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M, Beilage zum Großenhainer Unterhaltung«- und Anzeigeblatt. Nr. L2. Sonnabend, den 8. April 1882. 70. Jahrgang. 200, .8V 1SS. nke narkt. neu- und : Herren Uhr an , desgl. Nachm. rrei zu- Herren lßer der -arz. n außer Um Herz rurd Diadem. ) Novelle von M. Heimwald. Schwül lag die Nachmittagssonne auf dem Walde; kein kühlender Hauch streifte die Blätter, die welk und schlaff von den Bäumen niederhingen; tiefe Stille herrschte und nur selten huschte ein Vogel auf oder durchbrach ein scheues Reh die Sträucher; nichts störte den Schlummernden, der, von der Hitze überwältigt, an einer Eiche sich gelagert. Er mochte wohl eine halbe Stunde so geruht haben, als es im Gebüsch knisterte; er hörte cs nicht, hörte auch nicht den leisen Tritt der schlanken Mädchengestalt, die leicht und anmuthig zwischen den Bäumen daherschritt. Ein weißes Kleid umhüllte die zierliche Figur, die eben erst der Kindheit ent wachsen schien; ein Kranz von wilden Rosen, leicht und luftig gewunden, ruhte auf dem glänzenden blauschwarzen Haar, das in schweren langen Flechten niederste! und gar seltsam mit den großen blauen Augen, die träumerisch, fast melancholisch sahen, contrastirte. Sie sah den Schläfer erst, als sie dicht vor ihm stand; wie gebannt blieb sie stehen und schaute auf das männlich schöne Antlitz mit dem dichten braunen Vollbart. Sie wußte nicht, was es war, was sie plötzlich durchzuckte, ihr Antlitz glühend, ihr Herz schneller schlagend machte; cs war ihr, als müßte der Schläfer davon erwachen, so laut und heftig pochte es; sie wollte fort und konnte nicht, mit magischer Gewalt zog es sie immer wieder zurück. Und wirklich öffnete der Schlummernde die Augen, staunend sah er auf die liebliche Erscheinung. „Ist dies ein Traum, der mich weckt?" flüsterte er halblaut, die Augen wieder schlie ßend, um sich zu überzeugen, daß er wache; doch als er auf sah, war die holde Erscheinung verschwunden. Wohl schien cs ihm, als schimmere durch die Büsche noch ihr weißes Kleid, im nächsten Augenblick doch sah er auch dies nicht mehr. „Es war ein Traum", seufzte er, „ciu schöner Traum." Endlich erhob er sich und ging langsam von dannen; er achtete nicht auf deu Weg, es war ihm gleich, wohin er ging, wann er nach Hause kam. Er hatte Niemandem Rechenschaft zu geben; frei war er und machte von seiner Freiheit unum schränkten Gebrauch. Camillo war der jüngere Bruder des regierenden Fürsten eines kleinen Ländchens, und da dieser zwei Söhne besaß, hatte Camillo nach der im Fürstenhaus«! herrschenden Erbfolge keinen Anspruch auf den Thron. Er lebte nur den Wissenschaften, hatte große Reisen gemacht und sich endlich in einem stillen, entlegenen Winkel aus einer öden, unwirthbarcn Gegend ein kleines Paradies geschaffen. Oft streifte er viele Tage in den Wäldern ganz allein umher, ohne daß es seiner Dienerschaft aufficl; sie war an die seltsamen Launen ihres Herrn gewöhnt. „Wenn ich nur wüßte", murmelte er im Gehen, „wo ich diese wunderbar leuchtenden Augen schon gesehen? Woher kam diese Feengestalt?" Ein Busch wilder Rosen stand am Wege, träumerisch pflückte er eine davon, sie sich ins Knopfloch steckend mit den Worten: „Wilde Rosen schmückten auch sie, wo — aber