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Nr. ?I. geordneter Zustände bietet. Was Derwisch bis jetzt erreicht hat, ist gleich Null zu erachten. Arabi ist Dictator und der Khedive Tewfik eine Strohpuppe. Wäre Derwisch des Heeres sicher, so hätte er wahrscheinlich längst den Ober befehl über dasselbe übernommen und über die Stadt Alexandrien den Belagerungszustand verhängt. Denn er ist dafür bekannt, daß er, ein Mann der That, mit den Widerspenstigen nicht viel Federlesens zu machen gewohnt ist. Arabi ist nicht im Entferntesten gesonnen, sich der Oberherrlichkeit seines Souveräns zu beugen. Sein Trotz gegen die Maßnahmen des Khedive zeigt sich vielmehr in der unverhülltesten Weise bei jeder Gelegenheit, häufig sogar vor versammeltem Volke. So erklärte er vor einer großen Versammlung, der Khedive beabsichtige die Entlassung aller höheren Beamten; er, Arabi, würde jedoch hierauf mit der Proclamirung des heiligen Krieges antworten. Als einige Europäer bezweifelten, daß Arabi Ernst machen wolle, schrieb derselbe diese Worte nieder. Es ist begreiflich, daß unter solchen Umständen selbst ein Derwisch, der doch mit den Rebellen in Albanien fertig zu werden wußte, den Muth verliert und das letzte Heil in einer imponirenden Machtentfaltung vermittelst militärischer Streitkräfte erblickt. DaS Consularcorps scheint ebenfalls alle Hoffnung auf Besserung der Lage aufgegeben zu haben, denn es über siedelt nach Alexandrien, um so rasch als möglich sich auf die Schiffe flüchten zu können, woraus außerdem zu schließen ist, daß auch in Kairo die Stimmung gegen die Europäer sehr gereizt sein muß. Ebenso haben auch die beiden Finanz- controleure Englands und Frankreichs ihre Functionen ein gestellt und sich nach Alexandrien begeben. Fast scheint es, als sei die mohamedanische Welt zu einem Kampfe auf Leben und Tod entschlossen, um sich gegenüber dem euro päischen Einflüsse eine unabhängige Stellung zu erringen. Die egyptische Frage in ihrer gegenwärtigen Gestalt ist nur der Ausfluß einer weitverbreiteten Bewegung, welche, wenn man noch den südlichsten Winkel Europas mit in Rechnung bringt, so zu sagen drei Erdtheile umfaßt. Dieses große Moment darf man nicht aus dem Auge lassen. Die euro päischen Mächte, namentlich Frankreich und England, ver langen den Zusammentritt einer Conferenzin Konstantinopel, aber noch weigert sich die Pforte, ihren Beitritt zu erklären. So steht die Sache augenblicklich, was weiter geschehen wird, entzieht sich aller Berechnung. Der Rücktritt Jgnatiew's war das dritte große Ereigniß der vergangenen Woche. Was den Czaren be wogen haben mag, diesen „Vater der Lüge" seines Amtes zu entheben, ist noch nicht völlig klar. Die Gründe scheinen auf dem Gebiete der inneren Politik zu liegen, wie schon daraus hervorgeht, daß sofort nach seinem Sturze die Commission aufgelöst wurde, welche Jgnatiew wegen Neu organisation der ländlichen Verhältnisse ins Leben gerufen hatte. Seinem Nachfolger, Grafen Tolstoi, kommt die öffentliche Stimmung sehr wenig entgegen, und zwar mit vollem Recht, denn man fürchtet seine Strenge und seine der freiheitlichen Bewegung abgeneigten Anschauungen. Er ist ein entschiedener Nationalrusse und den fremden Elementen wenig wohlwollend; dazu gehört er in kirchlichen Dingen der streng orthodoxen Richtung an, welche, wenn sie die Macht dazu hätte, jedes andere, als das griechisch-katholische Glaubensbekenntniß in Rußland mit Stumpf und Stiel ausrotten möchte. Seine erste Regierungshandlung bestand darin, das Gendarmeriecorps von dem Ministerium des Innern auszusondern und als besondere Polizeiabtheilung unter die Leitung des Generaladjutanten Tscherewin zu