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14 IU. l7 „ > Leilage M Großenhainer Unterhaltung«- m- Aiyeigcblatt. Nr. 124 Sonnabe«-, den 21. Oktober 1882. 70. Jahrgang. In der Brandung des Lebens. Original-Roman von E. Heinrichs. (34. Fortsetzung.) XVlt. Im dritten Himmel. Der Zug brauste durch die stille Nacht und bielt endlich an der letzten Station vor der Residenz Die Morgensonne beleuchtete bereits die übernächtigen Gesichter der Passagiere, welche neugierig eurem stattlichen Paare nachblickten, daS einem Coupü erster Llasse entstiegen war und jetzt Arm in Arm den Perron entlang schritt; ein Paar vornehme Gestalten, aristo kratisch in jeder Bewegung. „So lieb es von Ihnen ist, Angelika, den Kranken durch Ihren Anblick zu entzücken und in den dritten Himmel zu versetzen", sagte der Oberst leise, „ebenso lieb wäre eS mir gewesen, wenn Sie diese Station von der Residenz aus be sucht hätten." „Ich kann's Ihnen nicht ersparen, Onkel Max!" lächelte die Comtesse schalkhast, „mein Herz ist mein Tyrann geworden." „Der arme Junge wird einen Rückfall bekommen, Kind — das Glück ist ost gefährlicher als Leid." „Ich mache ibn gesund — Onkelchen! — Die Liebe ist der beste Arzt." Sie erreichten den bescheidenen Gasthof, und wurden von dem untcrthänigen Wirth mit unzähligen Bücklingen in das beste Gastzimmer geführt, wo der Oberst einen guten Kaffee bestellte und dann nach dem Patienten fragte. „Der junge Herr bat vortrefflich geschlafen, wie mir die Wärterin sagte, Ew. Gnaden zu dienen." „So will ich zu ihm gehen", nickte der Oberst, „einen Augenblick, liebe Angelika!" Er folgte dem Wirth, welcher an Werncck's Thür klopfte, und leise mit der herausblickenden Wärterin sprach. „Der junge Herr wacht schon seit einer Stunde und ist auch bereits aufgestanden, Ew. Gnaden zu dienen." Der Oberst betrat das Zimmer und schickte die Wärterin fort. Werncck saß am offenen Fenster, er sah wohl und heiter aus, nur die Binde um den Kopf erinnerte an einen Kranken. Er streckte dem Oberst beide Hände entgegen. „O, was bringen Sie mir, mein theurer Freund?" ries er, zitternd vor Aufregung, „Sie kehren so schnell zurück." „Ich liebe das rasche Handeln, wenn mein Entschluß ein mal gefaßt ist. Vor Allem Ruhe, junger Mann! — damit Sie gesund werden. Ihre Sache steht so gut als möglich, ich habe die Comtesse gesprochen, das blaue Wunder ist wirk lich vorhanden, Melanies Enkel wird von einer Laudenberg geliebt." Werneck schloß die Augen, als blende ihn die Sonne. „War die Dosis zu stark für den kranken Kopf?" fragte der Oberst besorgt. „Nein, o nein", rief der junge Mann mit verklärtem Antlitz, „ich bin so glücklich — ach, so glücklich!" „Stark genug sür eine zweite Dosis?" „Sie würde mich vollends gesund machen, Herr Oberst!" „Hm, wenn Sie Ihre Kraft nur nicht überschätzen, Doctor?" meinte der Oberst nachdenklich. Werneck blickte ihn starr an, Röthe und Blässe wechselten auf seinem schönen Gesicht. „O, foltern Sie mich nicht länger", bat er leise, „sie ist hier —' Der Oberst stand auf und verließ das Zimmer. Dem jungen Manne klopfte das Herz zum Zerspringen — dann schien es plötzlich still zu stehen, als ein leichter Schritt, das Rauschen von Frauenkleidcrn hörbar wurde. Auf der Schwelle stand eine hohe, lichtumfloffene Gestalt, welche lächelnd auf ihn blickte. Werncck schloß die Augen, ihm schwanden die Sinne, ein süßer, berauschender Duft um gab ihn und dann — War es ein Traum, daß ein weicher Arm ihn umfing? Er öffnete zaghaft die Augen und stieß einen Schrei des höch sten Entzückens aus. — Wie es