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Mlage zum Großenhainer Unterhaltung»- nnd ÄnzeigebiM Sonnabend, den I<» Februar 188L Nr. 21 72. Jahrgang. Brandstifters Dore. Eine hessische Dorfgeschichte von E. Mentzel. (13. Fortsetzung.) XI. Wie die Eisdecken über Nacht zerbrechen, wenn der warme Hauch des Frühlings über sie hinzieht, so zerrann auch die mühsam errungene Festigkeit Dorens in einen Strom von Thronen, als sie in das enge düstere Gemach zur Groß mutter eintrat. Eine Zeit lang betrachtete sie das friedliche unentstcllte Antlitz der Todten, dann setzte sie sich auf das Lager und steckte ihr die Anemonen mit den Worten in die gefalteten Hände: „Da, mein gut Große!, die wirst Du heut lieber von mir nehmen als den Kräuterstrauß vorm Jahr um die Pfingstzeit!" Ein letzter leuchtender Sonnenstrahl durchbrach die blei farbenen Wolken und glitt durch die runden Scheiben des kleinen Fensters über die erstarrten Züge der Entseelten. Es war, als kehre in diesem Augenblick ein Schimmer des Lebens in das edelgeformte Antlitz der Großmutter zurück, als wolle ihr festgeschlossener bleicher Mund der Enkelin die Bestätigung geben, daß sie richtig vermuthet hatte. „Ich versteh Dich, mein gut Große!!" fuhr Dore fort. „Ich versteh Dich, wenn Du auch keinen Deut mehr red'st und gar still und schweig sam worden bist. — Und Du wirst auch mich verstehn und nit voll Groll auf mich niederschaun, daß ich's kein Hehl vor Dir hab', wie schwer ich mein trutzig Herz zum Schweigen gebracht Han." Dore seufzte tief auf, aber sie weinte nicht mehr. Das Gefühl unbeugsamer Härte gegen die eigenen Empfindungen, welches die Großmutter ihrem Sohn und dieser seiner Tochter aufgeerbt hatte, kam wieder über ihr Herz und ließ sie die verlorene Ruhe und Fassung bald wieder gewinnen. „Sie sagen, ich sei Dir ähnlich, wie eh'dem die Muhme Annegreth", begann sie wieder, indem sie der Todten über das schneeweiße lockige Haar strich. — „Nun, wenn ich's denn so sehr von außen bin, dann will ich's auch ganz von inwendig sein. Es soll Niemand merken, was hier vorgeht, und wenn ich's auch mit mir schleppen müßt wie Du durch ein langes Leben." Während sie diese Worte im Tone eines Gelöbnisses zur Todten gewendet sprach, hatte Dore beide Hände über der Brust gekreuzt. So saß sie eine Weile regungslos in ernster Ruhe, dann erhob sie sich wie von einem plötzlichen Gedanken aufgeschreckt. „Dir zu Lieb muß ich gehn, mein gut Große!!" sprach sie und ihre Augen wurden wieder feucht. „Bald werden sie kommen mit Leim' letzten Gelaß (Gehäuse) und das Kranzgewind ist noch nit begonnen!" Mit einem liebevollen Blick nahm Dore von der Groß mutter Abschied, deckte ein blüthenweißes Leinentüchlein über ihr Antlitz und verließ das Gemach. Sie wollte über den für das kleine Haus ziemlich großen Flur nach dem gegen über liegenden Zimmer schreiten, al« sie aber die Ziegen im Stalle laut meckern hörte, wandte sie sich um und eilte wieder ins Freie. Sie schritt nach dem an das Schifferhäuscheu angcbauten Stall und schob den Riegel von der Thüre hinweg, welche die beiden hungrigen Mutterziegen mit ihren Hörnern beinah aus den Angeln gedrückt hätten. „Halt' ich Euch denn ganz vergessen in meim' eignen Leid!" sprach sie, die Köpfe der beiden Thiere streichelnd. Dann holte sie aus einem kleinen Nebenraum einen Arm voll Heu und legte es ihnen mit den Worten auf die Raufe: „Hab' schon geglaubt, es gab' jetzt gar kein lebendig' Wesen mehr, was mit Ungeduld aus mich harren und mit Lieb' an mir hängen thät!" Nun nahm sie die kleinen Lämmer, die unter ihrer Pflege bisher so gut gediehen waren, und herzte sie. „Armes Vieh, wie wird's Euch gehen, wenn ihr, wie ich selbst, bald fremde Herren haben werdet." Jetzt drängten sich auch die beiden Alten so dicht an sie heran, a!s ob sie der Herrin ihre Zuneigung zu verstehen geben wollten. Wenn derselben