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Großenhainer Unterhaltung-- und Anzeigevlatt. Seite 2. Nr. 50. Plan und stimmen geschlossen für den ihnen bezeichneten Candidaten, als welcher nach neuerlichen Versionen doch Bebel in Aussicht genommen sein soll. Das kürzlich von uns registrirte Gerücht, er habe zu Gunsten Geyer's refüsirt zu candidiren, sott nur zum Schein colportirt worden sein und bezweckt haben, die anderen Parteien sicher zu machen. Im Stillen, heißt es, würden bereits die Wähler flott auf eine Stimmenabgabe für Bebel trainirt. Inwieweit diese neue Lesart richtig, vermögen wir am Redactionstisch nicht zu unterscheiden; Thatsache ist aber wenigstens, daß Bebel selbst eine öffentliche Erklärung in der Sache bis jetzt nicht erlassen hat! Wir halten uns demgegenüber verpflichtet, dies neuerliche Gerücht zu registriren und daran zugleich die Bemerkung zu knüpfen, daß bei einer Candidatur Bebel die Gefahr, den Wahlkreis an die Socialisten zu verlieren, unstreitig weit größer ist, wie bei einer Candidatur Geher. Angesichts aller dieser in Frage kommenden Momente würde es wahrlich sehr angezeigt, sehr klug und sehr patriotisch sein, die bereits in der Parteipresse Platz gegriffene wider liche Verhetzerei und Verketzere! einmal aufzugeben und lieber gemeinsam den gemeinsamen Feind zu bekämpfen, zumal die Parteiverhältnisse von anno dazumal durch die gegen wärtigen brennenden Fragen wahrlich schon längst völlig verschoben und mehrfach in das strikte Gegentheil verkehrt worden sind. Wenn sich von Dreien Zweie streiten, profitirt in der Regel von dem Streite nur der Dritte und das ist im vorliegenden Falle der Socialißmus und seine Propheten. Wer Ohren hat zu hören, der höre!" X — An der hiesigen Realschule waren für die dies jährige Aufnahmeprüfung im Ganzen 27 Schüler angemeldet worden. Da eine Anmeldung zurückgezogen wurde, so er schienen 26 Knaben zur Prüfung und fanden auch sämmtlich Aufnahme: 2 in die 3. Klasse, 2 in die 4. Kl. und 22 in die 5. Kl. Von den Aufgenommenen waren 15 in der ersten Bürgerschule, 2 in der dritten Bürgerschule und 9 in aus wärtigen Schulen vorgebildet. Die Aufnahme ist der des Vorjahres ganz gleich, steht aber hinter der des Jahres 1880 und der Jahre 1876—78 etwas zurück. Auch in den anderen Realschulen II. O. ist die diesjährige Aufnahme eine nicht ungünstige gewesen, so daß gegenwärtig von den 20 Realschulen II. O. 1:5 mehr als 100 Schüler aufweisen und nur fünf (Stollberg, Schneeberg, Leisnig, Rochlitz und Pirna) die Zahl 100 noch nicht wieder erreichen. Die Real schulen II. O. gewahren jetzt vielfach ein anderes Bild, als es die Angaben im neuesten Handbuche der Schul-Statistik für das Königreich Sachsen erkennen lassen. Frankenberg (11000 Einw.) zählt jetzt 122 Schüler, Löbau (7000 E.) 114 Schüler, Reudnitz (15000 E.) 195 Schüler und selbst in Stollberg, wo der Realschule Schwierigkeiten aller Art bereitet worden sind, hat sich die Schülerzahl auf 74 erhöht. Man ersieht hieraus, daß alle den Realschulen feindlichen Bestrebungen einen nachhaltigen Erfolg meist nicht gehabt haben. Und diese Bestrebungen werden in Zukunft um so mehr erfolglos bleiben, als sich neuerdings das Königl. h. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts gerade der Realschule II. O., die übrigens fast genau so wie die alten sächsischen Realschulen organisirt sind, auf das Wärmste angenommen hat. Zum Schluß sei noch bemerkt, daß an hiesiger Realschule jährlich 8 ganze, resp. 16 halbe Frei stellen vergeben werden, und daß außerdem arme Schüler aus dem Stipendienfond unterstützt werden können. ft. — 27. April. Heute vor 50 Jahren erwarb Herr Töpfermeister Friedrich August Jungnickel das Bürger recht der hiesigen Stadt. Der Jubilar wurde zu diesem seinem Ehrentage feiten des Stadtraths beglückwünscht. * — Dem Vernehmen nach werden die Manöver der Cavallerie - Division in der Gegend von Großenhain ab gehalten werden. Sachsen. Se. Majestät der König hat die dem