gekommen, daß er die Stolze, Unnahbare an sich preßte, ihren Mund mit Küssen bedeckte — er wußte es nicht zu sagen. Im Taumel Les Glücks hatte er keinen Begriff mehr von Raum und von Zeit. Endlich klopfte der Oberst und trat lächelnd ins Zimmer. „Darf ich im Bunde der Dritte sein?" fragte er, sich einen Stuhl heranzichcnd. „Ich möchte Euch nun ein wenig wieder auf die Erde herablocken, Kinder, um bis zum näch sten Zuge einige wichtige Dinge mit Euch zu erörtern. — Sie scheinen übrigens wenig Neugierde zu besitzen, Doctor! sonst müßte Ihnen die Gegenwart der Comtesse doch mindestens ausfällig erscheinen." „Ach, Herr Oberst! ich nehme Alles für ein Wunder an und fürchte, durch eine Frage dasselbe zu zerstören." „Dann halten Sie mich also für den Wundermann, der Ihnen die Braut hergezaubert hat", lächelte der Oberst. „Muß ich Sie nicht dafür halten?" versetzte Werneck träumerisch, „ja, ich halte Sie für meinen treuen und mäch tigen Freund, obwohl die Motive dieser Freundschaft mir ein Näthsel sind." Der Oberst warf Angelika einen bedeutungsvollen Blick zu. „Das Näthsel wird noch gelöst werden", sprach er, „nur Geduld, mein Freund! — Ich habe Sie lieb gewonnen, was Sie nicht wundern darf, da unserer Comtesse hier dasselbe passirt ist. Allein in der Welt stehend, habe ich mich ent schlossen, Sie zu adoptiren, Doctor! — vorausgesetzt, daß Ihnen der Vater genehm wäre und Ihre Großmutter keinen Protest dagegen erhöbe." „O, mein Gott — Herr Oberst! — Sie mein Nater, wodurch habe ich all' die Seligkeit und das Glück, welches urplötzlich wie das Sonnenlicht auf mich einströmt. verdient?" „Weil Sie uns Beiden cs nun einmal angethan haben, nicht wahr, Comtesse?" lachte der Oberst. „Freilich, Du mußt Dein Herz mit Vielen theilen, böser Mensch!" lächelte Angelika. „Mein Herz kann nur Eine ganz und ungethcilt besitzen", rief Werncck, sie schwärmerisch anblickend. „Da haben wir's", brummte der Oberst, „nun, das ist ja auch in der Ordnung. Was nun meinen künftigen Adop tivsohn anbetrifft — so muß derselbe natürlich meinen Namen „von Wolfsberg" fortan tragen." Die Comtesse erröthete lebhaft vor freudiger Ueberraschung, während Werneck betroffen vor sich hinblickte. „Die Großmutter, d. h. Melanie von Landenbcrg, wird mit Freuden einwilligen, den Namen Werneck zu den Tobten zu werfen, da derselbe ihr zum Fluche geworden", fuhr der Oberst mit Nachdruck fort. Der Doctor erfaßte seine Hand und sah ihn forschend und in tiefer Erregung an. „An jenem ersten Tage unserer Bekanntschaft", sagte er, schwer athmend, „als sie von meiner Großmutter sprachen und ein seltsames Interesse für sie und mich bekundeten, da hielt ich Sie einen Augenblick für einen Mann, welcher unserer Familie einst sehr nahe gestanden, ich hielt Sie —" Er stockte und blickte ihn wieder forschend an. „Wofür hielten Sie mich, Doctor?" „Für den Bruder meiner Großmutter, jenen unglücklichen Knaben, welcher im zarten Alter das Joch gebrochen und in die weite Welt gelaufen war." „Für Max Landenberg?" Werncck nickte, während der Oberst still vor sich hinblickte. „Sie sind es", ries Jener fast außer sich, „o, großer Gott — das wäre zu viel des Glücks." Angelika legte ihren Arm um den Erregten und sagte leise: „Onkel Max ist unser Genius gewesen, die Zeit der Sühne naht für Melanie!" Werneck's Thränen flossen jetzt im Uebermaß des Gefühls, er legte sein Haupt an des greisen Onkels Brust und flüsterte: „Gott schenke der Großmutter das Glück dieser Stunde." Der Oberst zuckte zusammen. „Ja, mein Sohn, das bete auch ich, und bitte Dich nur, recht