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sich der Papst-König zu dem Volke zu sprechen, und noch während er spricht — möglichst allgemein, Predigthaft, ohne jeden Akzent der Macht oder der Begeisterung — erscheint Arnold. Sogleich beginnt er zu höhnen; aber man fragt sich wiederum ernstlich, wieso der Mann nur dazu komme, sich so aufgeregt zu gebärden und so mächtig zu schimpsen. Erst als er am Schluß dieses Aktes sagt: Einst kniet ich büßend vor dir nieder, jetzt Hab ich genug getan, die Rollen wechseln — Mir folgt dies Rom, das auf ererbten Thron Den eigenen Herrscher stellt — Dein harrt die Pflicht Zu säubern das entweihte Heiligtum! da dämmert dem Leser, der nicht so entgegenkommend ist, die Lücken des Dramas mit seinem geschichtlichen Wissen zu füllen, die Erkenntnis des eigentlichen Gegensatzes: Hier geistliche — hier weltliche Macht! Wo ist der Gegensatz anschaulich zutage getreten! Wann hat eine von den streitenden Parteien auch nur einmal, so oder so, klar diese Formel ausgesprochen! Und doch beruht auf diesem Gegensatz das Verständnis des ganzen Dramas. Den Zuschauer diesen ganzen Gegensatz fühlen zu lassen, ihn durch irgendeine Szene sichtbar zu machen und von da her ein Licht zu werfen auf Arnolds Wollen, das konnte ein Dramatiker, der feine Gestalten von innen heraus schafft, unmöglich übersehen. — Aber kaum haben wir uns mit dieser Unterlassung abgefunden, so gibt uns eine größere ein neues Rätsel auf. Denn an unsere Gutgläubigkeit stellt Ler Dichter nicht minder unberechtigte Anforderungen als an unsere Freudigkeit im Erraten. Alles was im zweiten Akt geschehen, beschränkt sich auf einige Reden, einen kleinen Volksauflauf und die Drohung Arnolds. Und doch, wie hebt der nächste Akt an! Die Senatoren, die Bürger sind außer sich, sie reden von der Lockerung aller Bande, sie fallen von Arnold ab, dem sie noch kurz vorher zugejubelt haben, und fluchen dem Lügenbild der Freiheit, das er ihnen gezeigt, und warum? Wir wissen es nicht, und wir werden ohne Verständnis dem weiteren Gang der Dinge fol gen, falls uns das Unglück passieren sollte, die wenigen Worte eines Bürgers, die des Rätsels Lösung bilden, zu überhören oder nicht genügend zu be achten. Papst Hadrian IV., der inzwischen die Tiara aufgesetzt hat, ließ nämlich die Kirchen schließen. Welch eine Szene für einen Dramatiker! Hier droht sie uns in wenigen Worten zu entschlüpfen. Die Wirkung dieser Maßregel auf das Volk müssen wir gläubig hinnehmen — die Ge schichte hat uns ja hinlänglich belehrt, daß das römische Volk in solchen