Fteischer- gesellen Türpe aus Limbach wegen Ermordung der 7 Jahre alten Lydia Clara Voigt aus Mittelfrohna zuerkannte Todes strafe im Gnadenwege in lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt. Türpe wird nunmehr unverzüglich von Chem nitz in die Strafanstalt Waldheim übergeführt werden. Als verbürgt kann der „Dr. A." mittheilen, daß Se. Majestät der Kaiser vom 15. September an den Herbst- Übungen des sächsischen Armeecorps zwischen Oschatz und Riesa beiwohnen wird. In der Begleitung Sr. Majestät werden sich voraussichtlich der deutsche Kronprinz, sowie Graf Moltke befinden. Das Stadtverordnetencollegium zu Leipzig genehmigte am 26. April die Vorlage des Raths, betreffend die Er richtung eines öffentlichen Schlachthauses behufs Einführung des Schlachtzwanges und der obligatorischen Fleischbeschau, sowie eines mit dem ersteren verbundenen Viehhofes auf Kosten der Stadtgemeinde. Wie man aus Mylau schreibt, erwirbt sich die Stickerei auch auf den Dörfern immer mehr Boden und Freunde; viele Webstühle wurden bereits durch Aufstellung von Stick maschinen verdrängt und noch immer werden geeignete Locale beschafft, um deren Zahl zu vermehren. Aus Riesa berichtet das „Elbeblatt" folgenden Vorfall: Als am Sonntag Abends kurz nach 8 Uhr ein junges Mäd chen aus den Elbhäusern bei Bobersen von ihrer Wohnung auf dem Damme nach der Brücke zuging, kam ihr ein Mann entgegen. Um diesem nicht zu begegnen, kehrt sie wieder um, worauf selbiger den Fußweg nach Lessa ein schlug. Als jener diese Richtung annahm, verfolgte das Mädchen ihren früheren Weg wieder; nicht lange aber dauerte es, so kam der Mensch hinter ihr her gelaufen, hielt sich dicht an ihrer Seite und warf sie plötzlich den Damm hinunter, sie mit dem in ß 176,i des Str.-G.-B. gedachten Verbrechens bedrohend, wobei er ein Messer zog und sie erstechen wollte, wenn sie um Hilfe rufen würde. Das Mädchen aber rief dennoch und wurde glücklicherweise von einem anderen Mädchen vernommen, das sofort die in den Elbhäusern weilenden Männer zur Hilfe herbeirief. Der Strolch ergriff aber eiligst die Flucht und entkam leider. Deutsches Reich. Der Reichstag wurde am 27. April Nachmittags 2 Uhr im Reichstagsgebäude zu Berlin vom Staatssecretär v. Bötticher mit folgender Rede eröffnet: Geehrte Herren! Se. Majestät der Kaiser und Khnig haben mir den Auftrag zu ertheilen geruht, die Sitzungen des Reichstags zu eröffnen. Die gesetzgeberischen Aufgaben, für welche Ihre Thätigkeit in Anspruch genommen wird, sind Ihnen bereits durch die Aller höchste Botschaft vom 17. November v. I. an das Herz gelegt worden. Die Neichsgesetzgebung hat die Bestrebungen zur Abhilfe socialer Schäden, welche die kaiserliche Botschaft in Aussicht nimmt, mit dem Gesetzentwurf über Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle begonnen. Aus den vorjährigen Berathungen des Reichstags über diesen Gegen stand haben die verbündeten Regierungen den Anlaß entnommen, ehre frühere Vorlage einer Umgestaltung zu unterziehen. Die gegen die früher in Aussicht genommene Reichsversicherungs-Anstalt er hobenen Bedenken haben dabei insofern Berücksichtigung gefunden, als die Unfallversicherung der Arbeiter nunmehr auf eine corporative und genossenschaftliche Organisation der in Betracht kommenden in dustriellen Betriebe gegründet werden soll. Der Gesetzentwurf ge währt den industriellen Verbänden und Genossenschaften eine auf die Verhütung von Betriebsunfällen gerichtete Autonomie. Er geht von dem Bestreben aus, die verwaltende Thätigkeit thunlichst zn loealisiren, die finanzielle Belastung dagegen auf möglichst breite Unterlagen zu vertheilen. Eine nothwendige Ergänzung finden die Ihnen auf diesem Ge biete vorzulegendcn Maßnahmen in einer anderweiten Regelung der jetzt bestehenden Hilfskassen-Gesetzgebung und in der beabsichtigten Ausdehnung der Krankenversicherung. An Stelle des bisherigen bedingten wird Ihnen die Einführung eines unbedingten Zwanges zur Versicherung gegen die wirthschastlichen