 44. Vas Gthtimniß in den Bergen") Erzählung von Emilie Arinrich«, Derfasserin der „blinden Gräfin." I. »Gott schütze und behüte Dich, mein Sohn — er segne Dich immerdar, wie ich es thue — doch sollte ich Dich hie- nieden nicht Wiedersehen —- Die Stimme der Witwe, welche diese Worte an ihren einzigen Sohn richtete, brach in Schluchzen aus, und beide Arme um ihn schlingend, rannen ihre Thränen auf seine Stirn, welche sie mit zärtlichen Küssen bedeckte. «Beruhige Dich, Mütterchen!" bat der junge Mann, ihre blasse Wange streichelnd, «wir werden uns gewiß Wiedersehen, einmal muß ich doch in die Welt hinaus und da ist es Dir sicherlich eine größere Beruhigung, wenn ich zu Deinem leib lichen Bruder komme, als zu wildfremden Menschen." «3a, ja, Christian, hast Recht, mein Bruder war zwar von Jugend auf strenge und finster, sonst aber auch gerecht und hat mich, wie Du weißt, seit Jahren liebevoll unterstützt. Du hast doch sein Schreiben zu Dir gesteckt? Verwahre es gut, dasselbe kann immerhin neben meinem Brief als Legiti mation für Dich gelten, da Dein Onkel Dich nie gesehen hat." «Ja so, Len Brief — gieb ihn mir, Mütterchen!" Die Witwe suchte ihn zwischen andern Briefen heraus und entfaltete ihn, um ihn noch einmal zu lesen. Er war aus Norwegen datirt und lautete: «Liebe Schwester! Meine einzige Tochter ist mir gestorben. Alt und kinderlos weiß ich mit meinem Reichthum nichts Rechtes mehr anzufangen, weshalb ich Dich hiermit ersuche, mir umgehend Deinen Sohn Christian zu senden — da heißt, wenn er ein tüchtiger und solider Kaufmann geworden und im Stande ist, ein großes Geschäft selbständig und mit Umficht zu leiten. Irre ich nicht, so muß er jetzt ein- oder zweiundzwanzig Jahre alt sein, just so alt wie ich war, al- ich meines Schwiegervaters Handlung übernahm. Beifolgend da- nöthige Reisegeld ; mag er sich sparsam einrichten, damit noch ein Sümmchen für Dich davon übrig bleibt. Ist er jedoch ein Geck, ein Kleideraffe und Modenarr geworden, dann mag er nur getrost daheim bleiben. da ich ihn alsdann nicht gebrauchen kann. Dein Bruder Jakob Jensen." „Nun, lieber Christian!" versuchte die Mutter zu scherzen, „Du bist kein Geck, kein Kleideraffe und Modenarr, drum darf ich Dich getrost zum Onkel Jakob senden. Der arme Jakob! Sein einziges Kind, an dem sein ganzes Herz hing, wie er mir oft geschrieben, so schnell zu verlieren; was nützt ihm nun sein großer Reichthum? Mußt Dich drum auch nicht daran stoßen, Kind, wenn er wunderlich und miß trauisch gegen Dich sein sollte. War er schon von Kindes beinen an ein Sonderling, wie mag er jetzt also wohl sein?" „Ach, Mütterchen!" meinte Christian treuherzig, „Fehler haben wir Alle, die will ich schon ertragen, weiß ich doch, daß er ein braves Herz sich bewahrt hat." „Das hat er, wenn's auch oft versteckt lag und schwer zu finden war, mein Sohn! Gieb Dir nur Mühe, dann wird er's Dir schon offenbaren." Draußen vor der Thür erklang der Ruf des Posthorns; — es mußte geschieden sein. Der Sohn riß sich mit einem muthigen Anlauf aus der Mutter Armen los, drückte einen innigen Kuß auf ihre Lippen und war hinaus, bevor sich die alte Frau nur recht besinnen konnte. Fröhlich klang das Posthorn aus der Ferne in die Ein samkeit der armen Witwe, deren Klagen und Schluchzen zwischen den öden Wänden ihres Stübchens verhallten. Christian Waldmann fuhr mittlerweile als einziger Passa gier des Postwagens hinaus in die weite, weite Welt, dem fernen, eisigen Norden zu, und die fremden Eindrücke, welche er von allen Seiten empfing, besonders