Volltext Seite (XML)
Der Grenzbole ÄgeM M Azcher Der Grenzbote erscheint täglich mit Ausnahme des den Sonn- und Feiertagen sorgenden TageS und kostet vierteljährlich, voraus- bezahlbar, 1 Ml. Lu Psg. Bestellungen werden in der Geschäftsstelle, von den Austrägern des Blattes, sowie von allen Kaiser!. Postanstalten und Postboten angenommen. für Adorf und das obere Vogtland Inserate von hier und aus dein Verbreilungs- bczirk werden mit 10 Psg., von austvärtS mit 15 Psg. die 4mal gespaltene Grundzelle oder deren Raum berechnet und bis Mittags 12 Uhr für den nächstfolgenden Tag erbeten. Reclamen die Zeile 20 Psg. Verantwortlicher Redacteur, Drucker und Verleger: Htto Weyer in Adorf. Fernsprecher Nr 14. Hierzu Sonntags die illuftr. Gratisbeilage „Der Zeitspiegel". Fernsprecher Nr 14 1° 121 Mittwoch, den l. Juni 1904 Jahrs 6S. Da es Heuer nicht möglich gewesen ist, die Geineindeanlagenzettel den Steuerpflich- figen rechtzeitig zuzustellen, so wird hiermit der 1. Erhebnngstermin auf den 1. Juni d. I. festgesetzt, wegen der übrigen 2 Termine bleibt es bei der zeitherigen Einrichtung, d. h. bei dem 1. Juli und 15. Oktober. Diejenigen Anlagenpflichtigen, welche gegen ihre Einschätzung zu reklamieren geden ken, haben dies bei Verlust des Reklamationsrechtes binnen 14 Tagen von der Behän digung des Anlagenzettels oder, falls ihnen dieser Zettel nicht hat behändigt werden können, vom Tage des Erscheinens des diese Bekanntmachung enthaltenden Blattes zu tun, indem sie hiermit aufgefordert werden, sich wegen Mitteilung des Schätzungsergeb nisses bei hiesiger Stadtsteuereinnahme zu melden. Wir bemerken dabei ausdrücklich, daß eine Reklamation gegen die Einschätzung zur Einkommensteuer nicht auch als Reklamation gegen die Stadtanlagen auzusehen, letztere deshalb neben jener gegebenen Falls anzubringen und unter Bezeichnung der Beweis mittel tatsächlich zu begründen ist, wenn sie nicht ohne Weiteres als unbeachtlich behan delt werden soll. Adorf, den 28. Mai 1904. Dev ^kümnitz. Auf Grund von H 35 des Sächs. Baugefetzes vom 1. Juli 1900 wird über die Flurstücke Nr. 3433, 3084 bis mit 3093 und 3065, 3066, 3069, 3070 uud 3083 des Flurbuchs für Adorf Abt. 8 die Bausperre mit der Wirkung verhängt, daß Neu oder Veränderungsbauteu nicht oder doch nur insoweit genehmigt werden sollen, als sie nicht die Durchführung der neuen Planung zu erschweren geeignet sind. Adorf, den 28. Mai 49o4. Dvv ÄtNötVltt- Politische Rundschau. — Ter harte Kampf, den wir in Südwest- Afrika gegen die Herero zu. führen haben, wird natürlich in den anderen deutschen Schutzgebie te» aufs eingehendste verfolgt. Tie in Berlin befindlichen Afrikaner, darunter solche, die sich feit länger als einen, Jahrzehnt in Ostasrika ausgefallen haben, ebenso Offiziere, die seit Jahren dort tätig waren, erklären einstimmig, daß wir vor einer ähnlichen Erhebung gewisser Bezirke in Ostafrika auch nicht sicher wären. Man sollte ja recht auf der Hut sein und sollte sich davor hüten, nachdem einmal eine Expe dition zur Bestrafung von Eingeborenes! zum Ziele gekommen ist, ohne Einschränkung zu er klären, daß das betreffende Schutzgebiet nun mehr vollkommen beruhigt sei. Solche War nungen müssen jedenfalls sehr ernst genommen werden, nachdem bestimmte Zeugnisse dafür vor- licgen, daß es in allen afrikanischen Kolonien gärt. Hierbei soll nur daran erinnert werden, daß im britischen Südafrika der sogenannte Aethiopismus die Eingeborenen