Der Eintritt der Katholiken in die Literatur 3 danken es die deutschen Katholiken, wenn sie heute in der Lage sind, auch weitere Aufgaben mit frischem Mut und mit entlasteter Kraft in Angriff zu nehmen. Ich habe schon durch die so kurze Darlegung keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich nicht nur die Annäherung der Literatur an den Katholizismus, sondern auch den Eintritt der Katholiken in die Literatur für ein ebenso bedeutsames wie von unserem Standpunkt aus auch höchst erfreuliches Ereignis ansche. Und dies aus einem doppelten Grunde. Einmal weil ich der Überzeugung lebe, daß in einem groß und geistig erfaßten Christentum, als derjenigen Religion, welche mit höchster symbolschöpferischer Kraft ebenso das Sinnliche zu vergeistigen, wie umgekehrt das Geistige in Bild und Vorstellung zu kleiden vermag, alle Voraussetzungen gegeben sind für eine nicht nur das empirische Leben, sondern den ganzen Kreis menschlicher Vorstellungen, Hoffnungen, Wünsche und Träume umspannende Dichtung. Wenn ich Christentum sage, so sage ich Katholizismus. Und umgekehrt! Denn mag das Christentum auch in seinen ethischen Wirkungen heute weit über den Kreis seiner gläubigen Bekenner hinaus wirksam sein, so kennen wir doch kein Christentum als Religion mit symbolischem Kultus, Sakramenten und Gnadengaben außerhalb des Katholizismus und seines Einheitspunktes, der Kirche. Für diese bildschöpferische Kraft des Katholizismus haben auch alle großen Künstlernaturen noch immer Verständnis gezeigt. Ein anderes aber ist cs, Verständnis empfinden, ein anderes, in konfessionell verhaderten Zeiten dem Gestaltungstrieb Freiheit lassen. Um so merk würdiger berührt es uns, daß unsere Klassiker selbst aus dem religiös verblaßten Geist des achtzehnten Jahrhunderts heraus überall da den Anschluß an die christliche Vorstellungswelt gesucht und gefunden haben, wo die innere poetische Form, die auch zugleich immer höchste Wahrheit ist, wie mit Notwendigkeit darauf hindrängte. Wer diese Heranziehung der christlichen „Mythologie" nur von formal-ästhetischen Erwägungen aus erklären wollte, würde den hohen Ernst unserer Klassiker gewaltig verkennen und nur beweisen, daß er für die Einheitlichkeit ihrer Kunst anschauung, die ein Spielen mit inhaltlich leeren Formen unmöglich machte, kein Verständnis besäße. Wohl ist diese ahnende Besitzergreifung christlichen Vorstellens noch weit entfernt von ihrer Erfassung im Glauben; aber indem sie dem intuitiv schaffenden Künstlergeist entspringt, ist sie wie jede genialische Entscheidung mit dem Siegel der Wahrheit geprägt. 1*