18 Literarische Kämpfe meiner österreichischer Katholikentag 1905 Z und Begründung des Gral bundes und seiner Zeitschrift „Der Gral". Es ist kein Zweifel, daß der „Gral" in literarischem Betracht gegen die „Warte" einen Rückschritt bedeutet. Indem er jedoch das litera rische Gebiet nur als Teil eines größeren Ganzen erfaßte und diesen Gedanken theoretisch kräftig ausprägte, indem er ferner seinem Wirken einige leicht faßbare und wirksame Grundgedanken vorausstellte, zeigte er sich der „Warte" taktisch entschieden überlegen. Diese Grundgedanken aber sind solgende: Die Literatur kann und darf nicht als vereinzelte Erscheinung betrachtet werden. Eine bloß ästhetische Behandlung der Literatur mit Außerachtlassung der ethischen und wahrheitlichen Seite des Lebens ist daher abzulehnen. Die Kunst als der Ausdruck des Seienden setzt eine Weltanschauung voraus. Aber eine individuelle Weltanschauung genügt nicht. Sie muß nächstdem, daß sie die Kriterien der Wahrheit in sich trägt, so beschaffen sein, daß sie der Gesamtheit nutzbar gemacht werden kann. Die Ausbildung allgemeiner Ideale, religiöser wie nationaler, ist daher notwendig. Diese Weltanschauung kann allein der Katholizismus sein, und zwar der römische, der romantische Katholizismus?) Dessen Schätze und Vorteile gilt es daher, der Literatur im weitesten Umfange nutzbar zu machen. Denn eine Hochblüte der nationalen Literatur ist heute nur möglich auf religiöser, auf katholischer Grundlage; sie ist nicht 1) Vgl. Bericht. Wien 1906, Kommissionsverlag von H. Kirsch. S. 229. I» dem betreffenden Antrag wird u. a. Klage geführt, daß in katholischen Organen den „gleichwertigen Leistungen katholischer Autoren" nicht der selbe Respekt entgegengebracht werde wie den „literarischen Äußerungen einer glaubensfremden Weltanschauung". — Die merkwürdige Selbsteinschätzung der Unterzeichner in Ehren — ist diese Behauptung ohne alle Grund lage. — Ferner wird geklagt über „offenkundige Geringschätzung verdienter Autoren", über „einen absprechenden jugendlich apodiktischen, um nicht zu sagen, terroristischen Ton", wodurch „das Publikum zur Mißachtung katho lischer Autoren herangebildet", „diesen selbst die Schaffenslust verleidet", und das Absatzgebiet eingeengt werde. Schließlich wird als die Aufgabe der katholischen Literaturorgane bezeichnet, „vor allem die Werke katholischer Autoren und diese gerecht und wohlwollend zu beurteilen". — Den richtigen Kommentar zu diesen Ausführungen findet man im „Gral", woselbst kein Zweifel gelassen ist, was jene Unterzeichner unter „gerecht und wohl wollend" verstehen und in welcher Weise sie die katholischen Kritiker alle samt durch den Druck einer künstlich geschaffenen öffentlichen Meinung zwingen möchten, ihren persönlichen Autoreninteressen dienstbar zu sein. 2) Gral I, 11, 515.