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Grotzenkatner tinteryaltunss« nnd Anzetgeblatt. Seite 2 Nr. 2«. Topf um und fiel in die heiße Flüssigkeit, wodurch das! bedauernSwerthe Kind derartige Brandwunden erlitt, daß j es trotz sofortiger ärztlicher Hilfe zwei Tage später starb. Aus Carlsfelder Staatsforstrevier bei Eibenstock ist am 19. Februar der 37 Jahre alte Waldarbeiter Götz, welcher die warnenden Zurufe seiner Mitarbeiter unbeachtet ließ, durch eine fallende Fichte sofort getödtet worden. Der in Meißen wohnhafte Arbeiter Leipner, verheirathet und Vater von sechs Kindern, wurde am 21. Februar in den Thonschächten bei Löthain durch böse Wetter getödtet und sein Leichnam später zu Tage gefördert. Deutsches Reich. Die Wiederannäherung Rußlands an Deutschland, welche sich in den Missionen v. Giers und des Fürsten Dolgoruki nach Friedrichsruhe, durch die Ver setzung Orlow's nach Berlin und endlich auch durch die Entsendung der russischen Beglückwünschungs-Deputation an Kaiser Wilhelm so eclatant documentirt, wird in den politischen Kreisen noch immer lebhaft discutirt. Ueber den Ursprung der Besuche des russischen Ministers des Aus wärtigen in Friedrichsruhe und die Berufung des Fürsten Orlow auf den Berliner Botschafterposten taucht aber jetzt eine ganz neue Version auf. Während man bisher an nahm, daß in beiden Angelegenheiten Fürst Bismarck die treibende Kraft gewesen sei, heißt es jetzt, man habe es hierbei durchaus mit der Initiative des Petersburger Ca- binetS zu thun. Die russische Politik habe ihre Front ver ändert, anstatt nach Westen sei sie jetzt ausschließlich nach Osten gerichtet. Für diese letztere Auffassung mag aller dings die Annexion von Merw sprechen, indessen ist nicht anzunehmen, daß Rußland nunmehr seine Pläne auf der Balkanhalbinscl aufgegeben haben sollte, an deren Ver folgung es ja über ein Jahrhundert hindurch festgehalten hat. Vielleicht, daß sich die Leiter der heutigen russischen Politik nach dieser Richtung hin mit Deutschland zu ver ständigen suchen. Das preußische Abgeordnetenhaus nahm am 23. Febr. die Kreis- und die Provinzialordnung für Hannover in dritter Lesung definitiv an, nachdem im Laufe der Debatte Minister v. Puttkamer bestritten hatte, daß die Vernichtung des hannöverschen Adels der Zweck der Provinzialordnung sei ; weil die Wünsche vieler Hannoveraner darauf gingen, die früheren Zustände wieder herzustellen, waren die Be denken der Negierung gegen die Commissions-Beschlüsse durchaus begründet. Frankreich. Bonapartistische und Arbelterdemoustra- tionen wechseln wieder einmal ab. Vorige Woche richtete Prinz Jerome Napoleon, der „rothe Prinz", an die Dele- girten der bonapartistischen Comites eine Ansprache, in welcher er die Bonapartisten aufforderte, ihre Bestrebungen auf Herbeiführung einer Revision der Verfassung von 1875 zu concentriren. Recht schlecht kam in der Ansprache der bekannte bonapartistische Schnapphahn Paul de Cassagnac weg, dessen Politik Prinz Napoleon als eine prahlerische, ohnmächtige und aufrührerische bezeichnete. Cassagnac ist in seinem Organ „Le Pays" nichts schuldig geblieben; er spottet über die Ansprache des „rothen Prinzen" an die Delegirten der RevisionScomitvs und erklärt, daß derartige Comitös nicht existirten, sie seien nur Marionetten. Neben diesem Zwist im Lager der Bonapartisten erregt besonders der große Strike der Kohlengrubenarbeiter im Norden von Frankreich, in den