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Auch darin liegt eine Verkennung echten Literaturlebens, daß man glaubt, ein solches könne durch Programme gefördert, ja sogar her vorgerufen werden. Wenn heute ein echter Dichter geboren wird, dann ist hundert gegen eins zu wetten, daß er sich um diese ganze doktrinäre Biedermeierei nicht im mindesten kümmern wird. Er wird weder fragen, welche Dichter, welche Philosophen, noch welche Theologen er lesen muß, um korrekt zu dichten; er wird weder Gral-Programme, noch Hochland- Programme, noch Wartburg-Programme beachten, er wird weder „fort schrittlich", noch „konservativ", weder „mittelalterlich" noch „modern", weder „realistisch" noch „idealistisch", ja er wird nicht einmal mit Be wußtsein „klassisch" oder „romantisch" dichten, er wird einfach aus seiner Persönlichkeit nach ungeschriebenem, innerem Gesetze Werke schaffen, zu denen ihn sein Erleben drängt, und kein Wort mehr und kein Wort weniger. Und wir werden nichts zu tun haben, als das Gebotene anzunehmen oder abzulehnen. Daß wir es vom Standpunkt unserer Weltanschauung aus aber nicht bloß annehmen, sondern auch froh begrüßen dürfen, dazu können wir bis zu einem gewissen Grade heute schon beitragen. Ich habe wiederholt von der Aussaat unseres Geistes in allem Wirken der Gegenwart gesprochen. Ich meine auch hier nichts anderes. Nur muß dieser Geist ein hoher, weiter, ein schöpferischer Geist sein, er muß, soweit der Dichter aus religiöser Lebensstimmung in Betracht kommt, der Geist Christi und der Evangelien und nicht bloß ein Geist äußerer kirchlicher Loyalität sein! Auch darauf werden wir bedacht sein müssen, den freien Dichtergeist nicht in die enge Schule begrifflicher Spekulationen hineinzuzwingen, ihn nicht durch pädagogisch-moralische Stachelzäune zu domestizieren, ihn nicht mit Zensur und Inquisition schon in seiner Entwicklung vom rechten Weg abzudrängen, wohl aber in ihm durch teilnehmendes Ver ständnis zu Pflegen, was da mit gutem Willen nach der Höhe drängt. Glauben wir vor allem nicht, daß ein Jünger des irritabile xenus vatum durch stumpfsinnigen Widerspruch, durch blöde Kritik, durch fingierte Massenaufgebote, durch flammende Proteste oder gar durch disziplinäre Maßnahmen in der Klärung seines Strebens schneller und sicherer ge fördert werde, als durch Liebe, Geduld und Verständnis, die man seinem Wollen unv Können entgegenbringt. Bewegung für die katholischen Volksbibliotheken, die gewiß sehr wertvoll ist, aber nicht einem wirklichen Interesse für die Literatur selber ohne weiteres gleichgesetzt werden kann.