Folgen von Krankheits fällen für alle Arbeiter vorgeschlagen werden, für welche die Durch führung dieser Maßregel möglich erscheint. Seit Jahren ist in allen Theilen des Reichs mit steigender Dring lichkeit das Bedürfniß nach einer Revision der über den Gewerbebetrieb im Umherziehen geltenden Vorschriften der Gewerbeordnung hcrvor- getreten. Die verbündeten Negierungen haben beschlossen, Ihnen einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Gewerbeordnung in dem Sinne abgeändert wird, daß den mit dem Gewerbebetrieb im Umherziehen auf dem Gebiete der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Sittlichkeit verknüpften Gefahren wirksamer als bisher begegnet werden kann. Altf dem Gebiete der Steuerreform hat die Allerhöchste Botschaft vom 17. November v. I. die Abschaffung drückender direkter Landes steuern und der Zuschläge in Aussicht genommen, durch welche Ge meinden und andere Eommunalvcrbände bisher genöthigt sind, den harten und ungleich wirkenden Druck dieser Steuern zu verstärken. Diese wohlmeinende Absicht zu verwirklichen, kann nur dadurch er möglicht werden, daß das Reich durch Erhöhung der seiner Gesetz gebung vorbehaltenen indirekten Steuern sich in die Lage bringt, auf Matricularbeiträge zu verzichten, oder die bisher dazu erforder lichen und eventuell auch höhere Beträge den einzelnen Staaten herauszuzahlen, damit sie zur Verminderung der Landes- und E ommunalsteuern verfügbar werden. Wenn eilt Bedürfniß hierzu bei den Einzclstaaten und ihren Communalverbänden nicht empfunden würde, so läge auch kein Anlaß vor, eine Erhöhung der indirekten Reichseinnahmen zu erstreben, ist ein solches Bedürfniß aber vor handen, so kann es nur durch größere Ergiebigkeit der indirecten Einnahmequellen des Reiches befriedigt werden. Die verbündeten Regierungen sind von dem Vorhandensein des Bedürfnisses überzeugt und beantragen Erhöhung der Reichseinnahmen, um ihren Untcr- thanen Steuer-Erleichterungen gewahren zu können. Unter den zur Besteuerung durch das Reich geeigneten Gegen ständen steht der Tabak in erster Linie; nicht hierüber, sondern nur über die Form, in welcher eine höhere Besteuerung dieses Genuß mittels herbeizuführen sei) gehen die Meinungen im Reich auseinander und wird eine Entscheidung durch die Gesetzgebung herbeizuführen sein. Die Mehrheit der verbündeten Regierungen hält die Form des Monopols für'diejenige, welche die Interessen der Consumenten und Tabakbauer am meisten schont und dabei an Ergiebigkeit alle anderen Formen der Besteuerung übertrifft. Sie würde daher zn anderen Vorschlägen erst übergehen, wenn sie die Aussicht auf Zustimmung der Volksvertreter zum'Monopol aufzugeben genöthigt wäre. Wenn die Reichsregierung weder in der einen noch in der anderen Form Aussicht ans die Bewilligung höherer Neichseinnahmen Hütte, so würde sie mit Bedauern und zum Schmerze Seiner Majestät des Kaisers für jetzt auf die Reformen der Steuerverfassung deS Reiches und der Einzel fcaaten verzichten müssen, welche als ein Bedürfniß der Bevölkerung von allen Regierungen seit Jahren erkannt und in der Botschaft vom 17. November v. I. von Seiner Majestät dem Kaiser verheißen sind. Die mit der Anwendung des Zolltarifgesetzes gemachten Erfahrungen haben für die Mühlenindustrie die Gewährung einer AuSsuhrerleich- terung und für einige andere PrvduetionSzweige eine Aenderung der Tarifsätze als wünschenswerth ergeben. Es wird Ihnen daher der Entwurf eines Gesetzes hierüber vorgelegt werden. Ein zwischen dem Reich und Brasilien abgeschlossener Eonsularvertrag wird Ihrer ver fassungsmäßigen Beschlußfassung unterbreitet werden. Die aus wärtigen Verhältnisse des Reiches fahren fort, nach jeder Richtung hin das Vertrauen aus die Dauer der friedlichen und freundschaft lichen Beziehungen zu rechtfertigen, von denen die Allerhöchste Bot schaft vom 17. November v. I. Zeugniß ablegte. Je größer die Tragweite der Arbeiten ist, welche Sie, geehrte Herren, erwarten, desto mehr vertrauen die verbündeten