Districten Lille, Denain rc., Aufmerk samkeit. Ruhestörungen sind zwar noch nirgends vor gekommen, aber die Anzahl der nach Tausenden zählenden Sinkenden ist geeignet, Besorgnisse einzustößen, um so mehr, als die Kohlengrubengesellschaft zu Anzin ihrerseits plötzlich 600 Arbeiter entlassen hat. England. In den leitenden Londoner Kreisen scheinen die neuesten Vorgänge im Sudan eine völlige Kopflosigkeit erzeugt zu haben; denn gerade entgegengesetzte Befehle sollen der englischen Militärleitung in Egypten zugegangen sein. Unterm 24. Febr. wurde der Marsch des englischen Expeditionscorps gegen Tokar sistirt, aber schon am näch sten Tage der Weitermarsch befohlen. Jedenfalls decken sich die englischen Operationen bei Suakim nicht mit dem Charakter der Mission Gordon'S. Serbien. Der Flügeladjutant des Czaren, Oberst Kaulbars, welcher längere Zeit in Sofia in militärischer und politischer Mission thätig war, traf am Sonnabend, angeblich in besonderer Mission, in Belgrad ein. Unter Führung des Generals Nikolics ist eine aus mehreren Stabsoffizieren bestehende Artillerie - Commission zur Besichtigung der Geschütz-Gießereien in Frankreich, Belgien und Deutschland und zur Anschaffung der neuen Feld- und Gebrrgsgeschütze nach Wien abgereist. Egypten. Dem „Observer" wird aus Kairo unterm 23. d. gemeldet, daß der General Gordon ans Chartum ein Manifest an die Insurgenten erlassen habe, in welchem er dieselben benachrichtigt, daß der Sultan, der Beherrscher der Gläubigen, die Absicht habe, eine große Armee zur Eroberung des Landes abzusenden, und in dem er die In surgenten ermahnt, seine friedlichen Anerbieten anzunehmen, um sich vor der türkischen Invasion zu bewahren. Neueste Vachcichten. Paris, 26. Februar. Die Generäle v. Wimpfsen und Schramm sind gestorben. London, 26. Februar. In der vergangenen Nacht gegen 1 Uhr land in dem Gepückraume des Victoriabahnhofes eine heftige Erplofion statt, durch welche zwei Männer verletzt und mehrere Theile des Daches in die Luft gesprengt wurden, die Fenster sind zertrümmert, auch die benachbarten Gebäude haben großen Schaden gelitten. Als Ursache wird die Entzündung von Dnnamit angesehen. — Im Oberhause erklärte der Staatssekretär des Innern, Lord Granville, er habe keine Information über die Explosion auf denr Victoriabahnhof. — Tie Vieheinfuhrbill wurde in dritter Lesung angenommen. — Das Unterhaus wählte einstimmig durch Acclamation Arthur Peel zum Sprecher; derselbe nahm die Wahl dankend an und gab die Versicherung, die Verhandlungen mit der gewissen- haftmen Unparteilichkeit leiten zu wollen. Northcote billigt die Wahl und erklärt, so lange Peel den Vorsitz führe, werde ihn die Opposition m jeder Weise unterstützen. Kairo, 26. Februar. Die eghvtischen Bataillone unter dem Oberbefehl englischer Offiziere Haven heute Befehl erhalten, am nächsten Donnerstage nach Assuan abzugehen. Die englische Regierung hat auf den Vorschlag, zwei Bataillone englische In fanterie nach Ober-Egvpten zu senden, noch nicht geanwortet. — Meldung des „Reuter'schen Bureaus" aus Suakim von heute: Die Sachlage hier ist höchst kritisch. Die türkischen Offi ziere der etwa 1000 Mann starken nubischen Truppen, welche ihre Einschiffung nach Trinkitat verweigerten, haben um Ent hebung von ihrem Posten nachgesucht. Rnchrichtm aus 81M und Umgegend. Grotzenhain. Wir können die Bewohner von Orten ohne Post- anstalt nicht ost genug darauf aufmerksam machen, daß den