Poesie; lyrische Gedichte als unmittelbare Äußerungen des Gefühls ausgenommen. Das Christentum selbst kann Wohl weder Philosophie noch Poesie sein, es ist vielmehr das, was aller Philosophie zugrunde liegt, ohne welche Voraussetzung diese sich selbst niemals versteht, sich in leere Zweifelsucht oder einen ebenso leeren und nichtigen Unglauben und in endlose Streitigkeiten verwickelt. Auf der anderen Seite aber ist das Christentum dasjenige, was über alle Poesie hinausgeht, dessen Geist allerdings wie überall so auch hier herrschen, aber nur unsichtbar herrschen soll, und nicht geradezu ergriffen und dargestellt werden kann/") Josef von Eichendorff vertritt denselben Gedanken: „Es kommt überhaupt hier gar nicht auf christliche Stoffe an, sondern auf die reli giöse Auffassung und Durchdringung des Lebens, die sich gerade an den sprödesten Materialen am wunderbarsten bewähren kann. Wir wollen auf der Bühne kein Dogma, keine Moraltheologie, nicht einmal in allegorischer Verhüllung, wenn die Allegorie nicht etwa, wie bei Calderon, durch die Zauberei der Poesie wirklich lebendig und individuell wird. Wir hätten sonst eben nur wieder Tendenzstücke, und die greifbare Tendenz, wie wir schon einmal gesagt, verstimmt und verfehlt daher ihren Zweck, sie mag auf das Verkehrte oder auf das Göttliche gehen. Wir verlangen nichts als eine christliche Atmosphäre, die wir unbewußt atmen und die in ihrer Reinheit die verborgene höhere Bedeutsamkeit der irdischen Dinge von selbst durchscheinen läßt, gleichwie ja dieselbe Gegend nicht dieselbe ist in dickem Schmutzwetter oder bei scharfer Abend beleuchtung/") Der geistlichen, der religiösen Dichtung wird immer die besondere Liebe vieler Katholiken gehören. Je höher jedoch der Stoff ist, desto weniger darf dem Dilettantismus dabei nachgesehen werden. Ein Volk, das ein „Geistliches Jahr" erlebt hat, muß hohe Anforderungen stellen. Die religiöse Dichtung ist kein literarischer Konsumartikel und soll nicht als Massenprodukt in Treibhauskultur gezüchtet werden. Das voll kommene geistliche Gedicht ist stets eine Solitärpflanze: ein einzelnes kann Generationen erquicken. Ein „Christusdichter" als Spezialist bleibt zum mindesten eine Geschmacklosigkeit. An so vielen mit moderner Sprachtechnik glanzvoll aufgeputzten, aber innerlich hohlen geistlichen 1) Sämtl. Werke, Bd. I, S. 6f. 2) Geschichte des Dramas (Paderborn 1866) S. 200.