ruhig zu sein und uns zu entlassen, da das Glück jener Armen mich unverzüglich nach der Residenz ruft. Wann kommt der nächste Zug?" „Erst um 10 Uhr." „Dann muß ich einen Wagen nehmen, die Strecke ist kurz — jede Minute Verzug kann Gefahr bringen." „Um Gotteswillen, was droht meiner tbeuern Großmutter?" fragte der Doctor zitternd. „Lassen Sie mich hier nicht allein zurück, die Angst und Sehnsucht würde mich tödten." „Ich darf diese Verantwortlichkeit nicht aus mich nehmen, mein Sohn!" bemerkte der Oberst kopfschüttelnd. Die beiden Liebenden blickten sich an. „Wenn wir den Arzt darum befragen", meinte Angelika, „Alexander wird am Ende auch selbst seinen Zustand bcurtheilen können." „Gewiß", nickte der Doctor, „ich fühle mich wie neugeboren, — Lie kurze Reise kann mir nicht schaLen, im Gegentheil, wirL sic Lie Heilung beschleunigen. Ah", setzte er aufhorchenL hinzu, „La scheint mein Herr College zu kommen, jetzt können wir ihn gleich fragen." Der alte Arzt trat ins Zimmer, begrüßte überrascht Lie vornehme Gesellschaft unL freute sich über Las gute Aussehen seines Patienten, Lem er nach langem Hin- unL Herfragen doch schließlich die Erlaubniß zur Reise ertheilte. Nach einer halben Stunde schon verließ die kleine Gesell schaft in einem bequemen Wagen Lie Station, vom heitersten Wetter unL Ler glücklichsten Stimmung begleitet. Werneck befand sich äußerst wohl und die kleine Zofe Rosi trällerte ein lustiges Liedchen, als sie die Residenz erreicht und sich im Hotel „Zum Kronprinzen" behaglich installirt hatten. Der Hotelwirth überreichte dem Oberst zwei Depeschen, welche mittlerweile für ihn eingclanfen waren. Nicht ohne Besorgniß überflog er dieselben. Das eine Telegramm war von Lem brasilianischen Consul und lautete: Fräulein HeLwig in Gefahr — verlangt nach Ihnen unL Ler Großmutter. DaS zweite enthielt Lie Worte: Die Großmutter krank — Gefahr zur rechten Stunde abgewandt. Können Sie mit Uv. Werneck kommen? Obernitz. Der Oberst befand sich in einer höchst kritischen Lage. Dort rief die Jugend — hier das Alter nach ihm. „Die Schwester hat das Vorrecht", sprach er entschlossen, „ich muß ihr den Bruder und den Enkel bringen. Und Hedwig?" Er dachte eine Zeitlang nach und nickte dann befriedigt vor sich hin, worauf er sich sogleich bei der Comtesse melden ließ. „Sie sehen mich in höchster Verlegenheit, theure Comtesse!" begann er, ihre ihm entgegengestreckte Hand ergreifend und an die Lippen führend. „Was ist geschehen, lieber Oberst?" rief Angelika halb erschreckt, „setzen wir uns, ich fürchte ein neues Gewitter vom Onkel Kurt, wie?" „Nein, von ihm nichts", versetzte der Oberst, sich in einen Sessel sinken lassend, „lesen Sie, bitte, dicse beiden Telegramme." Angelika nahm dieselben und überflog sie rasch. „Davon darf unser Alex nichts erfahren", bestimmte sie rasch und ängstlich. „Aber — Sie können sich doch nicht theilen?" „Ncin, Comtesse, das kann ich leider nicht", lächelte der Oberst melancholisch, „hören Sie meinen Vorschlag und dann entscheiden Sie darüber. Meine Schwester, die Frau, welche sich auch für mich einst geopfert, wiederzusehen, trieb cs mich endlich als alter Mann zurück in die Heimatb. Das Schick sal führte mich mit meinem Enkel und zugleich mit Ihnen, Comtesse, auf seltsame Weise zusammen. Ich gerieth in ein Wirrsal Ler eigenen Familie hinein und mußte meine ganze Aufmerksamkeit der leichtsinnigen Jugend widmen; worüber Lie Schwester zurückgesetzt wurde. Eine von mir entdeckte Gefahr drohte ihr, ich sandte außer einem jungen Freunde Les Doctors auch den Grafen