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Äon „schaffenden Autoren" das hauptsächlich daran, daß Hlatky nicht einer Nuancierung des Aus druckes bis zu dem Grade fähig ist, daß auch unsere feinsten Emp findungen, Stimmungen und Zwiespältigkeiten noch ihren symbolischen Widerhall fänden. Das macht, Hlatky hat den Stoff zwar aus mensch lichem Erleben gestaltet, aber als der Dichter an der Schwelle des Greisenalters es unternahm, den Inhalt dieses Erlebens auch in poetische Worte zu kristallisieren, da hatte er nicht mehr die sinnliche Frische der noch lebendigen oder die inspirierende Kraft der kaum überwundenen Leidenschaft. Alles, was auch einer solchen objektiven Schöpfung den Reiz höchster dichterischer Unmittelbarkeit zu geben vermag: das noch in den Worten nachzitternde Beben des Dichterherzens, die Zuckungen seines Gefühls, die Erschütterungen seines Gemütes, kurzweg jene ganz persönliche Durchseelung des Ausdrucks, das mußte dieser Dichtung ver sagt bleiben. Und so wird ihr auch niemals jener leidenschaftliche Anteil zufliegen, der so mancher Dichtung gewiß ist, die zwar inhaltlich tief unter jener steht, aber fie in der Fähigkeit übertrifft, dem bisher noch Unausge sprochenen in uns Wort und Stimme zu geben. Die lyrischen Begabungen unter den Katholiken sind wie auch ander wärts der Zahl nach allen anderen Begabungen überlegen. Aber selbst wenn wir unter die zeitgenössischen katholischen Lyriker Martin Greif rechnen wollens, so kann man doch nur eine rührende Anspruchslosigkeit darin sehen, wenn es im Gral (III, 74) heißt, „daß hier, auf lyrischem Ge biet, unsere katholischen Dichter auch die allerhöchsten und anspruchs vollsten Anforderungen überbieten." Die „allerhöchsten Anforderungen" sogar noch „überbieten", das ist reichlich genug — an Phrase! Aber wir wollen gar nicht erst anfangen, über solche Dinge zu streiten. Der lyrische Feingehalt eines Gedichtes läßt sich nicht in Karaten ausdrücken, und für die geistige Bedeutung einer Literatur ist Lyrik allein nicht aus schlaggebend. Gerade in bezug auf Wert oder Unwert von lyrischen Ge dichten muß man sagen: „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen!" Im übrigen ist bereits alles Notwendige über diesen Punkt am Schluß des Kapitels über christliche Dichtkunst gesagt worden?) 1) Nach der Methode, mit welcher in der „Gottesminne" s. Zt. gegen die Lyrik Mörikes christliche Bedenken geltend gemacht worden sind, kann man auch Greif anfechten. Es nimmt sich daher seltsam aus, wenn z. B- U. Pöllmann, der jene Kritik gegen Mörike ganz in der Ordnung gefunden hat, auf einmal Greifs Lyrik für die katholische Literatur in Anspruch nimmt, nur um gegen Jnferioritätsklagen wirksamer an kämpfen zu können. 1) Gerade während ich diese Zeilen schreibe, erhalte ich Kenntnis von