Nur müßten sie — und das ist die seltsame Ironie der Lage — heute gerade in umgekehrter Richtung gesprochen werden. Nicht Deutschland, sondern Österreich beherbergt heute jene Ultraschriftsteller, deren unruhiges Kämpfen alle ruhige Bildung zurückdrängt und bei aller guten Gesinnung in bezug auf das Religiöse, durch die Art ihrer Be tätigung in dem Bezirk der Dichtung mehr übel als gut macht. Nicht anders als Schlegel haben seine gesinnungsverwandten Freunde und Schüler gedacht. Selbst der milde und für alles Katholische so warm begeisterte Eichendorfs erteilte seinen Glaubensgenossen in bezug auf ihr schönliterarisches Wirken im Interesse der Dichtung den Rat: „Es sei keine Propaganda des Katholizismus, aber eine allem Unkirch lichen fremde Gesinnung, die alles nur an dem mißt, das allein des Lebens wert ist und die wir heutzutage getrost eine katholische nennen dürfen." *) Wer immer die Interessen der Literatur ernstlich zu seinen eigenen gemacht, wird niemals anders denken noch sprechen können. Denn da er in solcher Weise die Dichtung gegen Ansprüche sichert, die sie direkt nicht erfüllen kann, ohne in ihrem tiefsten Wesen Einbuße zu erleiden, nützt er zugleich auch der Religion, der eine charaktervolle und eigen persönliche Dichtung stets eine willkommene Bundesgenossin und Schwester war. Andererseits aber wird er heute mehr als je auch die Notwendigkeit empfinden, durch die Aussaat christlichen Geistes die rechten Vorbedin gungen zu schaffen für das allmähliche Emporblühen einer von diesem Geiste erfüllten Dichtkunst. Beide Tätigkeiten voneinander abzuschließen, ist weder Grund noch Möglichkeit vorhanden. Wohl aber darf ihre Aus übung nicht in der Weise vermengt sein, daß die Selbständigkeit der doch immerhin wesentlich verschiedenen Gebiete beeinträchtigt und vor allem die Begriffe im allgemeinen Bewußtsein getrübt werden. Indem die Gralbewegung wie kaum je eine Bewegung, die sich literarisch nannte, in dieser Beziehung die richtige Sicherheit und den nötigen Takt ver missen ließ, hat sie nicht bloß das literarische Urteilsvermögen ihrer Anhängerschaft nicht gefördert, sondern auch die Schaffenden und vor allem die jüngeren unter diesen verwirrt und durch die z. T. brutale Diktatur eines das Kirchliche, Religiöse und Literarisch-Ästhetische ver mengenden Begriffsdurcheinanders derart terrorisiert und eingeengt, daß 1) Geschichte der Poetischen Literatur Deutschlands. Paderborn 1866. 2. Teil, S. 232. Neuausgabe von Kosch in der „Sammlung Kösel" S. 537.