stellen. Es ist nicht schwer, diese Meldung aus der russischen Amtssprache in ein verständliches Deutsch zu übersetzen. Das Gensdarmeriecorps soll wieder jene unabhängige und mächtige Stellung erlangen, die es zur Zeit besessen hat, als die berüchtigte dritte Abtheilung der geheimen kaiserlichen Cabinetscanzlei noch existirte. Es ist Loris-Melikow nicht gelungen, durch seine liberalen Ideen das Gespenst des Nihilismus zu bannen, und auch die demagogischen Agitationen des Generals Jgnatiew haben sich in dieser Richtung un wirksam erwiesen. So griff man jetzt wieder auf das alt bewährte Mittel, auf die blaue Uniform zurück, und eine an kein Gesetz und kein Recht gebundene Polizei soll endlich die Gefahren des Nihilismus siegreich bekämpfen. Es giebt aber keine zweite Institution in Rußland, welche den despotischen Gedanken so vollkommen verkörpern würde, wie es bei der dritten Abtheilung der Fall gewesen ist. Die dritte Ab theilung, das war die eigentliche Verfassung des russischen Staats. Ob zufällig die russischen Staatsmänner sich Re formen zuneigten oder der Reaction huldigten, ob sie den Ideen der Humanität Raum gaben oder an den brutalsten Gewaltmitteln Gefallen hatten, immer stand der Mann in der blauen Uniform als Schutzengel neben dem Throne des Czaren, und die dritte Abtheilung war ein Schrecken für die Minister des Reiches, für die Großen des Hosts noch weit mehr, als für die einfachen Unterthanen. Unter Alexander II. gelang es, die Abschaffung der dritten Ab theilung herbeizuführen. Jetzt wird auch diese liberale Errungenschaft des russischen Volkes vernichtet, und an die Spitze der dritten Abtheilung tritt derselbe General Tscherewin, der schon als erster Abtheilungschef des Generals Jgnatiew im Ministerium des Innern das Project zur Wiederaufrichtung der dritten Abtheilung dem Czaren übergeben hatte. Damals trug Jgnatiew über Tscherewin den Sieg davon und der Letztere mußte aus dem Ministerium des Innern scheiden, jetzt aber kommen die Gegner Jgnatiew's ans Ruder, um ihrerseits die Rettung des russischen Staates herbeizuführen. Tagesnachrichlen. Sachsen. Ihre königlichen Majestäten werden am 20. d. von Rehefeld nach Strehlen zurückkehren und Se. Majestät der König wird desselben Tages Nachmittags 7 Uhr 40 Min. die beabsichtigte Reise nach Darmstadt antreten. Bei der Rückkehr, am 24. Juni, begiebt sich Se. Majestät direct nach Pillnitz, woselbst das Hoflager von diesem Tage an sich befinden wird. Am 19. dieses Monats und folgende Tage findet wieder eine Auslosung! Königlich Sächsischer Slaatspapiere statt, Großenhainer Unterhaltung-- und AnzeigEatt. Sette 2. von welcher die 4 o/„ Staatsschulden-Kassenscheine von den Jahren 1852/55/58/59/62/66 und 68, die auf 4 "/<> herabgesetzten, vormals 5 o/y dergleichen vom Jahre 1867, die 4 o/o dergleichen vom Jahre 1869, die 4 "/o dergleichen vom Jahre 1870 und die im Jahre 1871 durch Abstempelung in 3 Vs Vg und bez. 4 O/o Staatspapiere umgewandelten Löbau-Zittauer Eisenbahnactien H und L, ingleichen die den 1. December 1882 und bez. den 2. Januar 1883 zurückzuzahlenden, auf den Staat übernommenen 3 V2 "/<> Partialobligationen von den Jahren 1839/41, die 4 "/« Schuldscheine vom Jahre 1854, die 4 o/^ dergleichen vom Jahre 1860 und die 4 o/„ und bez. auf 4 0/0 wieder herab gesetzten, vormals 5 o/^ dergleichen vom Jahre 1866 der Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie betroffen werden. Die Inhaber von Staatspapieren genannter Gattungen werden hierauf noch besonders mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämmtlichen Bezirkssteuereinnahmen und Gemeindevorständen des Landes zu Jedermanns Einsicht ausgelegt werden. Mit