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24 Literarische Kämpfe Ausübung eines Wiedervergeltungsrechts, sondern unter dem Zwang des kategorischen Imperativs unserer nun einmal so und nicht anders ge arteten katholischen Persönlichkeit bringen wir unsere Werke hervor, und kein Mensch hat ein Recht, uns selbst dann zu tadeln, wenn wir darin auch Apologie treiben, sofern es nur mit künstlerischen Mitteln geschieht und nicht in langweiliger lehrhafter Weise?) Das war, man muß es zugeben, der höhere Standpunkt. Aber von wirklicher Einsicht in die Psychologie künstlerischen Schaffens bleibt er weit entfernt. Auch hatte man ihn nicht aus eigener Kraft erstiegen, sondern an der Hand von Schlagwörtern der Zeit, wie: Kunst ist Persönlichkeit, ist Konfession, ist seelische Offenbarung. — Diese und ähnliche Allgemeinheiten von sublimer Trivialität schwirrten ja nur so in der Luft. Indem man sich solche von einseitiger Subjektivität erfüllten Anschauungen zunutzen machte, hatte man Wohl das Niveau gegen früher gehoben, aber die geistige Konstellation blieb wesentlich dieselbe.-) Hatten die älteren Taktiker auf ein äußeres Recht gepocht, so führte man jetzt ein inneres ins Feld, aber man blieb in Kampfstellung, in der Be wußtheit eines Gegensatzes, wie er von jeher seit der aus gehenden Romantik den Begriff der katholischen Dichtung und Kunst beherrscht hatte. Diese Bewußtheit des Gegensatzes ist es, die heute unsere ganze literarische Situation charakterisiert und, wie wir später noch zeigen werden, eine unbefangene dichterische Produktion lahmlegt. 1) Gral I, 10, 473, II, 8, 373 f. 2) Nur ganz wenige haben die Gefahr durchschaut, die in diesem Prinzip von der absoluten Subjektivität in der Kunst gelegen ist. p. Pöllmann war einer dieser wenigen, zugleich aber auch derjenige, der mich für die Durchsetzung dieses Prinzips verantwortlich gemacht. „Von diesen: Huttenschen Geist," so schreibt er in seinen „Rückständigkeiten" (Ravensburg 1906), „der durch alles neuzeitliche Schrifttum weht, von dieser Nur-Lyrik im Kampf um den Besitz seiner selbst und seiner überfeinerten Stimmung, von dieser Sucht auf der Jagd nach vorüber hastenden Empfindungen und Bildern, von dieser großen Seuche unserer Kunst, der mit der Ruhe die Klarheit des Schauens auch die Wahrheit der Epik verloren gegangen, ist auch Muths Kunstforderung angekränkelt." Ich erwähne diese seltsame Behauptung hier nicht, um dagegen zu kämpfen, denn Pöllmann würde sich vergeblich bemühen, sie zu beweisen, ich führe sie nur an zur Charakteristik eines von nun ab immer allgemeiner werdenden Verfahrens, mich für gewisse Kunstforderungen, Meinungen und Absichten verantwortlich zu machen, die von mir weder verteidigt worden noch in meinen Schriften und Anschauungen irgendwie hervorgetreten sind.