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wenn nicht an Vielseitigkeit, so doch an Tiefe des Erlebens und an Krajt der Gestaltung diejenige Höhe erstiegen hat, die dem künstlerischen Schätzung gebracht hat. Wohl hatten wir sie von unseren Vätern er erbt; aber hatten wir sie auch erworben, um sie zu besitzen? Ich fürchte, wir werden noch mehr als einmal von den anderen das schätzen lernen müssen, was eine größere katholische Zeit, als die unsere ist, geschaffen hat. Wenn man Pöllmann hört, könnte man allerdings glauben, es sei sozu sagen ein unpersönlicher Katholizismus gewesen, der all diese großen Dinge früherer Zeiten hervorgebracht habe, und Anteil daran werde allein schon dadurch erworben, daß man katholisch sei. Als ob wir nicht alles, was wir Großes haben, den großen Persönlichkeiten verdankten! Diese waren aber nicht bloß deshalb groß, weil sie es mit der katho lischen Wahrheit hielten, sondern sie waren groß vor allem, weil sie diese Wahrheit auch groß erfaßten! Umgekehrt heißt katholisch sein noch lange nicht, auch schon ein großer Mensch sein! Aber eine Verpflicht tung dazu, das könnte wohl darin liegen! Das alles ist so selbstverständlich, daß man sich fast schämt, es auszusprechen. Aber einem gewissen Hurra- Katholizismus gegenüber — „wie herrlich weit wir's schon gebracht" — kann es nicht schaden, auch das Selbstverständliche wieder einmal klar und deutlich zu sagen. Ich frage übrigens ernstlich, was ist der tiefere Sinn in all dieser Polemik eines Ordensmannes? Denn, daß einem literarischen Mit streiter an der Hebung des katholischen Literaturschaffens vor einem Audi torium junger Kaufleute die von seinem öffentlichen Wirken veraus- gesetzte ausgiebige Kenntnis der deutschen Literatur abgesprochen — un bewiesen abgesprochen wird, daß zu diesem Zweck nicht bloß seine Arbeitsleistung verkleinert wird und seine Ziele verrückt werden, sondern ihm auch ohne Skrupel indirekt, aber nichtsdestoweniger deutlich, die Be hauptung zugeschoben wird, der Katholizismus (sie!) sei inferior, das läßt sich gewiß nicht allein aus dem Interesse für die Literatur er klären. Als s. Zt. die „Gottesminne" dem Gral weichen mußte, da fühlte sich ?. Pöllmann von einem scharfen Kampf nur durch die Er wägung zurückgehalten, daß er, wie er damals sagte, „Mitglied eines friedliebenden Ordens" sei. Andernfalls würde er Wahrheiten dorthin ausgesprochen haben, die einer „Entlarvung" nicht unähnlich gesehen hätten. Wo ist dieser Friedensgeist gewesen, als er seinen Vortrag hielt und zum Druck gab? — Zum Schluß die Frage: Wann hat p. Pöllmann zum letzten Male meine beiden hier in Betracht kommenden Literaturschriften zur Hand gehabt, um sich über meine wirklichen Ansichten und Absichten Gewiß heit zu verschaffen? Ich will zu seinen Gunsten annehmen, daß es sehr lange her ist. Jetzt aber bitte ich ihn, in der Veremundusschrift minde stens die Seiten 5—9 und in der Schrift „Die literarischen Aufgaben" die zwei ersten Kapitel zu lesen und dann als gewissenhafter Autor min destens den Lesern seines Vortrages zu sagen, daß er sich geirrt habe. Muth, Die.Wiedergeburt der Dichtung. 11