neu ausregt. Ausstände, nur noch von größerer Ausdehnung, wie der der Herero, haben die älteren Kolonial- staatcn durchzumachen gehabt. Bei uns ist dies der erste bedeutende Fall, denn die Nieder schlagung des Buschiri-Aufstandes in Ostafrika steht weit dahinter zurück. Ans diesem Grunde wird bei uns die Sache in einer Weise beur teilt und bekrittelt, die nicht zur Klarheit führt. Für die ganze Katastrophe wird ein Sünden- bock gesucht, und einzelnen Personen soll die Schuld zugeschoben werden, während die ei gentliche Veranlassung in ganz allgemeinen Ver hältnissen liegt. — Der bekannte Prozeß des Grafen von Hoeusbroech (Groß-Lichterfelde) wider den Reichstags- und Landtagsabgeordneten Kaplan Dasbach (Trier) gelangt heute Dienstag vor der Zivilkammer des Landgerichts in Trier zur Verhandlung. Am 31. März 1903 hielt der Abg. Dasbach in einer Kacholikenversammlung zu Rixdörf bei Berlin einen Vortrag, in dem er etwa folgendes sagte: „Tie Beschließung des Jesuitengesetzes ist ein unerhörtes Verfahren ge wesen und siclM kein Ruhmesblatt in der deut schen Geschichte. So wie in diesen! Falle die Jesuiten summarisch und ohne Beweisführung abgetan wurden, so macht man es überall; man erhebt schwere Anschuldigungen, ohne den Be weis zu erbringen. Man sagt und schreibt heute noch: „Tie Jesuiten lehrten den Grundsatz: „Ter Zweck heiligt die Mittel", obwohl der Je- suitenpater Roh schon vor länger denn 50 Jah ren demjenigen 1000 Gulden versprochen hatte, der eine solche Stelle aus Jesuitenschriften nach- zuweisen vermag. Ich habe diese Summe auf 2000 Gulden erhöht und tue dies auch heute wieder, sicher aber auch wieder vergeblich. Tas Märchen wird weiter die Runde machen, weil es sehr geeignet ist, das evangelisch? Volk vor den Jesuiten graulich zu machen. Man sollte so etwas in dem intelligenten Deutschland kaum für möglich halten." Darauf schrieb Graftzoens- broech an Dasbach: „In einer KachoiiieuVer sammlung zu Rixdorf haben Sie öffentlich er klärt: Sie zahlen demjenigen 2000 Gulden, der den Nachweis erbringe, daß der Grund- fatz „der Zweck heiligt das Mittel", sich in je suitischen Schriften finde. Ich nehme Sie nun bei Ihrem in öffentlicher Versammlung gege benen Worte, indem ich mich anheischig mache, diesen Nachweis zu erbringen." Dasbach lehnte den Vorschlag des Grafen Hoeusbroech betreffs eines Schiedsgerichts ab, worauf sich zunächst der Streit eine Weile in der Presse forisetzte. Jin Juli 1903 erschien im Verlage von C. A. Schwetschke und Sohn in Berlin eine vom Gra fen Hoensbrvech herausgegebene Broschüre un ter dem Titel: „Der Zweck heiligt die Mittel." In dieser führte Gras Hoensbrvech Aussprüche der Jesuiten Becanus, Basqnez, Thomas Sauchez, Eskobar, Lessius, Valentin, Tambu rini, Lahmann, Castropalao, Palmieri, Lehm kuhl und Gury an, wonach der bekannte Grund satz sich in jesuitischen Schriften vorfinde. — Dasbach erklärte schließlich, daß es ihm nur gelungen sei, die katholischen Professoren Mans bach (Münster) und Heiner (Freiburg) als Schiedsrichter zu gewinnen. Diese lehnte Graf Hoensbrvech aus Besorgnis der Befangenheit ab und strengte gegen Dasbach bei dem Land gericht zu Trier wegen des ausgesetzten Preises von 2000 Gulden die Beleidigungsklage an. — Ein Prozeß, der in den weitesten Kreisen das größte Aufsehen erregen dürste, gelangte am Montag vor der Strafkammer des Großherzog lichen Landgerichts in Mainz zur Verhandlung. In Nr. 258 der