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Börsenblatt Deutschen Buchhandel und die verwandten Geschäftszweige. Eigentum des Börsciivercins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. ^5 141. Leipzig, Sonnabend den 21. Juni. In seinem Schlosse Sibyllenort in Schlesien, einem Erbe des letzten Herzogs Wilhelm von Brann- schweig, ist am 19. Juni 1902 Sachsens geliebter König Albert von schwerem Leiden durch einen sanften Tod erlöst worden. In ihm ist ein edler Fürst aus der Welt geschieden, dessen Ableben weit über Sachsens Grenzen hinaus in ganz Deutschland und Oesterreich und auch im Auslande trauernde Teilnahme weckt, ein tapferer Kriegsmann, der letzte Feldmarschall aus ruhmreicher deutscher Vergangen heit, ein weiser Regent, ein gütiger Herr, ein echter deutscher Mann. Es ist nicht die Aufgabe dieses auf die Erörterung fachlicher Angelegenheiten beschränkten Blattes, ein Verkünder seines ruhmvollen Wirkens als Feldherr und als Staatsmann zu sein; wohl aber dürfen und wollen wir gern und mit aufrichtigem Dank uns erinnern, daß unter den vielen blühenden Gewerben Sachsens, über denen allen er seine schützende und fördernde Hand hielt, der Buchhandel und die Buchgewerbe eine bevorzugte Stelle in seinem Herzen einnehmen durften. Die weltumfassende buchhändlerische Bedeutung seiner großen Stadt Leipzig wußte er zu würdigen, die vielseitigen Bestrebungen des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler verfolgte er mit wohlwollender Aufmerksamkeit, und er war es auch, der am Kantatesonntage des Jahres 1888 dem in Leipzig er richteten Deutschen BuchhäWlerhause persönlich die Weihe gegeben hat. Wie er ein Freund und eifriger Förderer der Wissenschaft, der Nährmutter des Buchhandels, war und bei seinen Besuchen Leipzigs regelmäßig in deren Hochburg, der Universität, erschien, um einen wissenschaftlichen Vortrag zu hören, wie er hervorragende Männer der Wissenschaft gern in seiner Umgebung sah, strebende Talente ermunterte und förderte, so versäumte er auch niemals, wen» er nach Leipzig kam, irgend einer Stätte buchhändlerischen oder buchgewerblichen Betriebes seine Aufmerk samkeit zuzuwenden, prüfenden Auges sie zu durchwandern und mit freundlichstem Entgegenkommen, das jede Befangenheit hinwegnahm, sich manches ihm Neue erklären zu lassen. Bewundernswert war seine rege Aufmerksamkeit und sein beinahe fachmännisches Verständnis, hatte er doch, ivie er gelegentlich gern hervorhob, dem Brauche seines Hauses folgend, als Prinz ein Handwerk erlernt, und zwar das Buchbinderhandwerk. Viele dieser Arbeitsstätten im ganzen Sachsenland bewahren mit Dank die stolze Erinnerung an den Besuch des hohen Herrn, viele Inhaber buchhändlerischer und buchgewerblicher Betriebe Leipzigs, auch bewährte Mitarbeiter solcher durften sich der Ehre erfreuen, in seinem Leipziger Hause an der Goethestraße zur Tafel gezogen zu werden, wo er in liebenswürdigster Form mit seinen Gästen verkehrte. Keine Gelegenheit ließ der gute König vorllbergehen, ein bürgerliches Verdienst anzuerkennen und zu ehren. Auch der Kunst gehörten seine Neigungen und sein großes Verständnis. Die Kunststadt Dresden mit ihren dauernd dort untergebrachten und beständig vermehrten Schätzen alter und neuer Meister, mit ihren zahlreichen großartigen Ausstellungen ist ein redender Zeuge seines freigebigen Schutzes auf diesem Gebiete der Schönheit und Anmut; insbesondere durften auch die vervielfältigenden Künste und Fertigkeiten, wie sie im Kunsthandel zur Erscheinung kommen, sich seiner unausgesetzten Ermunterung und Förderung erfreuen. Und wie der bildenden Kunst, so war König Albert auch der Musik und der schönen Litteratur ein innig ergebener Freund und Beschützer. Dieser königliche Förderer alles redlichen, ernsten Strebens und Wirkens ist sterbend von uns gegangen, seine freundlich beredten Lippen schweigen im ewigen Schlafe. Die Erinnerung aber an sein reich gesegnetes Wirken, an seine edle, gütige Persönlichkeit und seine echten Herrschertugenden wird um so lauter reden, um so kräftiger und nachhaltiger leben im ganzen deutschen Lande, insbesondere auch im deutschen Buchhandel, in allen ihm anverwandten und angegliederten Gewerben und in allen den Zweigen menschlichen Schaffens, mit denen er in seiner Vielseitigkeit gemeinsam zu wirken berufen ist Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, eg. Jahrgang. ... !