Dauer anwandeln. Insofern hat die Gefahr des Naturalismus nie für ihn bestanden, denn Naturalismus ist ein denkendes Aufgehenwollen in der Naturgebundenheit. Nicht minder aber schützt ihn die tiefe Einsicht in die eingetretene Unordnung der menschlichen Natur vor einem ver trauensseligen Optimismus, dessen rosige Nebel noch keinem klaren Dichterauge lange widerstehen konnten. Ein reales und sicheres Ver hältnis zur Welt, das sich weder abgründigem Weltschmerz noch unbe grenzter Zuversicht hingibt, das die Menschen und alles Menschliche niemals durch die Trugbrille einer salschen Idealität erblickt und dennoch des sicheren Glaubens lebt an ihre Freiheit in Gott auch nach dem tiessten Falle, befähigt ihn wie keinen anderen zu einem echten Pragma tismus des Geistes. Und dieser sichere und tiefwurzelnde Realismus, weit entfernt, sich bloß auf die Befassung mit menschlicher Zuständlichkeit zu beschränken, greift vielmehr tief in die Tatsachen des inneren Lebens hinein, stellt sie in klarer Objektivität aus sich heraus und fundamentiert sie nur insoweit mit den Außendingen, als sie die Glaubwürdigkeit des Ganzen erhöhen. Er tritt, wie Meyenberg cs einmal gut ausdrückt, „dem Primat der Materie entgegen, ohne die Materie als solche zu verdammen. Er findet leicht die Harmonie zwischen Gewissenspflege und Geschmacks pflege. Die Religion hilft ihm jene innere und tätige Stille und jenen Ab stand gewinnen, der dem Künstler notwendig ist, um wiedergebend und schöpferisch in das volle Menschenleben zu greifen und die Probleme des Lebens künstlerisch zu gestaltend) Der christliche Dichter ist der Dichter der tiefsten Lebenswahrheit. Wie kein anderer kann er aller rhetorischen Künste entraten. Nur das Falsche muß mit Wortschwall, Überredungskunst und Blendwerk ver teidigt werden. Indem der echte Künstler das richtig Beobachtete ge staltet, spricht er das Wahre aus. Er lehrt nicht Religion und Wahr heit in seinen Werken; sie liegen darin eingeschlossen wie Vernunft in Natur. Man muß sie mitbringen, um sie vorzufinden. Da er sich nur an die innere Erfahrung im Menschen wendet, fordert er niemals dessen Widerspruch heraus. Wer könnte auch dem widersprechen, was er immer wieder selber erlebend bestätigt findet? Man sage dem Humanitätsschwärmer von der menschlichen Erb- und Urschuld, und er wird tausend Einwände da gegen haben. Aber willig folgen wird er, läßt ihn die Dichtung in tiefer- faßter, konkreter Lebensgestaltung der eigenen Ohnmacht und Hilflosigkeit inne werden. So ist der Dichter der Schrittmacher aller höheren Erkenntnis. 1) Wartburgfahrten, S. 341.