Landbriefträgern auf ihren Befiellgängcn Briefpostsendungen aller Art, Postanweisungen, Nachnahmesendungen, kleinere Packele, Sendungen mit Werthangabe, im Einzelnen bis zum Werthbetrage von 150 Mark, sowie Baarbeträge für Post- werthzeichen uud Zeitungen übergeben werden dürfen und daß die Landbriefträger verpflichtet sind, die empfangenen Sen dungen, ausschließlich der gewöhnlichen Briefpostseudungen, in ein Annahmebuch cinzutragen, das nach jedem Bestellgange der Postanstalt vorgelegt wird. Vermischtes. Vor einigen Tagen füllte der Erbgerichtsbesitzer in Mulda bei Freiberg einen Baumkoloß, eine große Linde inmitten seines Hofgrundstückes, da dieselbe dem Wvhnhause und dem Stall- gebände mit ihren weittragenden, gewaltigen Aesten Gefahr zu bringen drohte. Sachverständige behaupten, daß die Linde ein Alter von nahezu 5M Jahren erreicht haben könne. Zwei volle Tage mußte von mehreren starken Kräften gesägt und gehackt werden, nm den Bannt zu stürzen. Welche Dimensionen der Baum hatte, dem schon vor drei Jahren viel alterndes Holz genommen worden war, beweisen die gemachten Messungen. Der Umfang der Mittelstärke des Stammes betrug 8,57 Meter, der Umfang der schwächsten Stelle 5,7 Meter. Die Höhe der Linde ergab z. Z. noch 22 Meter bis znm Wipfel, die Stamm länge 6,9 Meter. Aus den noch vorhandenen Aesten wurden 10, ans dem Stammende l-l Festmeter zum größten Theil kern- haftes Holz gewonnen. Wie man aus Stuttgart meldet, ist in der einem gewissen Reinhardt gehörigen Pfandleihanstalt am Leonhardsplatze am 23. d. Abends 9 Uhr ein Raubmord begangen 'norden. Der Eigenthümer Reinhardt, der sich im Laden allein befunden hatte, wurde getödtet, die Ladencasse ausgeranbt vorgefunden; der Mörder ist entflohen nnd wird in den amtlichen Bekannt machungen als ein junger Mann in Arbeiterkleidnng geschildert. Wie das „Regierungsblatt" in Astrachan meldet, haben sich die Fischer, welche bei einem heftigen Sturme am 3. d. Mts. auf einer Eisscholle ins Meer Hinausgetrieben wurden, gerettet. Nach den glänzenden verführerischen Schilderungen der Ver hältnisse im Nordwesten der Vereinigten Staaten, die man seit der Eröffnung der Northern Pacificbahn zn lesen bekommen, wird das nachstehend wiedergegebene Schreiben, das dem Wiener „Extrablatt" ans Bismarck, der Hauptstadt Dacotas, zngegangen ist, einigermaßen abtnhlend wirken. Das interessante Schreiben Bismarck, 29. December 1883. Herr Redactenr! Das „Ertrablatt" beschrieb im Herbste die pompöse Eröffnung der Northern Pacificbahn in Amerika, darum richte ich jetzt diese Zeilen von Ort und Stelle an Sie. Das Experiment der Eröffnung hat der Bahn eine Viertel-Million gekostet und er folgte zu einer Zeit, wo sich noch Alles im ichönsten Grün präsentirte. Das Ganze hatte den Zweck, daß die Gäste in Europa die Herrlichkeit der Gegend rühmen sollten. Die Bahn hat nämlich von der Regierung bedingungslos 40 Millionen Acker Land an der Bahn geschenkt erhalten, nnd dazu braucht sie jetzt Käufer, um die Ländereien zn reatisircn: um das weitere Wohl uud Wehe der Eolonisten kümmert sie sich nicht. Die Bahn offerirt den Acker mit 4 Dollars. Es werden außerdem Tausende von Broschüren unter dem Titel: „Der goldene Nord westen" nach Europa geschickt. Hunderte von Eolonisten folgten diesem Rnfe; es handelte sich nm weiter nichts, als nm das Geld der Emigranten; die Agitatoren kaufen eine Sektion Land, 160 Acker, zerlegen selbiges in Bauplätze, agitiren