aber auch gerade in dieser Stunde die Anhänglich keit der dankbaren Wesen unendlich wohl that, so machte sie sich doch bald wieder von ihnen frei. Dore wollte der Großmutter den letzten Liebesdienst er weisen, deshalb wehrte sie auch die zahmen Tauben von sich ab, die heute, wie gewöhnlich, wenn sie die Stalltbüre zu riegelte, vom Dach des Hauses auf ihre Schulter nicdcr- flogcn. Sie trat in den Hausflur, nahm das dort nicdcr- gelegte Bünde! Tannenzweige und schritt über einige Stiegen in die Wohnstube. Diese war schma! und auch nicht sehr lang; vielleicht sah sie aber auch nur dcshaib so klein aus, weil das große Bett mit seinem verwaschenen leinenen Vor hang einen bedeutenden Theil des Raumes hinwegnabm. In diesem Bett hatte Dore, so lange sie sich erinnern konnte, gemeinsam mit der Großmutter geschlafen. Es war ein Erb stück aus alter Zeit und von der Verstorbenen sehr hoch ge schätzt worden. Als dieselbe einst in großer Noth war, ver kaufte sie es doch nicht, trotzdem ihr wiederholt Fremde eine bedeutende Summe dafür geboten hatten. „In dem Bett Han ich das Licht der Welt zuerst erschaut und will's auch zuletzt drin erblicken!" Pflegte die Großmutter stets zu sagen, wenn ihr von irgend einer Seite ein Vorwurf über die Ab weisung des vorthcUhastcn Handels gemacht worden war. Dore dachte hieran, als sie in's Zimmer trat. Dabei fiel ihr Blick auf den frommen Spruch, der in dem über dem Vorhang berlaufenden Rahmen aus Eichenholz mit großen verschnörkelten Lettern eingeschnitzt war. Tie Großmutter hatte ihn jeden Abend wie ein Gebet vor sich hin gesprochen, ehe sie einschlicf und Dore ließ ihn jetzt unwillkürlich auch über ihre Lippen gehen: „Herrgott, bei Tag und Nacht nimm' mich in deine Hut Und mach' eö auch dereinst mit meinem Ende gut." Der liebe Gott hatte das Flehen der Großmutter erhört, sie war sanft hinüber gegangen, so ruhig wie der Vater, der erst drüben im kleinen Gemach gelegen hatte, aber auch seinen letzten Hauch im alten Familienbette thun sollte. Und kur; vor ihrem Tode, als alles Andere von ihrer Seele losgelöst war, da hatte ihr die Großmutter auch noch das alte Erbstück und das andere Geräth an's Herz gelegt, was schon ihren Voreltern theuer war und einst mit so sauerem Schweiß er rungen wurde. Dore wußte, die Großmutter hatte an den drei einfachen Holzstühlen mit den geschnitzten Lehnen und dem breiten, weiß gescheuerten Eichentisch wie an wirklichen Menschen gehangen, und sie machte sich in diesem Augenblick Gedanken darüber, wo sie bei ihrem Eintritt in fremde Dienst barkeit die auch für sie so werthvollen Stücke unterbringen solle. Sie hatte noch keinen Ausweg gefunden, als sich eine schnarrende Stimme vernehmen ließ, die mehrmals kurz hinter einander das Sprüchwort wiederholte: „Kommt Zeit, kommt Rath!" „Hast Recht, Staarmatz", sagte Dore, indem sie eine kleine Blcchkapsel aus der Tasche zog und an den Käfig trat. Er hing an der Wand zwischen den beiden, im Sommer grün umrankten Fenstern, welche einen Ausblick auf den Strom, den Grenzhof und einen die Thalebene in der Ferne begrenzenden Höhcnzug gewährten. „Da!" sprach sie dann, „ich hab' Dir so ein verirrtes Würmlein mit'bracht, was dadraus' doch zu Grund gangen wär!" Sie wollte sich gerade wieder umwenden, als ein greller Blitz aus den schwarzen Wolken in den Strom nieder schoß, daß der weiße Schaum der Wellen hoch aufspritzte. Dore zuckte zusammen, trat dann hastig an's Fenster und blickte angstvoll nach dem Strom und dem jenseitigen Ufer hinunter. Ihr scharfes Auge erkannte sofort im Gitterthor des Grenzhofs die hohe Gestalt des Hanjust, der, wie sie mehr ahnte als sah, gespannt nach dem einsamen Haus auf der Höhe emporschaute. Doch nur einen Augenblick hastete ihr Blick auf ihm, dann floh sie wahrhaft vom Fenster hin weg in die Mitte des Zimmers hinein. Sie mußte vor sich selbst erschrocken