Regierungen, daß es Ihrer hingebenden Thätigkeit mit Gottes Hilfe gelingen werde, die großen Aufgaben, uni die es sich handelt, einer für die Eonsolidirung unserer nationalen Einrichtungen und für die gedeihliche Entwickelung des Vaterlandes segcnSvollen Lösung entgegenzuführen. Im Namen der verbündeten Negierungen erkläre ich auf Befehl Seiner Majestät deS Kaisers und Königs den Reichstag für eröffnet. Nach Ansicht maßgebender Kreise wird der Reichstag sich alsbald nach seiner Eröffnnng etwa bis zum 9. Mai vertagen, um den Abgeordneten genügend Zeit und Gelegen heit zum eingehenden Studium aller der wichtigen Vorlagen zu lassen, welche demselben sofort zugehen werden. Das preußische Abgeordnetenhaus hat am 26. April den den Antrag Richter-Büchtemauu auf Einsetzung einer parla mentarischen Eisenbahn-Commission mit großer Majorität abgelehnt und darauf den Rest der Vorlage über Einsetzung von Eisenbahnräthen nach den Commissionsauträgen erledigt. Sodann genehmigte das Haus den Ankauf der Berlin- Anhalter Eisenbahn und ebenso den Nachtragsetat, betreffend die sechs jüngst verstaatlichten Eisenbahnen. Bayern. Die Abgeordnetenkammer lehnte am 26. d. in Berathung der Rückäußerung der Reichsrathskammer sämmtliche wieder eingestellte Positionen, bei allen Minister- Etats auch die Dispositionsfonds und den namens des Ge- sammtministeriums gemachten Vorschlag des Finanzministers, die L>umme aller letzteren (45,000 Mark) in den Staats haushaltsetat als Unterstützungen einzustellen, ab. Oesterreich. Die am 26. April stattgefnndene gemein same Sitzung beider Delegationen hat bezüglich des Pacifi- cationscredits den von der ungarischen Delegation beschlossenen Abstrich von 2,033,OM Gulden mit 59 gegen 45 Stimmen genehmigt. Die österreichische Delegation hielt sodann noch ihre Schlußsitzung ab, in welcher die Nachtragscredite zum Heereserfordernisse auf Grund der vorausgegangenen gemein samen Abstimmung in dritter Lesung angenommen wurden. Die in Serajewo erscheinende „Sarjewski List" veröffent licht eine Proclamation des Feldzeugmeisters Dahlen, welche denjenigen Flüchtlingen, die bis zum 20. Mai in ihre Heimathsorte zurückkehren und sich bei den Behörden mel den, falls sie keine gemeinen Verbrechen begangen haben, Straflosigkeit gewährt; gegen diejenigen Flüchtlinge, welche dieser Aufforderung nicht Folge leisten, und gegen gemeine Verbrecher wird die Strenge des Gesetzes angewendet werden. Frankreich. Die ersten Regungen des parlamentarischen Lebens haben wieder begonnen, indem am Mittwoch die Armeecommission unter Vorsitz Gambetta's zusammentrat; doch vertagte letzterer, da nur 12 Commissionsmitglieder erschienen waren, die Verhandlungen bis Sonnabend. Bezüglich der aus München gemeldeten Verhaftung eines französischen Offiziers sieht sich die „Agence Havas" ver anlaßt, ihrerseits mitzutheilen, daß ein Offizier namens Graillier in den Reihen der französischen Armee nicht existire, daß also, wenn ein Mann dieses Namens in München ver haftet wurde, derselbe nicht französischer Offizier sei. Es werde versichert, der Verhaftete sei belgischer Nationalität. (Bei der auf Landesverrath lautenden Angelegenheit, in welche auch ein bayrischer Offizier namens Kreitmeier ver wickelt ist, sott es sich um die Ingolstädter und Ulmer Befestigungspläne gehandelt haben.) England. Im Unterhause beantragte Redmond am 26. April die zweite Lesung der Novelle zur irischen Land acte, wobei er betonte, daß die Nothwendigkeit, letztere zu amendiren, jetzt allseitig anerkannt werde. Premier Glad stone nimmt gern an, daß die Bill der authentische Aus druck des Wunsches der Mitglieder Nedmond und Genossen sei, die wirksame Ausführung der Landacte behufs Wieder herstellung der Ordnnng in Irland herbeizuführen; er könne aber die zweite Lesung nicht unterstützen, weil er an der Ansicht festhalte, daß jede Störung der Wirksamkeit der Landacte unerwünscht sei. Er wolle heute noch nicht auf die etwa in dieser Session nöthigen Maßregeln