diesen Listen werden zugleich die in früheren Terminen aus gelosten, aber noch nicht abgehobenen Nummern wieder aufgerufen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die Auslosungen übersehen. Es können dieselben nicht genug davor gewarnt werden, sich dem Jrrthum hinzugeben, daß, so lange sie Zinsscheine haben und diese unbeanstandet eingelöst werden, ihr Kapital ungekündigt sei. Die Staatskassen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präsentirten Zinsscheine nicht vor nehmen und lösen jeden echten Zinsschein ein. Da nun aber eine Verzinsung ausgelooster Kapitale über deren Fällig keitstermin hinaus in keinem Falle stattfindet, werden die von den Betheiligten in Folge Unkenntniß der Ausloosung zuviel erhobenen Zinsscheine seinerzeit am Kapitale gekürzt, vor welchem oft empfindlichen Nach theile sich die Inhaber von Staatspapieren nur durch regel mäßige Einsicht der Ziehungslisten (der gezogenen wie der restirenden Nummern) schützen können. Am Sonnabend trafen der Chef des Reichsjustizamts, Staatssecretär Or. v. Schelling, und der Geh. Oberregie- rungsrath vr. Meyer in Leipzig ein, um den Bauplatz für das neue Reichsgerichtsgebäude zu besichtigen. Wie verlautet, haben die hohen Reichsbeamten einen durchaus befriedigenden Eindruck von dem Areal (botanischer Garten) gewonnen. Die bekannten Leipziger Speditionsfirmen Uhlmann L Co. und I. Schneider L Co. richteten, wie das „Leipz. Tgbl." meldet, am 14. Juni die erste directe Sammelladung ver mittelst der St. Gotthardbahn nach Chiasso ab. — Die kleine italienische Colonie in Leipzig ehrte das Andenken ihres jüngst verstorbenen Nationalhelden Garibaldi durch eine am 16. Juni veranstaltete Gedächtnißfeier. Ein beklagenswerther Unglücksfall ereignete sich vorige Woche in Meißen. In der Nacht zum 14. Juni war im Waschraume eines am Hahnemannsplatz gelegenen Wohn gebäudes ein Balken unbemerkt in glimmenden Zustand gerathen; der dadurch entstandene Rauch und die Holzgase waren auch in die Schlafräume des Porzellanmalers Kolbe, welcher vor Kurzem sein 60jähriges Dienstjubiläum feierte, und einer hochbetagten Witwe eingedrungen, wodurch beide Personen betäubt wurden. Als man am Morgen die Gefahr bemerkte und den Brand rasch gelöscht hatte, fand man beide Personen betäubt vor; leider gelang es trotz baldiger ärztlicher Hilfeleistung nicht, den Maler Kolbe ins Leben zurückzurufen, während bei der betreffenden Witwe Hoffnung auf Wiederherstellung vorhanden ist. In Coswig bei Meißen soll demnächst eine Anstalt für verwahrloste Knaben errichtet werden. Der durch das Unwetter vom 30. Mai in Gelenau und Umgegend angerichtete Schaden erreicht nach den Taxationen, welche in den am härtesten betroffenen Ortschaften vor genommen wurden, die Höhe von einer Million Mark. Mancher Grundstücksbesitzer, der sich anfangs weniger ge schädigt wähnte, hat erst späterhin eingesehen, wie groß sein Verlust ist. Das wenige Futter, welches auf den Wiesen und Kleefeldern noch gefunden wird, will das Vieh trotz des Hungers nicht fressen; der Viehstand muß daher auf das Nothwendigste beschränkt werden. Der Wildstand ist so gut wie vernichtet und in Teichen wie Bächen sind in folge des schlammigen Eiswassers, sowie der Ellen hohen Schloßenmassen die Forellen und Karpfen erstickt; nament lich die Wilisch wimmelte, Dank der vom Spinnereibesitzer Wilhelm Schüller darauf verwendeten Mühe, von Forellen, aber die Hochfluth hat diesen Fischreichthum vernichtet. In Gelenau und den anderen überschwemmt gewesenen Orten sind bis auf Weiteres alle öffentlichen Belustigungen unter sagt worden. (Die zum Besten der durch die Gewitter- Katastrophe schwer heimgesuchten Landsleute