sein, mußte sich plötzlich in einer Gefahr gesehen haben, aus der sie sich nur durch eine schleunige Flucht meinte befreien zu können. Es verging eine Zeit, ehe das dunkle Roth, welches im Nu den Nacken und das Antlitz Dorens bis an die Schläfe überfluthete, allmählich gewichen war und ihre Züge den Aus druck ruhiger Entschlossenheit wieder gewonnen hatten. Dann setzte sie sich zum Flechten des Kranzgewindes nieder. Eben hatte sie begonnen, die Hauptzweige in kleinere Theile zu zcr- stücken und sie je nach ihrer Größe in gesonderten Sträußchen vor sich auf den Tisch zu legen, als der Staarmatz einen schnarrenden Ton ausstieß und gleich darauf die Melodie eines alten, im Hessenlande viel gesungenen Volksliedes pfiff. Ihr Vater hatte dem klugen Vogel die Melodie gelehrt und manchmal, wenn ihm eine gute Stunde vergönnt war, dazu gesungen: „Es war ein armes Mägdelein, Ein frisches junges Blut, Das war dem schönsten Reitersmann Im ganzen Lande gut. Doch manche Maid aus hohem Ltamm Hat ihn nicht minder lieb, Wenn keine ohne Wanken auch So treu und hold verblieb. Der Reichsten gab er bald sich hin, Mit ihr nur trieb er Scherz. Das brach des armen Mägdleins Stolz, Das brach ihr auch daS Herz! —" Sonst war der Staarmatz immer gelobt worden, wenn er einen Vers mit sicherem Takt und scheinbarer Empfindung zu Ende gepfiffen hatte, heute jedoch ließ ihn Dore nicht so weit kommen. Es war ihr viel zu traurig zu Muth, als daß sie sich durch seine Kunstfertigkeit bei so ernstem Thun hätte zerstreuen oder gar erheitern lassen mögen. Sie stand schnell auf, machte eine abwehrende Bewegung, worauf der Vogel alsbald verstummte. Dann begann sie die Guirlanden zu winden und vertiefte sich dabei so in ihre Ge danken, daß sie weder von dem unheimlichen Heulen des Sturmes, noch von einem schon mehrmals erfolgten leisen Klopfen an die Tbüre etwas merkte. Als endlich die Tbüre leise geöffnet wurde und Martin, der Obcrknecht vom Grcnzbofe, eintrat, fuhr sie, wie aus einem Traume erwachend, heftig zusammen. „Erschrick nit, Dore, ich bin's ja!" sprach der Eingetretene, indem er ihr mit treuherziger Miene die Rechte darbot. „Dcrgicb, Martin!" entgegnete sie, seine Hand herzlich drückend. „Ich bin so schreckhaft 'worden in der letzten Zeit, daß ich ost über meinen eignen Schatten zusammcnfahr'!" „Das ist halt kein Wunder!" gab er zurück und nahm auf dem angeborenen Stuhl vor ihr Platz. „Wer so wie Du bei Tag und Nacht ohne jegliche Hüls' seine Kindspflicht erfüllt hat, der muß am End' so weit kommen!" „Hast Recht, Martin, doch wie froh wollt' ich sein, wenn ich's nur eine Spann' lang noch einmal thun könnt'. Es ist doch etwas ganz anderes, so lang man sich noch um ein Liebes brcsten (sorgen) und quälen kann, als wenn man ganz allein und verlassen in der Welt dasteht!" „Stehst dann ganz verlassen und allein in der Welt?" Dore erschrak wahrhaft vor dem schmerzlichen Ton, in welchem er diese Frage an sic richtete. Sie fühlte, daß sie dies gerade vor ihm nicht hätte aussprechcn dürfen und wollte ihr Unrecht schnell wieder gut machen. „Martin", sagte sie, „so lang Du dadrunten dienst, bist Du mir immer wie ein leibhaftiger Bruder gewesen. Du hast mein' Vater ästimirt, hast meiner Große! in mancher harten Noth Beistand gethan und wirst auch fürder in Deiner Gutthat nit Nachlassen wollen. -- Doch schau, Du bist in den Jahr'n, wo sich der Bursch sein Gegenpart (Mädchen) sucht, Du hast schon ein Haus von Deiner Wase in Grcnzdorf geerbt, was Dir die Sach' nur noch leichter macht. Wie lang wird's dauern, dann hast Du Weib und Kind und kannst von selbst nit mehr an mich denken!" Es verging eine Zeit, ehe Martin seinen geneigten Kopf emporhob und Dore mit einem halb traurigen, halb vor wurfsvollen Blick ansah. „Du kennst mich doch schlechter, als ich geglaubt Han", erwiderte er. „Doch man kann Dir's nit verübeln. Wer so, wie