Literarische Kämpfe 9 noch immer abträglich war, ich meine der Einmischung persönlicher Ansprüche und deren Befriedigung durch organisierte Bestrebungen von Gruppen. Aber auch die Einmischung von — wir wollen einmal sagen — Schriststellerinteressen hat es nicht vermocht, die Bewegung auf einen toten Punkt zu führen. Sie lebt und gibt fast jeden Tag neue Beweise dieses Lebens. Dennoch wäre es Selbsttäuschung, wenn wir von unserem fort schrittlichen Standpunkt aus verkennen wollten, daß die letzten Jahre auch Ansätze zu starken Rückläufen aufweisen. Noch ists nicht lange her, daß das Signal „Das Ganze halt" ein plötzliches Zurückstauen aller Kräfte und Zukunfthoffnungen bewirkte. Einflüsse extrem seel- sorgerlichen Charakters, die man mit Rücksicht auf den Kreis ihrer Geltendmachung in vernünftige Grenzen zurückgekehrt glaubte, fingen wieder an, sich durch die Politik der kleinen Mittel bemerkbar zu machen, und eine gewisse rationalistische Nüchternheit in der Kritik lauerte wieder mißtrauisch auf jede Regung individueller und gefühlsmäßiger Auf fassung des Religiösen, dem man sofort mit der Anklage auf Ver schwommenheit, wo nicht gar Pantheismus und dergleichen cntgegentrat. Diese und ähnliche Erscheinungen sind schließlich noch verständlich und in gewissen Grenzen zu billigen aus der Sorge um das, was höher steht als alle Literatur und Kunst, um sittliche Kraft und um Klarheit der religiösen Begriffe. Denn deren Bewahrung und Entwicklung läßt sich die allgemeine Literatur wenig angelegen sein, ja sie selbst sündigt dagegen in unzähligen Werken, die durch ihren Erfolg doppelt gefährlich sind. Bedenklich wird die Lage und Stimmung erst, wenn sie sich dem Aufsprießen neuer Kräfte entgegenstellt und wirklich Geschaffenes, sei es durch Gleichgültigkeit, sei es durch Verkennen der wahren Absichten, sei es endlich aus einem kurzsichtigen, und nur von Augenblickswirkungen abhängigem Parteiinteresse zerstört oder in seiner Wirkung lähmt. Diese Lage und Stimmung haben wir aber nicht bloß erlebt und durchgemacht, sondern wir befinden uns zum Teil noch mitten darin, und wenn wir heute in dem friedlichen Bezirk musischen Schassens statt ruhiger pflegender Gärtnerarbeit ein Treiben sehen wie auf dem Fechtboden des politischen Parteilebens, wenn uns Agitationsgeschrei, exaltiertes Aufpeitschen der religiösen und konfessionellen Instinkte, eifersüchtige Launen scheinbar benachteiligter Schriftsteller und ein drängendes Ab und Zu neuer Zeit schriften begegnet, von denen jede auf Spaltung der Kräfte und Bildung