im Erzgebirge vom Leipziger Hilfscomite veranstaltete Sammlung bezifferte sich am 16. Juni auf nahe an 4000 Mark.) In den Gebr. Rößler'schen Mühlenwerken zu Pirna ist dieser Tage der Kistenmacher Hofmann in die Kreissäge gerathen, wodurch demselben an der linken Hand alle fünf Finger zermalmt wurden. Bezüglich der vor einiger Zeit erwähnten Geschichte ü la Ubryk aus Reimersgrün hat sich das „Reichenb. Wchbl." an Ort und Stelle erkundigt und berichtet darüber: Bei dem Gutsbesitzer Joh. Heinr. Dietzsch in Reimersgrün, welcher 12 Jahre Gemeindevorstand war und auch jetzt noch zum Gemeinderathe zählt, befindet sich dessen Schwägerin, ein 52 Jahre altes geistesschwaches Frauenzimmer namens Chri stiane Reiher. Diese, ein in physischer Beziehung ganz herabgekommenes Wesen, befand sich bis zum letzten Himmel- fahrtStage bei ihrer ebendaselbst aufhältlich gewesenen Mutter und nach dem Tode der Letzteren, am 19. Mai, übernahm Dietzsch die Verpflegung der Unglücklichen. Nach Aussage des geachteten Gutsbesitzers kann obiges Blatt über deren Existenzverhältnisse Folgendes berichten: Bis vor ungefähr 3 — 4 Jahren wohnte und schlief selbige mit ihrer Mutter zusammen, Letztere war aber aus verschiedenen Gründen genöthigt, ihr einen abgesonderten Aufenthaltsort anzuweisen. Während sie nun dort, auf Stroh gebettet, ihr Nachtlager hat und auch am Tage, sofern eS ihr beliebt, sich in dem allerdings mehr als bescheidenen Raume aufhält, verbringt sie die übrige Tageszeit größtentheils in der Küche, wo sie die gleiche Kost wie die Dietzsch'sche Familie erhält. Der Pachter der kürzlich abgebrannten Restauration zur Terrasse in Grimma ist am 14. Juni an den beim Retten seines Kindes erlittenen Brandwunden verstorben. Von einem neu zu deckenden Gutsgebäude in Gahlenz bei Oederan stürzten am 13. Juni nicht weniger als drei Schieferdecker herab, einer Vormittags, die beiden anderen Nachmittags. Nur der zuerst Herabgestürzte erlitt schwerere innere Verletzungen. In dem hinter dem Rittergute Potschappel gelegenen Steinbruche sind am Donnerstag Abend drei Steinbrecher von aus beträchtlicher Höhe plötzlich niederstürzenden Stein massen theilweise verschüttet worden; nach vieler Mühe hat man den einen todt, den anderen sehr schwer verletzt (es sollen beide Beine gebrochen und zerschmettert sein) und den dritten, der schnell etwas zur Seite gesprungen war, am Kopf und Körper beschädigt herausgeschafft. Deutsches Reich. Infolge kaiserlicher Genehmigung und Zustimmung des Reichstages ist der letztere vom 19. Juni bis 30. November, oder richtiger vom 16. Juni bis zu der Zeit vertagt worden, wo seine Einberufung dem Kaiser wieder nothwendig erscheint; denn schon am 16. d. war die letzte Plenarsitzung des Reichstages vor seiner Ver tagung, da die momentanen Berathungsgegenstände erledigt waren, und was die Wiederaufnahme der Reichstagssitzungen anbetrifft, so ist der 30. November offenbar nur als muth- maßlicher Termin angenommen, der durch politische und parlamentarische Nothwendigkeiten leicht verändert werden kann. Wie man der „Nat.-Ztg." mittheilt, besteht inner halb der Reichsregierung die Absicht, womöglich die nach der Vertagung herbeizuführende Fortsetzung der Session mit der regelmäßigen Herbstsession zu verbinden, d. h. den Reichshaushaltsetat für das nächste Rechnungsjahr vor zulegen, so daß der Reichstag alle dringenden Geschäfte bis zum Ausgange dieses Jahres erledigen und dann ein volles Jahr pausiren könnte. Anläßlich des Scheiterns der Monopolvorlage bringt die „Nordd. Allg. Ztg." einen längeren Artikel, in welchem es über die Ziele des Reichskanzlers bezüglich der Steuerreform heißt: „Der Reichskanzler hat