Obernitz in ihre Nähe, darauf bezieht sich diese Nachricht. Die Schwester, meine arme ge- mißhandelte Melanie, liegt krank darnieder, vielleicht reißt der Tod die Greisin hinab, bevor ich sie gesehen, ein letztes Wort hienieden von ihr vernommen —" „Sie müssen zur Schwester eilen, Oberst!" fiel die Com tesse hastig ein. „Sie wird Len geliebten Enkel in ihrer Sterbestunde ver missen", fuhr Ler Oberst rasch fort, „dürfen wir ihm die Ge fahr der Großmutter verhehlen, Comtesse?" Sie erblaßte. „Er wird diese Reise nicht ertragen können", wandte sie zögernd ein. „Aber mittheilen müssen wir es ihm", beharrte der Oberst fest, „vielleicht dürfte ich auch Ihnen ein Opfer zumuthen, Angelika!" setzte er mit einem forschenden Blick hinzu, „wenn Sie sich Ler armen Hedwig mittlerweile annehmen möchten —" „Ich reise zu ihr", erklärte die Comtesse entschieden, „Sie haben Recht, wie immer, bester Oberst!" Ohne Zögern begab sie sich mit ihm zu Werncck, welcher, nachdem cr die Telegramme gelesen, auf unverzügliche Abreise drang, und zur Ueberraschung des Oberst eine Energie ent wickelte, welche er in dem jungen Manne nicht gesucht. „Ich danke Dir aus der Tiefe meines Herzens, Geliebte!" Das war Alles, was cr zu Angelika sagte, als er ihren Entschluß, zu Hedwig zu gehen, vernommen. Sie sah ihn an, sah sein Auge so ernst, aber auch so strahlend, wie sie es noch nie gesehen, auf sich gerichtet, und fühlte sich glücklich. „Kaum angekommen und schon wieder reisen?" klagte Rosi, als die Comtesse ihr den Befehl ertheilte. „Willst Du hier bleiben, Kind, dann sorge für eine andere Bedienung", sagte Lie Comtessc kalt. „Gott soll mich bewahren, gnädigste Comtesse! ich folge Ihnen, wenn's sein muß, bis an's Ende der Erde." Damit packte sie eifrig Lie Koffer. Nach zwei Stunden reiste sie mit ihrer Gebieterin ab. Der Oberst und der Doctor gaben ihnen Las Geleite, unv fuhren Lann nach einer halben Stunde schon Ler heimathlichen GegenL zu, nachdem der Oberst ein Telegramm an den Grafen Obernitz vorausgesandt hatte. (Fortsetzung folgt.) 10,500 Mark sind gegen sichere Hypothek zu 4Hz Procent Zinsen den 1. December im Ganzen oder getheilt auszuleihen. Wo? sagt die Exped. d. Bl. kür LLvkvr! Eine LLelivrvL mit vollständigem Inventar in ausgezeichneter Geschäftslage Großenhains ist wegen vor gerückten Alters des Besitzers nach Uebereinkommen sofort preiswürdig zu verpachten. Näheres ertheilen G. L. Daube L Co. Großenhain, Frauenmarkt 282. Heute von Vorm. 9 Uhr an im Saale -er kair. kierkslle, Ncamarkt. LtnrL Auktionator. Heute von früh 9 Uhr an Luvtiou Siegelgaffe 220. verpfl. Auetionator und Taxator. Melde- und Wagen-Ailtlion in Niederspaar Nr. 14. Sonnabend, den 28. Oktober s. e., früh 10 Uhr sollen wegzugshalber im früher Geißler'schen Grundstück zu Niederspaar 4 gute Pferde, darunter 1 ff. Schimmel und 1 halbengl. Stute, 7 Kutschwagen, als: I ff. Americain von Naturholz, 2 Halbchaisen, Korb- und versch. andere Wagen, Reit-und Fahrutensilien, als: Sattel, Reitzäume, 1 ff. silberplattirtes Kutschgeschirr (einspännig) und noch viel andere Gegenstände gegen sofortige Baarzahlung ver steigert werden. Die Pferde kommen punkt 12 Uhr zur Auktion. Herrmann Claus, Auktionator. Schaf-Amtion. Sonnabend, den 21. Oktober 1882, Nachmittags 2 Uhr werden im Gasthofe zu Weißig a. R. SO weidefette Schafe verauctionirt. Hennig L Gärtner. kettvied-Liictioii. Nächste Mittwoch, den 25. Oktober (nicht Montag den 23. Oktober), Nachmittags 1 Uhr sollen auf dem Rittergut Zschaiten eine Partie weidefette meistbietend versteigert werden.