wo?" Unwillig schalt er sich: „Bist Du ein Knabe, daß Dich ein Traumbild gefangen hält? Ist es denn gar so wunderbar, wenn mitten im Walde Deine erhitzte Phantasie Dir eine Fee vor- spiegelt? Willst Du mit vicrunddrcißig Jahren noch zum Träumer werden? Schäme Dich!" — Lange schon war er umhcrgcirrt, als die Sonne verschwand und dunkle Wolken den Himmel überzogen. Blitze zuckten, von fern hallte der Donner, große schwere Tropfen begannen zu fallen. Der Fürst kümmerte sich nicht darum; Wind und Wetter störten ihn nicht, manche Nacht schon hatte er in alten, halb verfallenen Köhicrhütten zugebracht, vielleicht war ihm das Glück auch heute günstig. Auf einmal blieb er stchen und horchte. Was war denn das? Klangen da nicht die Töne einer Geige an sein Ohr? Er konnte nicht weit von Menschen sein. Seinen Schritt be. schleunigen-, war er in wenigen Augenblicken am Saume des Waldes angelangt. Vor ihm lag in friedlicher Stille ein kleines Häuschen, von Weinreben dicht umschattet. Ein Fenster stand offen, aus ihm kamen die Klänge, die in ihrer seltsamen Eigenart seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Bald wild und feurig, bald leise klagend, bald leidenschaftlich, als wollten sie mit ihrer Gluth alles fortreißcn, dann wieder sehnen- und schmelzend, durch alles aber zog der Ton -er Wehmuth und Klage um verlorenes Glück. Wer konnte hier so spielen? Camillo trat an das zweite, geschlossene Fenster. Ein leises „Ah" entschlüpfte seinen Lippcn, während seine Augen fest auf -er Gruppe hafteten, -ie seinen erstaunten Blicken sich zeigte. Im sauberen, bequem eingerich teten Stübchen saß in einem alten, hohen Lehnstuhle -cr Geiger. Sein braunes, von tiefen Furchen durchzogenes An gesicht mochte wohl einst schön, scin Haar, das jetzt schon Silberfäden zeigte, ehemals schwarz gewesen scin. Das Auge konnte wohl einst stolz und feurig geblickt haben, jetzt brach selten noch ein Strahl der alten Gluth daraus hervor. Zu feinen Füßen saß auf einem Schemclchcn — Camillos wunder same Walderscheinung. Noch umhüllte das weiße Kleid die zarte Gestalt, noch schmückten die wilden Rosen ihr schwarzes Haar. Die Hände gefaltet saß sic, den Klängen -cs alten Geigers lauschend. Er spielte kie abenteuerlichen, phantastischen Weisen jenes gchcimnißvollcn, ruhelosen Volkes, das Heimatklos und flüchtig die Welt durchirrt, selten ein gern gesehener Gast, der Parias der civilisirten Gesellschaft, der Zigeuner. Wie aber kommen Sie hierher? Wer war dies Kind, dessen Kleidung nichts weniger als zigeunerartig war? Neugierde war sonst nicht des Fürsten Fehler, hier aber regte sich ein Interesse für die sonderbaren Bewohner des Häuschens; er mußte wissen, wer sie waren und wie sie hierher gekommen. — Das Wetter, welches immer heftiger wurde, diente ihm zum Vorwand, schnell *) Unberechtigter Nachdruck verboten. entschlossen trat er in das Häuschen und klopfte an die Stuben thür. Die Geige verstummte. Ohne das „Herein" abzuwarten trat Camillo ein: „Gestatten Sie einem verirrten Wanderer, den das Wetter verschlagen, ein Obdach für kurze Zeit'." Der Geiger erhob sich ihm freundlich die Hand bietend: „Ein Obdach für den Verirrten, ein Lager für den Müden, und eine Erquickung für den Hungernden ist in des