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Literarische Kämpfe 17 ihren ersten Motiven, wie in ihren letzten Zwecken als eine rein se el- sorgliche. Indem sie den Gewinn an ästhetischen Werten verglich mit dem möglichen Verlust an ethischen, religiösen und kirchlichen, mußte sie, die tatsächliche Richtigkeit ihrer Voraussetzungen zugegeben — ganz notwendig und mit gutem Recht zu der Schlußfolgerung kommen, daß eine in formaler Hinsicht zwar inferiore, inhaltlich, d. h. in bezug auf die darin herrschenden Grundsätze und Gesinnungen aber superiore Literatur einer solchen vorzuziehen sei, bei der das umgekehrte Verhältnis herrscht. Aber sie geht weiter, und begnügt sich im Notfälle sogar mit dem Vor zug einer Literatur, die, obgleich weder formal noch inhaltlich von größerem positivem Wert, wenigstens durch negative Unschädlichkeit aus gezeichnet ist. Nur so kann man beispielsweise verstehen, daß Karl Mays Reiseerzählungen neuerdings nicht nur wieder geduldet, sondern von Pädagogen sogar angepriesen und unter den wunderlichsten Ge sichtspunkten gewürdigt wurden.^) Ganz anders in ihren Anfängen die jüngere Bewegung. Sie ging nicht wie die ältere von Theologen und Pädagogen, sondern von Schriftstel lern aus. Das gab ihr sofort ein eigenes, mehr professionelles Gepräge. Indem diese Schriftsteller sich organisierten, protestierten sie zugleich gegen die überhandnehmende Berücksichtigung der allgemeinen Literatur, tadelten die nicht genügende Berücksichtigung der katholischen Autoren, verurteilten die allzustrengen Maßstäbe einer gegen diese letzteren gerichteten Kritik und führten Klage, daß in den Besprechungen akatholischer Werke durch die Anerkennung ästhetischer Werte eine Schätzung dieser Bücher hervor gerufen werde, die solchen katholischer Autoren notwendig Abbruch tun müsse. Aber erst nachdem sich ihre Polemik auch die seelsorgerlichen Argu mente der älteren Bewegung zu Nutzen gemacht hatte, gewann sie die Kraft und vor allem die ersehnte Breite der Wirksamkeit. Diese letztere Bewegung hat sich in durchaus geschlossener Form und mit klaren Zielen entwickelt. Ihre Hauptstationen heißen: V. Allge- 1) Vgl. Frz. Weigl, Karl Mahs pädagogische Bedeutung. München 1Z08. — Der „Gral" (II, 3, 135f.) hat sich sogar zum literarischen Ver teidiger von Karl May aufgeworfen und an anderer Stelle (II, 4, 176) stellt ihn R. von Kralik auf eine Stufe mit Sienkiewicz, indem er mit bezug auf die Prosaepen des polnischen Dichters erklärt: „Was den künstlerischen Wert betrifft, so halte ich die Reiseerzählungen Karl Mays nicht für geringer." Muth, Die Wiedergeburt der Dichtung. 2