Daß es in diesen Dingen heute besser geworden, daß der Sinn für die gestellten Aufgaben lebendiger ist und sich neues Leben aus den Reibungen vorhandener Gegensätze auszuwirken sucht, kann als der deut lichste Beweis angesehen werden für die innere Berechtigung der vor zehn Jahren geleisteten kritischen Arbeit. Indem man jedoch die Lage allzu einseitig als eine nur literarische nahm und infolgedessen begierig darauf ausging, das unleugbare Defizit durch eine in rascher Treibhauskultur erzeugte „modern-katholische" Literatur zu decken, mußten sich bald die Folgen dieser sich überstürzenden Begeisterung einstellen. Or. A. Lohr, damals noch Student, gründete die „Literarische Warte", welche es bei wenig glücklichen Anfängen unternahm, die fortschrittlichen Literaturgedanken perodisch weiterzuentwickeln. Das Ver dienst, gewisse Forderungen einer höheren literarischen Bildung wacker verteidigt und die entsprechenden kritischen Grundsätze leidlich konsequent Angewandt zu haben, kann ihr nicht bestritten werden. Dabei hat sie prinzipiell dem katholischen Standpunkt nie etwas vergeben; ja sie hat bei allem ehrlichen Streben, das Gute anzuerkennen, wo es sich fand, die nächstliegenden Interessen warm verteidigt. Wer heute unter diesem Gesichtspunkt die in den Jahren 1899—1906 erschienenen statt lichen Bände durchsieht, wird dieses Urteil ausgiebig bestätigt finden. Wenn die „Literarische Warte" trotzdem bei den Katholiken deutscher Zunge nicht Rückhalt und Widerhall fand und daher im September 1906 ihr Er scheinen einstellte, so haben dazu mehrere Ursachen ungleichmäßig zusam mengewirkt. Ihr Begründer und mehrjähriger Leiter hat sich unlängst darüber ausgesprochen. Er saßt seine Auffassung in dem Satze zu sammen: „Erst allmählich, aus tausend Erfahrungstatsachen heraus, kam mir die Erkenntnis, daß es Nicht Machinationen reaktionärer Kreise waren, die den Fortschritt der von der „Literarischen Warte" vertretenen Ideen aushielten, sondern daß die Gemütslage des heutigen Turchschnitts- katholiken für ein Heraustreten aus seiner bisherigen geistigen Sphäre und für ein Mitarbeiten an unserer modernen Knltur noch nicht reif war." In dieser Beobachtung ist viel Richtiges enthalten, doch den Untergang der „Warte", der übrigens keineswegs eine Unterbindung der fortschrittlichen Literaturbewegung bedeutete, erklärt sie nicht ganz. Es fallen noch andere Umstände ins Gewicht. Die „Warte" hatte das literarische Bedürfnis der Kreise, auf die sie angewiesen war, überschätzt und daher den großen Fehler begangen, die richtig empfundene geistige Not nur einseitig aus dem Punkt der Literatur heraus kurieren zu