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160 Bon „schaffenden Antoren" Und so ist es denn tatsächlich nur das Gebiet der epischen Prosadichtung, auf dem das katholische Literaturschaffen heute, einem in der „Bücherwelt" (Mai 1909) abgedrnckten Vortrag über die Ent wicklung der modernen'Lyrik, den ?. Ansgar Pöllmann in einem kauf männischen Verein zu Linz a. Rh. gehalten hat. Gewiß ein gutes Zeichen literarischer Regsamkeit, wenn solche Vorträge bei jungen Kaufleuten Anklang finden! Nur sollten sie nicht gerade so gehalten werden, wie es von ?. Pöllmann geschieht. Ich sage das mit allem Nachdruck, weil die Redaktion der „Bücherwelt" es ihrerseits für gut findet, diesen Vortrag als ein „Beispiel" hinzustellen, „wie derartige Themata zur Förderung der literarischen Bildung in (sie!) Volksbildungsabenden aufgefaßt werden müssen." Im vorliegenden Fall kann das nur heißen: Ein Redner, der sich in herabsetzenden Ausfällen und in kurzweiligen Übertreibungen im Gralton ergeht, trägt zur Förderung der literarischen Bildung bei, und kann für Volksbildungsabende als vorbildlich gelten. Und doch wäre die ganze Aufgabe höchst friedfertig und einfach zu lösen gewesen! Um jungen Kausleuten zu zeigen, wie sich die neuzeitliche Lyrik entwickelt hat, worin ihre Vorzüge, worin ihre Mängel bestehen, und wie einige katholische Lyriker Dank dieser Entwicklung die längst verdienten Ehren gefunden haben, dazu wäre Polemik, Hereinziehen von Literaturgezünk und Hurrageschrei durchaus zu entbehren gewesen. Der Vortrag gipfelt in einem überraschenden Gedanken: „Hätten die jungen Herren von Berlin (gemeint ist die literarische Bewegung der 80er Jahre) die fünf Namen (gemeint sind Droste, Brentano, Eichendorff, Weber und Greif), die unter Katholiken einen stolzen Klang haben, gekannt, dann wäre all der Größen wahnrummel nicht nötig gewesen." Das sagt p. Pöllmann, der Literatur historiker und Kulturphilosoph! Und er gibt diese kulturphilosophische Weis heit in dem Augenblick zum besten, da er mir den Kulturphilosophen höher hängt! Wie kindlich, wie einfach hätte doch die Weltgeschichte nach dieser Kulturphilosophie ausfallen können! — „Muth", so heißt es an einer anderen Stelle, „hatte es leicht: er konnte auf Bolanden und Hahn- Hahn und den Allerweltsschwindler (oic!) May, in der Lyrik auf Kordula Peregrina (NB. die ich nirgends nenne!) Hinweisen ... Er hätte mit Dahn und Ebers bei den Protestanten dieselbe, ja eine weit schlimmere In feriorität feststellen können. Was aber Muth nicht sah, war die Tat sache, daß wir Katholiken zum Teil schon lang besaßen, was die anderen suchten!" — Geradezu naiv! Als ob eine lebende Generation ihre per sönlichen Minderleistungen dadurch entschuldigen könnte, daß sie auf Lei stungen der Vorfahren hinweist. Daß ich diese Vorfahren nicht gesehen hätte, das wird p. Pöllmann im Ernst doch nicht glauben! Gerade weil ich sie im Auge hatte, empfand ich schmerzlich das Versiegen dieser Dichter kraft, mehr noch die Genügsamkeit einer Kritik, der das Gefühl für den Abstand von einst und jetzt so gänzlich verloren schien. Gerade jene von Pöllmann so sehr verlästerte moderne Literaturbewegung aber war es, welche die genannten Lyriker auch bei uns erst wieder zu rechter