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sind z. B. der Protestantismus oder eine der anderen protestantischen Denominationen keine Religionen, sondern Konfessionen auf christlicher Religionsgrundlage; der Katholizismus hingegen ist Religion, und er ist Konfession im historischen Sinn nur im Hinblick auf das Trennende gewisser Unterscheidungslehren des Protestantismus. Nun ist cs Tat sache, daß dieses Verhältnis nicht bloß von protestantischer Seite in sehr begreiflichem Interesse möglichst verschleiert und dem allgemeinen Be wußtsein verdunkelt wird, sondern daß auch die Katholiken sich mehr daran gewöhnen, ihre Religion nur auf die konfessionellen Kriterien hin anzusehen und so den unbefangenen Sinn für die Totalität ihrer Religion als der christlichen allmählich zu verlieren. Wer hätte noch nicht sich oder andere auf dem Gedanken, auf der Bemerkung betroffen, wenn es die Beurteilung, Benennung oder Charakterisierung einer reli giösen Erscheinung galt: Das ist allgemein christlich, aber nicht katholisch! Gewiß macht eine solche Bemerkung der Gedankenklarheit ihres Urhebers keine besondere Ehre. Aber auch schlechte Denkgewohnheiten sind für den Psychologen oft von erheblichem Wert, weil sich in ihnen häufig ganz unbewußt Empfindungen verdichten, die über das tatsächliche Ver hältnis eines Menschen zu einer Sache oder Person leicht mehr aus sagen, als ein klar formulierter Gedanke. Und so haben wir denn hier tatsächlich den gefühlsmäßigen Ausgangspunkt für so manche Anforde rungen auch in der Literatur: der katholische Dichter solle katholische Werke schaffen, was dann natürlich nichts anderes heißen kann, als Werke, deren Stoffe und Behandlungsart keinen Zweifel lassen, daß sie nur von einem Katholiken und für Katholiken geschrieben sein können und wollend) So auf eine gleichsam abstrakte Formel gebracht, hat diese Methode ein schrofferes Ansehen, als sie, in die Wirklichkeit übersetzt, sich darstellt. Ich bin weit entfernt, behaupten zu wollen, daß die Wort führer z. B. des „Gral" eine solche beschränkte Anschauung zu fördern die Absicht haben; aber es ist mir auch keinen Augenblick zweifelhaft^ 1) Die Frage des Konfessionellen in diesem Sinne ist eigentlich nur durch den Roman so akut geworden. Indem hier meist von der engsten Gegenwart ausgegangen wird, der Gesellschaftsmensch als Träger der Handlung gilt, ist es unvermeidlich, daß, wie seine sozialen, bürgerlichen, gesellschaftlichen Beziehungen, so auch seine kirchlichen Gegenstand der Betrachtung und Beurteilung werden. Durch den Roman und seine ein seitige Pflege allein konnte die Frage auf ein so niederes Niveau gedrückt werden, als auf welchem sie zurzeit steht. Muth, Die Wiedergeburt der Dichtung. A