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Westhofen (Wests.) — OPD.-Bz.: Dortmund k I' Wetter (Ruhr) — OPD.-Bz.: Dortmund k b Wickrath (Kr. Grevenbroich) — OPD.-Bz.: Düsseldorf a 1 6 Wiesbaden — OPD.-Bz.: Frankfurt a. M. a r ? Biesdorf (Niederrhein) — OPD.-Bz.: Düsseldorf a r li Wipperfürth — OPD.-Bz.: Köln b r § Witten — OPD.-Bz.: Dortmund k b Wittlich (Bz. Trier) -OPD.-Bz.: Trier a I b Worms, Rheinhessen — OPD.-Bz.: Darmstadt a I b Würselen (Kr. Aachen) — OPD.-Bz.: Aachen a I 6 Lanken — OPD.-Bz.: Düsseldorf a I 6 Zülpich — OPD.-Bz.: Köln a 1 b' Zweibrllcken, Rheinpsalz — OPD.-Bz.: Speyer a I § H. H. Houben: Verbotene Literatur von der klassi schen Zeit bis zur Gegenwart. Ein kritisch historisches Lexikon über verbotene Bücher, Zeitschriften und Theater stücke, Schriftsteller und Verleger. Bd. 1. 1924. Ernst Rowohlt Verlag, Berlin. Preis Gm. 20.— ; geb. 35.—. Seit Jahren hat sich der Verfasser ganz besonders mit den Ver ordnungen beschäftigt, die unter dem Namen »Zensur« auf die Ent wicklung unseres deutschen Geisteslebens einen hemmenden Einfluß gehabt haben und dieses zuin Teil auch jetzt noch in Abhängigkeit halten. In launiger und fesselnder Darstellungsweise hat er uns im 1. Bande seines Buches »Hier Zensur — wer dort?« (H. Hacssel, Leipzig), das bereits in 2. Auflage vvrliegt und dem ein weiterer Band in diesem Jahre folgen soll, von den Zensurverhältmssen zur Zeit des Deutschen Bundes erzählt. — Eingehender und gründlicher wird jedoch in dem oben aufgeführten Band, dem hoffentlich recht bald ein zweiter folgt, auf die traurigen und drückenden Zensur-verhält- nisse eingegangen. Daß der Verfasser die Verhältnisse genau und eingehend schildern kann, darf uns nicht wundern, standen ihm doch u. a. die »Akten« des Preußischen Geheimen Staatsarchivs zur Ver fügung, »in dessen Aktenberge er eine gewaltige Anzahl von Stollen bohren konnte«. Die neueste Veröffentlichung des Verfassers ist ein unentbehr liches Nachschlagebuch, eine Ergänzung zu jedem bibliographischen Handbuch und müßte in jeder größeren Bücherei zu finden sein; sie gehört außerdem in die Reihen einer buchhändlerischen Fachbibliothek. Auf 617 Seiten hat Houben seinen umfangreichen Stofs verteilt, die betreffenden Akten teilweise vollständig abgedruckt, ohne dabet lang atmig und langweilig zu werden. Im Gegenteil, die packende Dar stellungsweise des Autors führt dem Leser die geschilderten Verhand lungen und die vorgelesenen Aktenstücke fast plastisch vor Augen und läßt ihn das Geschilderte mit Interesse in sich ausnehmen., Gleich im Anfang feines Buches spricht er über die Verhandlungen des Leipziger Landgerichts gegen Konrad Alberti und seinen sozialen Roman »Die Alten und die Jungen«. Mit ihm waren noch zwei Schriftsteller des damaligen jüngsten Deutschland, wie Alberti Autoren des Wilhelm Friedrichschew Verlags, angeklagt: Hermann Conradi, Versager von »Adam Mensch«, sowie Wilhelm Walloth, dessen schöpferischem Gehirn »Der Dämon des Neides« entsprungen war. Conradi war inzwischen verstorben, ihn traf kein VerdammungAurteil, Walloth aber geriet in eine solch 'fürchterliche Aufregung und in ein derartiges Stottern, daß das Gericht von Walloths weiterer Teilnahme an der Verhand lung absah. So mußte denn Alberti den ganzen auf ihn eindringcn- den Ansturm der Richter, vor allem des Staatsanwalts Nagel (später sächsischer Justizminister) aushalten und ihre Hiebe parieren. Schließlich hatte sich auch Walloth so weit erholt, daß er seinem Mitangeklagten in dem schweren Wasfen- gange sekundieren und an den Staatsanwalt die Frage richten konnte: »Sie kennen Hebbel?« Worauf die Antwort erfolgte: »Hebbel? Nein! Sind seine Schriften in Leipzig erschienen?« Hierauf kam Alberti seinem mit sprachlichen Schwierigkeiten ringenden Kollegen zu Hilfe: »Nein, aber in Wien hat man ihm ein Denkmal gesetzt, und vom Kaiser (Wilhelm II.) ist ein großer Beitrag dazu gegeben worden«. s>Wie mir ein Leipziger, auch in den Kreisen des Buchhandels be kannter Jurist mitteiNe, hat Alberti den gegen den Staatsanwalt Nagel erhobenen Vorwurf der literarischen Unbildung zurücknehmen müssen. Die ganze Sache hätte aus einem in der Hitze der gerichtlichen Verhand lung vorgekommenen Mißverständnis beruht. In den damals erschie nenen Nummern der »Gesellschaft« habe ich zwar einen solchen Wider ruf nicht finden können. Er hätte doch an hervorragender Stellle in jenes Blatt ausgenommen werden müssen, ist aber vielle i ch t auf den Anzeigen- oder Umschlagseiten abgedruckt, die dem mir zur Verfügung stehenden Exemplar nicht beigebunden find. Kann einer der Herren Kollegen vielleicht hierüber Ausschluß geben?) Köstlich