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88 Klassisch oder romantisch? „ich werde ein Teil von dem, was mich umgibt, und mir sind hohe Berge ein Gefühl." Es ist völlig unverständlich, wie man hier mit Worten wie pantheistisch verdächtigen^) oder vom Stoffe sprechen kann, dem sich der reine Lyriker untertan mache. Gerade das Umgekehrte wäre richtig. Wenn irgendwer vom Stoff abhängig ist, so ist das doch wohl der reflektierende, sich begeisternde Rhetoriker oder jener Romantiker, der den Dualismus ausspricht, anstatt die Bewährung der Kunst in der Überwindung zu suchen.") In jedem wahrhaften Dichter und so auch in allen echten Lyrikern der Romantik lebt diese Vorstellung von Lyrik, und Eichendorff spricht sie aus, wenn er sagt: Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Sprichst du nur das Zauberwort. Es ist eine alte Wahrheit, der ich mit Worten Jean Pauls Aus druck gebe. „Keine Hand kann den poetischen, lyrischen Pinsel festhalten und führen, in welcher der Fieberpuls der Leidenschaft schlägt." Auch der religiöse Dichter wird, will er wirklich Vollendetes schaffen, eines gewissen Abstandhaltens von seinem Gegenstand nicht entraten können. 1) Vgl. auch die Fußnote auf S. 68. 2) Ich will nicht verschweigen, daß ich in Eicherts lyrischer Sonderart durchaus die des begeisterten Rhetorikers sehe. Sie deshalb nicht gelten zu lassen, fällt mir nicht bei. Ich wüßte bei allem Unbehagen, das mir manche polemische Gedichte erregen, sogar viel Gutes darüber zu sagen. Wer wenn nur das, was und wie Eichert es uns zu bieten hat, christliche Lyrik heißen dürfte, so wäre es um die Zukunft unserer Dichtung schlecht bestellt. Zur Vermeidung von Mißverständnissen nur eine Andeutung: Gedichte, wie das selbst in der Jugend-Ausgabe aufgenommene „Was wir hassen!" finde ich nicht nur im höchsten Grad poesielos, sondern direkt antipoetisch. Und was soll es schließlich bedeuten, wenn die ganze gegenwärtige Kulturwelt als „Teufels bau" bezeichnet wird? Was wir hassen ist die feile Lüge, Die sich heute bläht so frech und breit, Eckler noch, wenn sie der Wahrheit Züge Zu gewisserer Täuschung sich entleiht. Mles lügt: Das Haus, in dem wir leben, Seiner Mauern Wucht, der Pfeiler Macht — Bis die Steine werden Zeugnis geben Und der Teufelsbau zusammenkracht. Man denke: ein Kindergemüt und diese Verse!