als er auf der See sich befand, ließen ihn bald den Trennungsschmerz über winden und Hellen Blickes in die Zukunft schauen. Unser Christian war im Uebrigen ein seltsamer Mensch ; die breite, untersetzte Figur mit dem großen, untersetzten Kopfe, der fast direct auf den Schultern ruhte, konnte durchaus nicht auf Schönheit Anspruch machen, wie auch das Antlitz mehr häßlich als hübsch zu nennen war, wozu zum Ueber- fluß noch ein scheues, linkisches Wesen, das sich freilich nur in Damengesellschast äußerte, und eine Pedanterie kam, die ans Lächerliche streifte; er war somit ein „Federchensucher" der schlimmsten Art. Was jedoch Herz und Verstand anbetraf, so war er mit beiden nicht zu kurz gekommen; — Christian Waldmann war ein grundehrlicher Charakter, ein guter Sohn und sittlich strenger Mensch, am strengsten gegen sich selbst; — er hatte etwas Tüchtiges gelernt und den eisernen Willen, etwas Rech tes in der Welt zu werden, um der geliebten Mutter, die Alles für den Sohn geopfert, einen heiteren Lebensabend be reiten zu können. Mit solchen Grundsätzen und Hoffnungen kam er in Ber gen, der größten und volkreichsten Handelsstadt Norwegens, an und fand gar leicht das Haus seines Onkels, der für einen der reichsten Kaufleute der Stadt gelten durfte. Es war ein regnerischer Tag, als er dasselbe etwas zag haft und beklommen betrat; in Bergen regnet cs überhaupt fast immer und nur selten strahlt die Sonne in ungetrübter Klarheit auf das bunte Treiben der alten Handelsstadt herab. Ein alter Diener mit schneeweißem Haar führte den An kömmling, der seinen Namen nannte, in ein großes, düsteres Gemach, das, einfach möblirt, durchaus nicht das Gepräge kaufmännischer Wohlhabenheit trug. „Warten Sie hier, junger Herr!" sprach der Alte freund lich; „der Herr hat Sic schon seit acht Tagen erwartet; ich werde Sie anmeldcn." Christian wagte nicht, sich hinzusetzen, so ermüdet er sich auch fühlte; neugierig schweifte sein Blick im Zimmer umher, das einen unheimlichen Eindruck auf ihn machte, da in dem selben eine erschreckende Unordnung herrschte, die ihn stets, wo er sie fand, peinlich berührte. Unbewußt machte sich auch hier seine angeborene Pedan terie geltend; denn leise umhergehend, rückte er die Stühle zurecht, sammelte Papicrschnitzel auf, schob die großen Ge- *) Unberechtigter Nachdruck verboten. VroheNhminer Unterhsttttmss» ««d A«retrelN«tt. Sette L und und — So sprachst Du kurz vor Deinem Tode zu bringen! Sie des alten Martin Winke benutzen von los er, sich abzuschließcn von aller Welt. (Forschung folgt.) als auf haftete; e- dünkte ihn vielmehr, als sei er verzaubert, müsse diese- düstere, unheimliche Hau- sich wie ein Alp seine Brust wälzen und ihn endlich erdrücken. Da legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter erschreckt fuhr er au- seinen Träumen empor. Bor ihm stand ein alter Herr mit grauem Haar kurzer Dauer." Christian legte Messer und Gabel hin und sah recht trost- aus. „Ich habe mir den Empfang anders vorgcstcllt", seufzte „der Onkel fragte nicht einmal nach meiner guten Mutter." „Ja, das ist so zu sagen Ihre eigene Schuld, Herr Wald- mälde, welche alle schief hingen, grade, und stand plötzlich vor einem schwarzen Vorhänge, der ihm ein geheime- Trauen, von welchem er sich keine Rechenschaft zu geben vermochte, einstößte. E- fiel ihm natürlich nicht ein, diesen Vorhang heben zu wollen, obgleich sein Blick wie gebannt auf demselben Freuden, lieber Martin!" rief Christian ich thun, mir das Vertrauen des Onkels II. Herr Iakob Jensen