für die Be siedelung der Gegend und trachten, diese Bauplätze, wo eme Stadt werden soll, günstig an den Mann zu bringe« nnd ver duften dann. So sitzen jetzt Hunderte in ihren Bretterhütten und zehren das Letzte über Winter auf; wer nicht genügende Mittel brachte, geht einer schlimmen Znknnft entgegen, denn Arbeit und Nebenverdienst giebt es in der Prairie nicht. Tau sende von Quadratmeilen sind ohne Wald und das Zusühren von Holz nnd Kohle macht die Bahn durch ihre hvrrendeu Ta rife zur Unmöglichkeit. Der Winter ist aber eisig und strenge, es herrschen fortwährende Winde, nnd wer im Stalle nicht heizt, dem erfriert anch das Vieh. Viele werden im Frühjahr nichts zum Anbau haben und das Davonlaufen dem längeren Verbleiben vorziehen — welches Elend über Familien hieraus entsteht, ist leicht begreiflich. Es ist Alles enorm theuer und die Kaufleute uehmen bis zu 400 Proceut Nutzem bei ganz ge wöhnlichen Bedürfnissen, weil die Bahn den Verkehr mit den nächsten Städten unmöglich macht, denn wer z. B. in Dacota sechs deutsche Meilen von der Stadt Bismarck wohnt und dort seine Einkäufe besorge» wollte, muß für die Tour- uud Retour- fahrt 3 Dollars und 50 Cents zahlen, welchen Werth ost ein Einkauf nicht erreicht; ähnlich ist der Frachttarif dieser Bahn ohne Concurrenz; darum sollte sich Niemand durch den billigen Fahrpreis von Ncw-Nvrk hierher verlocken lassen, denn ist er einmal da, so sitzt er in der Falle. Es wäre deshalb zu wünschen, daß sich Leute, welche durch solche Broschüren angclockt werden, genauer insormiren möchten, bevor sie sich mit Familie solchem Elende aussetzen, oder sich Staaten wühlen, welche nach geo graphischer Lage geeigneter sind. Wer nicht an Handarbeiten gewöhnt ist, der ist überhaupt übel daran und er kann, wenn er nicht englisch versteht, überhaupt keine Arbeit finden. Es würe augezeigt, wenn Sie in Ihrem vielgelesenen Blatte diesem Gegenstände einige Aufmerksamkeit schenkten, bevor das Früh iahr noch Viele hierher bringt. Wünschen Sie specielle Fülle von Landsleuten, so bin ich bereit, Ihnen solche bekannt zu gebeu. Ich will Ihnen vorlüufig mit einem Exempel dienen: Ein einstiger Wiener, Advocat I. Kratkn, fristet in New - Bork als Geschirranswascher in einem Restaurant sein Dasein. Achtungsvoll Anton Milde in Bismarck. Benjamin Flitsch, einer jener Millionüre, welche von ihren Millionen einen würdigen Gebrauch zu mache« verstehet:, ist i« New- Bork im Alter von 81 Jahre« gestorben. Er hat über 1,3MM) Dollars kür philanthropische Stiftungen ausgegeben und in Buffalo das Kinder-Aml und das Flitsch Institut für Arme gegründet, ebenso in Darien zEonnecticutf ein Waisen- und Jn- validenhaus, in denen alle Bedürftige ohne Unterschied der Con- fession Ausnahme finden. Die amerikanische Regierung trügt Sorge dafür, die im Aus sterben begriffenen Jndianerstümme zu erhalten, sie aber dabei zu cultivirten Leuten zu machen. Zu diesem Zwecke siud in den Vereinigten Staaten Institute für Rvthhüute beiderlei Geschlechts eingerichtet worden. Erst kürzlich sind fünfzig junge Mädchen verschiedener Stämme in das unter der Aufsicht des Ministeriums des Innern stehende Lincoln- Institut zu Carlisle, eingetreten. Diese jungen „Sguaws" von 6 bis 20 Jahren scheinen mit ihrem Loose sehr zufrieden zu sei«; sie sind gut gekleidet, lernen lesen, schreiben, nähen und kochen. Nur der tägliche Spaziergang ist ihnen wegen der zudringlichen Neugierde der Bevölkerung