ist die Schilderung der Mühe und der Arbeit, die sich die Metternichschc Regierung gab, um beim alten Campe in Hamburg den Verfasser einer gegen die österreichische Monarchie gerichteten Schmähschrift zu entdecken. Hoffmann L Campe, die mit Lust vor allem scharf abgefaßte Pamphlete gegen die bundesstaatlichen Regie rungen verlegten, dabei sich einer ziemlich milden Heimatlichen Zensur erfreuen konnten, hatten in ihrem Verlage eine Schrift erscheinen lassen: »Österreich und seine Zukunft«, Hamburg 1842. Die k. k. Beamten waren in allergrößter Aufregung, man forschte hin und her, wer der Verfasser sein könnte, er mußte den bessere», den ge bildeten, ja — die Polizei klomm noch eine Stufe höher — den aka demisch gebildeten Ständen angehören. Er mußte Beamter sein, er kannte die Verhältnisse in österreichischen Landen zu gut, o, welch eine Natter hatte eine k. k. Behörde an ihrem Busen genährt! Schließ lich sandte mau, da Metternich von einem Verbot des Hoffmann L Campeschen Verlags in Österreich absah — er wollte keine Märtyrer großzichen —, den Prager Polizeikommissar Muth nach Hamburg, um den Namen des Pamphletisten zu »eruieren«. Muth begab sich in das Geschäftslokal der Firma und verlangte, natürlich ohne seinen Namen zu nennen, einige Bücher über Österreich, vor allem solche, die in der Heimat die Augen eines wohlgesitteten Staats bürgers nicht »erspähen« durften. Er empfing sofort das Buch, das ihn gleich einem Marathonläufer von der Moldau zur Elbe geführt hatte, und verschwand mit seiner neuesten Erwerbung. Am anderen Tage erschien wiederum der neue »Laufkunde« und verlangte noch mehr Literatur über sein geliebtes Heimatland, äußerte, daß ihm das Lesen des am vorigen Tage mitgenommenen Buches besvndcre Freude bereitet habe, und wollte den Namen des Verfassers wissen. Ter wolle nicht genannt sein, es märe ein hoher Staatsbeamter. Die Spannung stieg auf seiten des Polizeikommissars. Um den neugierigen Fragen auszuweichen, erklärte sich Campe ehrenwörtlich gebunden, den Namen nicht zu nennen, er hätte an den Verfasser geschrieben und ihn gebeten, seinen Namen nennen zu dürfen. Antwort könne jeden Tag kommen. Muth wartet, nach vierzehn Tagen erscheint er wiederum in den ihm vertrauten Räumen der Hoffmann L Campeschen Buchhandlung. Der Chef führt ihn durch verschiedene Räume in sein Privatkontor. »Endlich kann ich Ihren Wissensdrang befriedigen. Ter Verfasser ist der Polizeikommissär Muth aus Prag«. Mit einiger Abänderung konnte nun Muth sagen: »Herr Graf, ich bin erkannt«. Der Verfasser war ein hoher österreichischer Beamter, Victor Freiherr von Andrian-Werburg, in den Tagen des Frankfurter Parlaments Reichsgesandter in London, auch sein Name ist jetzt »versunken und vergessen«. Leider verbietet es mir der Raum, noch weitere solche Kuriosa wiederzugebcn; erwähnen will ich noch, daß Schiller sowohl als auch Lesfing noch nach ihrem Tode Schwierigkeiten mit der Zensur hatten. Noch in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts verließ Friedrich Wilhelm III. mit seiner Gemahlin, der Fürstin von Liegnitz, während einer Minna von Barnhelm-Ausführung im Berliner Köntg- städtcr Theater das Haus, als bei den Worten der Zose: »Wenn die Soldaten paradieren — ja freilich scheinen sie da mehr Drechsler- puppen, als Männer« ein ganz vereinzeltes »Bravo« aus dem Parkett hervordrang. Auch der »Nathan« des gleichen Dichters hatte von der Zensur sich viele Abstriche gefallen zu lassen. Von Schiller er regten Teil, Don Carlos, Fiesco, einzelne Stellen vom Wallenstein bas Mißfallen der Perückenköpfe im Wiener Zensurkolleginm; die Folge war: man strich! Die Kämpfe des Brockhausschen Verlags mit den Zensoren der verschiedensten deutschen Bundesstaaten werden aus führlich geschildert. Bei manchem verurteilten Verfasser mag der Zensor gedacht haben »es tut mir in der Seele weh« usw., so z. B. bei W. Häring, A. von Chamisso. Besonders ausführlich sind be handelt: Börne, Grillparzer, Gutzkow, Heine, Dingelstedt, Freiligrath; von den Neueren: Dehmel, Hauptmann, Heyse, Einstein (der Dichter) und Herrn. Bahr. Ein zweiter Band, der u. a. Anzengruber, Arndt, Goethe, Holtei, Rosegger, Lassalle, Wildenbruch (auch Du, mein Sohn Brutus?) behandeln svll, erscheint in hoffentlich nicht zu langer Zeit. Gar mancher der im ersten Bande Besprochenen hat sich später eine hohe Stellung in Staatsdiensten erworben, Orden und Ehren sind ihm zuteil geworden, mancher Gunstbeweis von höchster Hand ist in seine Hände gelangt, einige sind sogar k. und k. Hofräte geworben — doch das alles find ernste Dinge, über die ein wohlerzogener Staats bürger nicht lacht. L, Hageinan n.