hatte sich, wie er das öfter- zu thun pflegte, in sein Arbeit-cabinet eingeschloffen. Das zahlreiche Comptoirpersonal glaubte dann nichts andere-, als daß er wichtige Spekulationen mit seinem äußerst scharfen kauf männischen Verstände durchcalculire; der alte Martin wußte da- besser und wachte mit einer wahren CerberuSmiene dar über, daß sein Herr Prinzipal „so zu sagen" nicht gestört werde, wofür der alte treue Diener, der mit und in dem Geschäfte ausgewachsen war, auch dessen besonderes Vertrauen genoß. Der Prinzipal saß auch wirklich in dem hohen Armsessel vor dem großen Schreibtisch, aber er schrieb und calculirte nicht. Sein finsteres Antlitz, das nur selten einen Anflug von Freundlichkeit besaß, war jetzt düster, fast schwermüthig, die tiefliegenden Augen, von starken, grauen Brauen beschattet, blickten starr, wie abwesend, auf ein kleines Oelgemälde, das über dem Schreibtische hing. „Ob Du Recht behältst, Ingeborg?" murmelte er endlich, das graue Haupt an die Brust senkend, „Dein Mißtrauen und starrer Sinn wird Dich stets um jedes liebende Herz mir, und ich konnte Dir dieses Wort bis zu dieser Stunde nicht vergeben. — Was kümmert's auch Dich", fuhr er mit einem kurzen bittern Lachen empor, „Du hast unter diesem starren Sinn nichts mehr zu leiden, bist todt — todt." — Er brach ab, die Stimme klang wie verhaltenes Schluchzen, das der finstere Mann gewaltsam in sein Herz zurückbannte. — „Warum lasse ich Dein Bild dort hängen?" fuhr er nach einer Pause wie mit sich selber berathend fort, „es erinnert mich täglich an jenes Wort, das ich lieber vergessen möchte. Denn was sollte es anders sein, als eine Anklage, da ich auch Dich geopfert mit meinem Mißtrauen, meinem starren Sinn, Dich, Ingeborg, die ich mehr geliebt als mein Leben?" Die, mit welcher der reiche Kaufmann solche gcheimniß- volle Zwiesprache hielt, war seine verstorbene Gattin, welche nun schon sieben Jahre in dem prunkvollen Erbbegräbniß ruhte. — Was nützte der Todten all' dieser Pomp, was die goldenen Inschriften und der prächtige Marmor, untcr welchem sie ruhtc? — hatte sie doch im Leben an dem Einzigen ge darbt, das dem Herzen Zufriedenheit und Glück gewährt, an der Liebe, und nun kam Alles zu spät. — Und doch hatte der wunderliche Mann sie wirklich geliebt, was sich erst an ihrem Grabe, von welchem man ihn besinnungslos nach Hause tragen mußte, ganz offenbarte. In seinem maßlosen Stolz und Mißtrauen hatte er sich dieses Gefühls, das die ganze Welt durchdringt, geschämt und sich dadurch in seiner Manncs- würde erniedrigt geglaubt. — Sie aber war an diesem Stolz und Mißtrauen gestorben, und nun klagte er an ihrem Grabe den Himmel, nicht sich selber, an. Eine Tochter hatte sie ihm als heiliges Erbtheil hinter lassen; sie war zehn Jahre alt, als die Mutter starb, schön und sanft wie diese, und wäre wohl gern mit ihr, an der ihr ganzes Herz hing, hinunter gestiegen in die düstere Gruft. Freia fürchtete den Vater, der ihr niemals Liebe gezeigt, sondern immer nur Tadel für sie gehabt hatte. — Und doch ist dem Kindcsgemüth ein freundliches Lob so nothwendig, cs ist wie der Thau, der erfrischend auf das junge Grün fällt und seine Triebe immer kräftiger entwickelt. Unter dem ewigen Tadel ersticken alle edlen Gefühle, ver sinkt die junge Seele in Apathie. Nun stand das einzige Herz still, das stets nur Liebe und mildes Verzeihen für sie gehabt, darum war es kein Wunder, daß Freias Zustand am Sarg der Mutter an Verzweiflung grenzte. — „Sic hat mich unglücklich gemacht durch ihren Tod und