lästig. Bei Tage dürfen sie nur englisch sprechen; Abends nach dem Nachtmahl können sie sich untereinander in ihrem Idiom unter halten. Es wird ihnen das aber sehr schwer, weil sie den ver schiedenen Stämmen der Comanchen, Apachen, Pawnies, Sioux, Delaware» rc. angehören. Man hat ihnen zu ihren Familien namen neue Vornamen gegeben, so daß sie jetzt Helene Großer- krieaer, Eduard Adlerfeder, Bessie Nabenflügel, Sarah Friedens- vfeife rc. heißen. Nur eine Errungenschaft der Cultur fehlt diesen jungen Damen noch: es ist ihnen nicht möglich, bei ge wissen Dingen roth zu werden. Jur Berufswahl. Alljährlich um die Osterzeit, wenn Tausende uud aber Tau sende von Knaben und Jünglinge« die Schulen verlassen, um in einen practischen Lebensberuf überzutretcn, tritt eine sehr ernste Frage an die Eltern wie die Kinder heran: Die Berufs wahl. Kaum eine andere Frage im Leben hat die Wichtigkeit wie diese. Wohl und Wehe Einzelner wie ganzer Familien hängt vor: der richtigen Berufswahl ab, und gerade sie ist mit den mannigfaltigsten Schwierigkeiten verknüpft. Eme ungezählte Mcmge von Mißgriffen werden gerade in der Berufswahl ge- than und ein großer Theil socialen Elendes hüngt mit ihr zu sammen. Aber auch gerade die große Anzahl der Schwierig keiten bei der Berufswahl führen den ruhigen Beobachter zu der leider noch viel zu wenig bekannten Wahrheit, daß eS eine sehr zuverlässige Vorbereitung für den künftigen LebenSberus nicht nur in der Schule, sondern auch in der Familie, im Elternhause giebt. Indem wir keineswegs den hohe« Werth der Schule für die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten der Jugend verkennen, so bleibt die Ausrüstung der Knabe« u«d Jüugliuge ffir das Berufslebe« doch i« hohem Maaße lückenhaft, wenn nicht auch Elter« und Pfleger dem Geiste des heraugewachsenen jungen Geschlechts eine entsprechende Erziehung zu gebe» vermögen. In der Schule wird iu der Hauptsache m auch immer nur die Gesammthcit unterrichtet und können dort die individuellen Eigen- thümlichkeiteu der Schüler durchaus nicht so beobachtet und ver folgt, angespornt oder eingeschränkt werde« wie i« der Familie. Und was können die Elter« «icht für die Charaktereigenschaften ihrer Kinder thun, ja für die Charaktereigenschaften, welche für eine glückliche Berufswahl wichtiger sind als alle Talente. Oder wird ein in Bescheidenheit und Gehorsam erzogenes Kind seinen Geist auf eitle, unerreichbare Ziele richten? — Wird es nicht vielmehr guten Rathschlügen folgen und mit gegebenen Verhält nissen zn rechnen wissen? Und selbst glänzend beanlagten Jüng lingen sind vorzügliche Charaktereigenschaften, zumal die Be scheidenheit nnd die Unterordnung unter den Willen erfahrener, älterer Personen dringend nöthig, denn wie viel hochbegabte junge Leute erreichen ihr Ziel aus Mangel an gnten Charakter eigenschaften «icht, indem sie der Eitelkeit, der Zügellosigkeit, ja selbst thörichtem Größenwahne verfallen. Mäßig, ja selbst schlecht begabte Jünglinge «ut gnten Charaktereigenschaften, mit Bescheidenheit, Gehorsam und Fleiß ausgerüstet, erreichen da gegen meisteutheils, wenn auch erst nach längeren Mühen ihr Ziel. Aus dieser kurze» Charakterisinmg des Wesentliche», was bei der Berufswahl eine ausschlaggebende Rolle spielt, werde» ge wiß alle Elter» ihre Verhaltn»gSmaßregel» gegen ihre Kinder erkenne», und was sonst noch für die Zukumt deS jungeu Ge schlechts nöthig ist, sind die bekannten Wahrheiten