zur Aufrecht haltung der Ordnung in Irland eingehen; die Frage der Pachtrückstände in Irland erheische eine praktische Erwägung und eine unparteiische Lösung durch das Parlament in dieser Session unter Berücksichtigung aller Interessen. In Betreff der Frage des Ankaufs von Pachtgütern durch die Pächter werde die Regierung sich anläßlich deS Antrages Smith's aussprechen. Die Bill sei der erste Hoffnungsstrahl in dem dunklen Zustande; denn obwohl er an der Macht des Reiches nicht im Geringsten zweifle, glaube er doch, daß Zwang dem Geiste der Verfassung gänzlich fremd sei. Er wünsche ernstlich die Vervollständigung einer befriedigenden Gesetz gebung als den Schluß wichtiger parlamentarischer Arbeiten für die Wohlfahrt, den Frieden und die Glückseligkeit Irlands. Die Debatte wurde schließlich auf unbestimmte Zeit vertagt. Der Staatssecretär des Innern hat die ans Amerika eingetroffenen Schriftstücke über den Geisteszustand des Dr. Lamson geprüft und beschlossen, keine Aenderung des Urtheilsspruches vorzunehmen. Die Hinrichtung Lamson's sollte am 28. April stattfinden. Veuefle Vachrichten. München, 27. April. Die Abgeordnetenkammer hat in der heutigen Schlußsitzung das Finanzgesetz mit 143 gegen 7 Stimmen angenommen. Die Reichsrathskammer geneh migte das Finanzgesetz einstimmig. Mm, 27. April. Die Dombaumeister haben die Er klärung abgegeben, daß dem Ausbau des Münsterthurms keine Hindernisse entgegenständen. London, 27. April. Unterhaus. Auf eine Anfrage des Deputaten Worm'S erwiderte der Unterstaats-Secretär Dilke, nach einem Berichte des englischen Viceconsuls in Odessa sei bei den Vorgängen in Balta ein Jude getödtet, viele andere seien schwer verletzt worden, auch sei ein Fall von Schändung einer Frau constatirt, Kinder seien nicht ermordet worden. Der durch Zerstörung von Privateigen thum angerichtete Schaden werde auf circa eine Million Rubel geschätzt. Die russischen Behörden seien energisch bemüht, die iL-chuldigen zu verhaften. Von Deutschland sei in der russischen Judenfrage eine Collectivnote der europäischen Mächte nicht angeregt worden. Belgrad, 27. April. Seitens des Finanzministeriums sind 500,000 Frcs. zur Tilgung rückständiger Raten des in Rußland während des Krieges gemachten Anlehenö nach Petersburg abgesendet worden. Bukarest, 27. April. Von dem Deputirten Latzescu ist eine Interpellation an den Minister des Auswärtigen, betreffend die durch den Berliner Vertrag angeordnete Schleifung der Donaufestungen, angemeldet worden. Vermischtes. Bezüglich eines neuen Humbugs ergeht zur Warnung aus Glogau im „Niederschles. Anz." nachstehende Mittheilung: Vor einigen Wochen wurde in den Tagesblättern eine neue Broschüre angekündigt unter dem Titel: „Moralische Schau spieler, ein Zeitbild ohne Schminke", Verlag von A. Behrens, Hamburg, Kl. Freiheit; Preis 50 Pf., in Briefmarken einzusendeu. Der Theaterdirector H. Oppenheim in Glogau, welcher, nebenbei bemerkt, eine der größten Sammlungen von seltenen Broschüren und Zeitschriften besitzt, sandte die verlangten 50 Pf. ein — und erhielt anstatt der versprochenen Broschüre ein kleines Lichtdruckbild Ludwig Devrient's (etwa 5 Pf. an Werth), welches die Unterschrift trug: „Als Aequivalent für die angezeigte Broschüre." Herr Oppen heim war mit diesem Aequivalent aber durchaus nicht zu frieden, schickte, um dem eigenartigen Manöver auf den Grund zu kommen, das Bildchen vielmehr an die „Verlags handlung" von A. Behrens zurück und erbat sich seinerseits wieder die eingesandten 50 Pf. unter dem Bedeuten, daß er im andern Falle an gehöriger Stelle die ganze Sache zur Warnung veröffentlichen würde, tzr-tatt des Geldes aber erhielt er eine Correspondenzkarte mit dem gedruckten Sinnspruch: „Thue Jeder, was er muß und was er nicht lassen kann." Am 26. April Mittags ist in der Zeughanskaserne zu Mannheim ein Brand ausgebrochen, infolge dessen ein großer Vorrath an Ausrüstungs-Gegenständen zu Grunde ging. Dach und vierter Stock sind gänzlich ausgebrannt.