nun auch noch die Liebe meines Kindes mitgenommen ins Grab." So hatte der egoistische Mann in einsamen Nächten ge klagt und gegrollt und in seiner wunderlichen Liebe selbst die Todte noch mit dem alten Mißtrauen verfolgt. — Unglückliche Menschen, die das kurze Leben sich selber verbittern, sich selber um das höchste und reinste Erdenglück bringen! — In einer selbstsüchtigen Verblendung, die das eigene Ich für makellos hielt, änderte der reiche Mann sein Betragen gegen das einzige mutterlose Kind, das der Liebe so sehr bedürftig war, in keiner Weise. Jetzt war auch sie dahin, die schöne Freia, die Erbin todter Reichthümcr; seit einem halben Jahre war es noch einsamer und finsterer in Jakob Jensen geworden, wenn der Geist der Erinnerung über ihn kam und ihn gewaltsam zwang, müthig lächelnd hinzu, «essen und trinken Sie nach Herzens lust, vielleicht läßt der Herr Prinzipal Sie später noch rufen." Er nickte ihm tröstend zu und verließ da- Zimmer. Christian befolgte jetzt tapfer den vernünftigen Rathschlag de- Alten und aß mit neu zurückgekehrtem Appetit, sich muthig in da- Unabänderliche fügend. Die Jugend ist ja glücklicherweise elastischer Natur und springt gar zu gern wieder in die alte frohe Laune und die ewig sonnig winkende Hoffnung zurück. Er war kein Geck, kein Modenarr, hatte was Tüchtige gelernt, haßte jede Oberflächlichkeit und war ein Muster der Ordnung und Pünktlichkeit. ES mußte wunderlich zugehen, wenn der gute Christian Waldmann sich mit diesen Eigenschaften nicht recht bald de- finstern Onkels Zuneigung erobern sollte. Hatte er sich nur erst seine Achtung erworben, dann meinte er auch noch den Weg zu dem versteckten und verpalisadirten Herzen de- selt samen Manne- zu finden; war dieser doch seiner Mutter einziger Bruder, warum sollte er dem leiblichen Neffen keine Gerechtigkeit widerfahren lassen? Unwillkürlich mußte er an den geheimnißvollen schwarzen Vorhang denken, der für ihn, wie er sich seufzend sagen mußte, eine Art Baum der Erkenntniß geworden war, ob gleich er doch nicht so neugierig gewesen, wie die Stamm mutter Eva, da eS dem ehrenwerthen Christian sicherlich nicht eingefallen wäre, den Vorhang zu heben, nun, dafür war er ja auch ein Mann. König«. 81»nöss»mt kronsvnkaln xeütknet Illontsgs, Dienstags, Donnerstags uncl Lonnabencl» von lrük 9—1 U. Mittags, MUwoeks uncl freitags trüb 9 —10 U. uaä Mittags t2—1 Ukr. mann!" meinte der Alte achselzuckend. „Der Herr Prinzipal hält Sie nun einmal für neugierig und — nehmen Sie's mir nicht übel, für unbescheiden, weit Sie sich um Dinge gekümmert, die Sie gar nichts angingen. Nun, das ist so zu sagen ein Malheur, lieber junger Herr, und wenn ich's nicht auf den ersten Blick gewußt, daß Sie just das Gegentheil von Neugierde und Unbescheidenheit sind, so würde ich rathen, nur gleich wieder Ihr Bündel zu schnüren und heimzukehrcn zur Mutter. Aber dazu rathe ich nun nicht, sondern sage, frischen Muth, sich nicht verblüffen lassen und den Kopf steif halten, dann wird's mit der Zeit schon gehen. Nun aber lassen Sie sich den Appetit nicht verderben", setzte er gut- zu gewinnen." „Schon gut, junger Herr!" lächelt- der Alte, „merken Sie auf, was ich Ihnen sage. Zuerst also dem Herrn Prin zipal gegenüber so kurz wie möglich sein — Heuchler und Schmeichler duldet er nicht im Hause — nun, dazu gehören Sie auch sicherlich nicht, eben so wenig wie Sie Modenarr sind. Zweitens Ordnung und Pünktlichkeit in allen Dingen." „Ordnung?" unterbrach Christian ihn etwas ironisch, „jenes Zimmer mit dem