der Lebe»s- vraxis. Niemand soll sein Kind z» einen: Berufe zwingen, son dern nur mit gute:: Rathschlügen und Vorstellungen zn wirken suchen. Niemand soll aber auch sein Kind einen Beruf ergreife» lasse», der als ei» Ausfluß der Eitelkeit weit über die TaleMe des Kuaben oder das Vermöge» der Elter» hittausaeht. I» alle» Fälle» ist es aber auch wichtig, sowohl mit den bisherigen Lehrer» deS K»abe» u»d Jü»gli»gs, als auch mit erfahreae» Männer» des Beriffs, den der simge Man» erwähle» will, über die betreffende» A»forderu»ae» u»d Attssichte» auf eine gute Lebeusstelluiig zu spreche::. Noch wäre auch i» viele» Fällen, wo cs sich um schwächliche oder kurzsichtige Kinder, deren eS jetzt so viele giebt, handelt, der Rath eines Arztes bei der Be- rmSwahl wichtig Denjenigen aber, welche Beamte, Lehrer, Oificiere u. s. w. werde» wolle», empfehle» wir »och das Ä»ch „Die Berufswahl im Staatsdieuste", verfaßt von: kaiserliche» Rechmmasrath Dreger »::d erschiene» i» C. A. Koch'S Verlag i» Leipzig OPreis 2 Mark». MmWflcrs Sore. Eine hessische Dorfgeschichte von E. Mentzel. (l6. Fortsetzung.) Zu den Obdachlosen gehörte auch eine junge Witwe, welche kau::: zwei Tage vorher ein »achgeborencs Knäblein zur Welt gebracht hatte. Sie war eine Base der Dore und bis zu dem vor einigen Monaten erfolgten Tode ihres Mannes oft recht stolz gegen die arme mißachtete Verwandte gewesen. Jetzt fiel ihr das schwer anfs Herz; denn sie hatte die Dore seit jener Zeit noch «icht wicdergcsehen. Obscho« sie jedoch keilten gute:: Empfang erwarten durste, nahm sie dennoch ihre beiden anderen Zwillingskindcr an die Han- und eilte, so schnell sie's vermochte, de« Weg zum einsamen Schifferhäusche» hinan. Dort unten bleiben konnte sie nicht, sie war noch zu schwach, um ein solches Jammergeschrei ohne böse Folgen für das arme Würmlcin an ihrer Brost mitanhörcn zu kounen. Auch für die Zwillinge mußte Nath geschafft werden; den« sie waren gänzlich durchnäßt und hatten seit Stunden keine» Bisse» gegessen. Mochte ihr Dore auch noch so abweisend gegenüber treten, sie wollte es deshalb ruhig ertragen und ihr gerne gleichzeitig das früher zugefügte, in Gedanke« schon ost bereute Unrecht wieder abbitten. Alle Befürchtungen der armen Frau erwiesen sich als grundlos, als sie bald darauf mit ihren Kindern in die Wohn stube des Schifferhäuschens trat. Von altem Groll war gar keine Rede; Dore empfing die Obdachlose mit solcher Herz lichkeit, daß man hätte glauben können, beide hätten immer wie Schwestern zusammen gestanden. Sie duldete auch keine Abbitte». Ohne viele Worte zu verlieren, nahm sie ihr de» Säug ling von: Arm, bettete ihn warm, holte ihre alten Kinder- klcidcr herbei und zog dieselben den beiden andern Kleinen an. Diese Arbeit ging der Dore so von der Hand, daß die junge Witwe kaum nach Verlauf einer Viertelstunde zwischen den Zwillingen behaglich bei einer Schale warmer Milch und einen: gehörigen Stück guten Schwarzbrodes saß. Jetzt erst vermochte sie der treuen Dirne nach herzlichem Dank für die erwiesene Wohltbat ihr Beileid an dem To- dcr Großmutter auszudrücken, jetzt erst kam sie dazu, ihr von der Noth der Obdachlosen, dem furchtbaren Unglück des Grenzbauern und der Lebensgefahr zu erzählen, in welcher sich der Hanjust eben befinde. Doch welche unerhörte Veränderung ging plötzlich mit der Dore vor, als da- letzte Wort noch nicht über die Lippen der armen Frau gekommen war?! — Diese entsetzte sich