sozialdemokratischen „Mainzer Volkszeitung" vom 5. November 1903 erschien unter dein Titel „Ein Soldat über den Krieg" ein Auszug aus den „Kricgsbriesen" des Gene rals von Kretschmann. Bekanntlich wurden diese „Kriegsbriefe" von Frau Lily Braun im Druck herausgegeben. Frau Braun, Gattin des bisl-e- rigen sozialdemokratischen Reichstagsabgeord neten, Schriftstellers Dr. Heinrich Braun, ist die Tochter des verstorbenen Generals v. Kretsch mann. In dem von der „Mainzer Volksztg." veröffentlichten Auszug aus den erwähnten Kriegsbriefen wurden die Greuel des Krieges von 1870—71 geschildert und mitgeteilt, daß die deutschen Truppen und auch vielfach Offi ziere iu Frankreich Roheiten, Ausschreitungen, Angriffe auf fremdes Eigentum, Nnsitklichkeiten usw. begangen hätten. Tie hessischen Truppen werden speziell beschuldigt, die Stadt Sens ge plündert zu haben. Außerdem werden hessische Offiziere beschuldigt, Diebstahl, Raub und Mord iu Frankreich begangen zu haben. General von Kretschmann war zur Zeit des deutsch-französi schen ^Krieges Major im Generalstabe des dritten Armeekorps. Er soll die Briefe iu vertraulicher Weise an feine Gattin gerichtet haben. Der -nr .Anklage gehende Amilet erregte naturge mäß, insbesondere in Hessen, ungemeines Auf sehen. Es wurde sogleich von der MililübbeHörde festgestellt, daß Mitte Okovember 18<0 die 2. Kompagnie des vormaligen hessischen Jäger-Ba taillons in Sens gewesen ist. Der Brief des Generals von Kretschmann, in dem der ge nannte Truppenteil und seine Offiziere in der milgeteilten Weise beschuldigt werden, datiert vom 15. November 1870. Die Milirärbehörde stellte aus Anlaß des Artikels sofort eine ein gehende Untersuchung an. Diese soll ergeben haben, daß die in den Kriegsbriefen enthaltenen Behauptungen vollständig unwahr seien. Eine Anzahl Feldzugsteilnehmer erhoben auch gegen die Beschuldigungen sogleich Protest. Daraufhin veröffentlichte die „Mainzer Volksztg." einen zweiten Artikel. In diesem machte sie eine An zahl Feldzugsteiluehmer namhaft, die gewillt seien, die in den v. Kretschmannschen Braesen enthaltenen Beschuldigungen eidlich zu erhärten. Tie Militärbehörde stellt wegen Beleidigung des erwähnten in Sens in Garnison gelegenen hessischen Truppenteils und seiner Offiziere Strafantrag. Deshalb Haden sich die Redak teure Friedrich Töller und August Bernhard Adelung zu veraniworteu. Bou Seiten der Staatsanwaltschaft sind mehrere hohe Offiziere a. D., die den Feldzug gegen Frankreich mit- gemachr, als Zeugen geladen. Bon Seiten der Angeklagten ist zum Zwecke des Wahrheitsbe weises ebenfalls eine große Anzahl Feldzugsteil nehmer als Zeugen geladen worden. Die Ver handlung wurde wegen Erkrankung des Haupt zeugen vorläufig vertagt. Petersburg, 30. Mai. Die russische Re gierung hat in Oesterreich 5 Kreuzer bestellt. Den Auftrag erhielt eine Tcliester Schifssbau- gesellschaft, deren Vertreter zur Entgegennahme der Bestellung in Petersburg weilt. — Die russische Zensur auf dem Kriegs^ schauplape. Die Mutter eines jüdischen Arztes, der von Warschau nach dem Kriegsschauplätze geschickt wurde, erhielt von ihre in Sohne einen Brief, der ein bezeichnendes Licht auf die Tä tigkeit der russischen Zensur wirst. Der Brief ist in dem üblichen russischen Stil geschrieben und trägt den Stempel des Zensors. Der Schrei ber meldet, daß er gesund fei, daß unter den Truppen bewundernswerte Ordnung herrsche, daß die Soldaten des-Sieges gewiß und reich