schwarzen Vorhang gab mir keinen besonderen Begriff davon." „Jenes Zimmer — hm, mein lieber junger Herr, dort ist die Unordnung so zu sagen in der Ordnung — vergessen Sie dasselbe, werden es wohl so wie so niemals wieder be- rretcn dürfen, fragen Sie auch nicht darnach, hören Sie wohl, weder mich noch irgend Jemand in oder außer dem Hause, das Zimmer ist für Niemand da — auch fragen Sie niemals nach der todten Tochter, sonst wäre Ihr Aufenthalt im Hause finsterem Gesichte, der ihn einige Augenblicke starr und durch dringend anblickte. «Du bist mein Neffe Christian Waldmann?" fragte der selbe kurz. „Ja", versetzte der junge Mann mit stockendem Athem, „und Sie find mein Onkel." „Der bin ich — kannst mich „Du" nennen, bin Deiner Mutter leiblicher Bruder — übrigens ein Feind aller müßigen Neugierde — das merke Dir, und wenn ich Dich eines TagcS wieder vor diesem Vorhänge ertappen sollte, dann sind wir geschiedene Leute — Punktum!" Er nickte energisch, wandte ihm den Rücken und verließ das Zimmer. Christian blieb wie betäubt zurück, einen solchen Empfang hatte er sich nicht träumen lassen; wie sollte er's nur an- fangcn, in dem finstern und kurz angebundenen Onkel, der ihm nicht einmal die Hand zum Gruß gereicht hatte, das Herz aufzufinden? In diesem Augenblicke trat der alte freundliche Diener wieder herein und ersuchte ihn, mitzukommen. - - Christian folgte ihm mechanisch, erstaunte aber doch nicht wenig, als ihn der Alte in ein behaglich eingerichtetes Zimmer führte, was er fortan als das seine zu betrachten habe. „Hier sind Sie ganz ungestört, mein lieber junger Herr!" sagte der alte Martin, „dort steht der gedeckte Tisch, thun Sie sich gütlich an Speise und Trank." Christians Blick erhellte sich, er war recht hungrig, und die kräftigen Speisen dufteten ihm verführerisch entgegen. „Nur ohne Furcht, Herr Waldmann!" fuhr Martin leise fort, „es soll Ihnen hier im Hause schon gefallen. Der Herr Prinzipal ist freilich ein wenig wunderlich — kurz angebunden, haßt die vielen Worte und möchte am liebsten seine Gedanken in einem einzigen Worte ausdrücken, wenn's anginge; aber gut ist er — grundgut und gerecht in allen Dingen — nur das Wort „Vergebung" kennt er leider nicht." „Das ist schlimm", meinte Christian, sich an den gedeckten Tisch niederlaffend, „ich fürchte fast, daß ich bereits so un glücklich gewesen, gleich beim Empfang seinen Unwillen zu erregen, da er mich vor dem schwarzen Vorhang fand. „Sie haben denselben doch nicht angerührt?" fragte Martin erschreckt. „Gott bewahre — das wäre ja eine strafbare Neugierde gewesen. Dieser schwarze Vorhang hatte indessen etwas so Seltsam.Schauerliches für mich, daß ich den Blick nicht da von abwenden konnte." „Hm, hm", äußerte der Alte bedenklich, „hätten lieber zum Fenster hinaussehen sollen, junger Herr! Unser Prinzipal haßt die Neugierde — war eine schlimme Probe, Sie zuerst in dieses Zimmer zu führen. Hat der Herr Onkel Ihnen die Hand zum Willkommen gereicht?" „Nein", antwortete Christian kleinlaut, wobei das Essen ihm auf einmal nicht mehr schmecken wollte. „Konnt's mir denken; was hatten Sie den alten Vor hang zu betrachten?" knurrte Martin finster, „haben jetzt einen schweren Stand, Herr Waldmann, und können auf kein Vertrauen Anspruch machen, bis der Herr Prinzipal Ihnen von selber einmal die Hand reicht, sintemalen dieses das einzige und höchste Zeichen seines Vertrauens ist. — Na", setzte er tröstend hinzu, „cs ist ja noch nicht aller Tage Abend — und wenn wollen —" „O, mit tausend betrübt. „Alles will