Du, auf Weg und Steg ein Menschenkind immer vor Augen hat, der ist halt mit Blind heit geschlagen für Andrer Begehr' und Leid." „Was willst Du damit sagen?" fragte Dore in trotzigem Ton und sprang auf. „Du weißt cs so gut, wie ich selbst, und es wär' nimmer über meine Zung' 'kommen, wenn's nit endlich doch einmal sein müßt!" Martin hatte diese Worte mit merklicher Selbst überwindung hervorgebracht, jetzter hob er sich auch und fuhr, immer leidenschaftlicher werdend, fort: „Glaub', Dore, ich Han längst durchschaut, was seit einem Jahr inwendig in Dir vorgcht! — Und ich darf's wissen, aber Keiner außer mir, am letzten der stolze Junghcrr vom Grenzhof selbst! — Seit Deine Große! die Augen schloß, bin ich schon dreimal hier gewesen, und Han Dir's sagen wollen, es ist mir jedoch trotz all meim' heimlichen Brast nit über die Lippen gangen. — Jetzt aber taugt kein Verschieben mehr! — Dore, der Grenz, bauer ist für seinen Einzigen aus die Brautschau gefahren, und eh' er heimkchrt, mußt Du mein Eigen und vor jeglichem Schimpf sicher sein!" Er wollte ihre Hand ergreifen, sic wies ibn jedoch mit einer heftigen Bewegung von sich und entgegnete stolz: „Was inwendig in mir selbst geschieht, das geht keinen Menschen, nur unsern Herrgott etwas an! Doch wer kann's wagen, mir mit gutem Grund Schimpf anzuthun? — Glaubst Du auch an das schlechte Gered', was sie im Kirchspiel über mich austhan Han, und willst mich dennoch freien?! — Martin, da hält ich Dir mehr Ehr zugetraut!" „Dore!" rief er am ganzen Körper bebend, „Dore, spürst Du denn gar nit, daß ich neidisch auf den Jungherrn bin, daß ich lieber mein Leben, als auf Dir einen falschen Schein lassen möcht'?!" Sie starrte ibn entsetzt an und wich scheu vor ihm zurück. Er ließ sich aber nicht irre machen und suhr mit gleicher Leidenschaftlichkeit fort: „Ich weiß, Du bist rein, wie's Helle Sonnenlicht, doch wenn's auch anders wär', ich könnt ja halt doch nit von Dir lassen! — Und ich halt doch etwas auf mich und hält' noch vor 'nem Jahr nimmer geglaubt, daß ich mich einmal in der Lieb' mit so wenig Geländ (Naum in einem Herzen) begnügen könnt!" (Fortsetzung folgt.) Feld-Verkauf. Eine Feldparzelle, ca. 1 ',2 Acker groß, in Groß- raschützer Flur an der Merschwitzer Straße, unweit der Brücke gelegen, sehr schöne Bodenlage, zur Hälfte mit Korn besät, ist sofort unter leichten Zahlungsbedingungen zu verkaufen durch Emil Müller. Mein H ol»ul»a«8 beabsichtige sofort zu verkaufen. Carl Beger. Rahmenplatz 6! 8. Heute von Vorm, Uhr an im Saale der Kain. kierbslle, Neumark!. Hart ^ntiuanir, Auetionator und Taxator. Nutz- und Brennholz-ÄuctiM Im Uebigauer Holze sollen Montags, Oo» 18. M^brnar a. von Vormittags 9 Uhr an folgende Hölzer, als: 210 kieferne Langhaufen, 8 birkene „ 10V Meter Stöcke, 53 Reisig- und Knüppelhanfen, einzeln und partieenweise unter den vor der Auetion bekannt zu machenden Bedingungen an den Meistbietenden ver steigert werden. Unter den zu versteigernden Hölzern befinden sich eine Anzahl kernige Stämme bis zu 30 Etm. unterer Stärke, sowie auch schwache, zu Rüststangen, Heubäumen, Thor- und Zaunriegeln, Baumpfählen und Vermachstangen passend. — Sämmtliche Hölzer sind kernig; die Abfuhre ist sehr bequem. Uebigau, am 6. Februar 1884. 16. Leklmritt. Holz Auction. Auf Schönfeld-Liegaer Revier sollen Montag, den 23. Februar d. von Vormittags 9 Uhr an circa 1t Raumkubikmeter weiche Scheite, 75 „ „ Nollen, 10L „ weiches Reitzig, 10 Wellenhundert do. L50 Langhaufen l. bis III. Cl., worunter Vermachstangen und Zaunspriegel, 37 Raumkubikmeter weiche Stöcke, an Ort und Stelle verauctionirt werden. Forstort Galgen- berg und Krebssteg, Das erstandene Holz ist ans Verlangen sofort nach dem Zuschläge baar zu bezahlen, andernfalls pro Rümmer 2 M. als Aufgeld zu erlegen. Versammlung: Gasthof zu Liega. Arei-errtich von Wurgk'sche Wevierverwattung. Wagner.