bereits am 12. d. in Aussicht gestellt, daß der Versuch werde gemacht werden, diesem Ziele durch andere Mittel näher zu treten. Welche Mittel dies sein werden, darüber werden zunächst die verbündeten Re gierungen sich unter einander zu verständigen haben, nach dem das Tabakmonopol durch den vorliegenden Reichstags beschluß von der Concurrenz ausgeschlossen ist. Bevor die Regierungen dieser Verständigung näher treten können, muß nothwendig die Unterlassungssünde des preußischen Landtags von diesem Frühjahr gut gemacht und die Bedürfnißfrage klargestellt werden. So lange dies nicht geschehen ist, haben wir überhaupt Vorschläge der verbündeten Regierungen zur Eröffnung anderweiter Einnahmequellen nicht zu erwarten. Dem preußischen Landtage und zunächst den preußischen Wählern zum Landtage wird die Aufgabe obliegen, die Frage klarzustellen, ob das in Preußen bestehende System der directen Steuern mit seinen Härten für die untersten Stufen beizubehalten ist oder nicht, und ob die Communen und Kreise in der Lage sind, daß sie der Erleichterung be dürfen." Der Artikel schließt: „Alle preußischen Kreise, welche ein Interesse daran haben, bei den bevorstehenden Landtagswahlen die Reform zu fördern, den Druck der Steuerexecutionen zu mindern, die Communen und Kreise zu unterstützen, werden sich daher sagen müssen, daß sie von der Wahl liberaler Abgeordneten nichts zu erwarten haben, da auch der Gemäßigtste unter ihnen, Herr v. Ben nigsen, in dieser Richtung jede Abhilfe des Nothstandes versagt, das Bedürfniß bestreitet und jede Reform auf Jahre hinaus ins Ungewisse verweist." Se. Majestät der Kaiser traf am 18. Juni früh 8 Uhr wohlbehalten in Kassel und Nachmittags 2 Uhr in Ems ein; in Kassel stattete er dem Prinzen Karl einen etwa dreiviertelstündigen Besuch ab. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." erfährt, hat das Kanonen boot „Habicht" den Befehl erhalten, sich von Malta nach Alexandrien zu begeben, um dort die deutsche Flagge zu zeigen und eventuell den deutschen Staatsangehörigen Schutz und Zuflucht zu gewähren. Bei der am 12. Juni in Coblenz-St. Goar stattgehabten Reichstagsnachwahl erhielt Prof. vr. Frhr. v. Hertling in München (Centrum) 9714, sein Gegencandidat Eugen Rich ter in Berlin (Fortschritt) 339 Stimmen. Frankreich. Das Aushebungscontingent beläuft sich nach den vom Kriegsminister Billot dem Armeeausschuß mitgetheilten Ziffern auf 306,000 Mann; der Ausschuß hatte es auf 305,000 Mann veranschlagt. Diese Ziffer umfaßt die im Laufe von drei Jahren effectiv unter den Fahnen befindlichen Bestände dreier Rekrutirungen, nach Abrechnung sämmtlicher Abgänge. Der Kriegsminister hat die Errichtung einer kriegs geschichtlichen Abtheilung unter Leitung des Jnstitutsmit- gliedes Oberst Perrier verfügt; dieselbe hat ihre Thätigkeit mit der Geschichte des Krieges von 1870 zu beginnen. In Paris ist am 15. Juni der frühere Kriegsminister de Cissey im Alter von 71 Jahren gestorben. England. Unterstaatssecretär Dilke theilte am 16. d. dem Unterhause mit, die aus Alexandrien eingegangenen Nachrichten lauteten beruhigend; neue Unruhen seien nicht ausgebrochen und würden auch nicht mehr befürchtet. Der Premier Gladstone erklärte, er wisse nichts davon, daß türkische Truppen nach Egypten unterwegs wären. Rustland. Die Commission, welche zur Berathung einer Organisation der ländlichen Bevölkerung eingesetzt worden war, ist durch einen kaiserl. Ukas «ifgelöst worden. Diese Auflösung wird mit der Bemerkung motivirt, daß infolge des Ukases vom 9. Januar d. I. über die Regelung des letzten Loskaufes des Bauernlandes die am 3. März 1861 zur Befreiung der Leibeigenen eingesetzte Hauptcommission