Lejos Hütte stets zu finden. Willkommen, fremder Herr!" Diese Worte wurden von einer wohlklingenden tiefen Stimme in gutem Deutsch gesprochen, welches nur durch einen unbedeutenden, fremdländischen Accent eine etwas seltsame Färbung erhielt. Das holde Mädchen war aufgesprungen und sah den Fremden jetzt mit denselben märchenhaften Augen träumen- an, wie im Waide, wieder glitt cs flammend über ihre Stirn und ließ sic nur noch licblichcr erscheinen. „Hed-y", befahl der Alte, „bring' unserem Gaste einen Stuhl. Nehmt Platz, Herr, und laßt es Euch bei uns ge fallen. Heddy, besorge das Abendbrot, es ist ohnehin schon spät; Ihr werdet unser kleines Mahl nicht verschmähen, Herr, das Wandern macht hungrig. Spute Dich, Hcddy." Die Tochter kam folgsam dem Gebote des Vaters nach, geschäftig hin- und hercilend, bis der Tisch gedeckt war. Camillo bemerkte mit Erstaunen einen gewissen Wohlstand und eine Sauberkeit, die soust selten bei den rauhen Kindern -er Pusta zu fin-en ist. Gern hätte er seine Neugierde be friedigt, doch wollte cr nicht so mit -er Thür ins Haus fallen, da Mißtrauen gegen alle neugierigen Fragen diesem seltsamen Volke eigen ist. Er hatte wirklich Hunger bekommen von dem Marsche und ließ es sich gut schmecken, zumal -er Alte cs vcrstand, den liebenswürdigen Wirth zu spielen, und auf freundliche, herzliche Weise seinem Gaste bald die frische Butter, bald den duftenden Honig oder die süße Milch anbot. Nicht -ie fein sten, ausgesuchtesten Speisen seiner Tafel hatten dem Fürsten so gemundet, wie dieses einfache Mahl. Von Hed-y hatte er noch kein Wort vernommen; dies seltene Wesen, halb Kind, Kalb Jungfrau, schien ebenso scheu, wie zierlich und anmuthig zu sein. Der Donner hatte nachgelassen, nur -er Regen goß noch in Strömen herab. Lcjos war, während sein Kind geräuschlos abräumte, anS Fenster getreten und schaute besorgt hinaus: „Ihr könnt heute nicht fort, Herr; -ie Nacht wir- finster, die Wege sind hier überall schlecht und durch den Regen grundlos. Laßt es Euch diese Nacht unter meinem Dache gefallen, morgen früh, wenn die Luft aufgeklärt und die Sonne wieder scheint, findet Ihr den Weg leicht wieder. Nehmt meinen Rath und mein Anerbieten, für beute mein Gast zu sein, an." Camillo nahm cs freudig dankend an; vielleicht war dem freundlichen Wirthc etwas über seine Vergangenheit zu entlocken. Hed-y batte unter-eß die Lampe angezündet. Während die beiden Männer sich wieder setzten, fragte der Fürst gespannt: „Ist daS Eure Tochter?" „Meine Tochter, mein einziges Kind", erwiderte -er Alte, indem er zärtlich liebkosend deS Mädchens Stirne strich: „Hed-y, mein Kind, singe uns etwas!" Erwartungsvoll sah Camillo auf Hc-dy; fast glaubte er, eine verschämt ablehnende Antwort hören zu müssen, doch ge horsam nahm -cS Zigeuners Kind die Geige. Camillo liebte dies Instrument in Damenhänden nicht; selten siebt es graziös aus ; doch diesem Waldkinde verlieb eS einen eigentbümlicheu Reiz. Leise, ganz leise, fast zaghaft ließ sie die ersten Töne er klingen. Camillo erwartete eines -er feurigen Pustalieder zu hören und lauschte daher nicht wenig erstaunt, als er ein deutsches Lied vernahm, -essen Worte lauteten: „Im lullen Mondensäiimmer Da denk' ich Dein, Du mein. Der Sterne lichl «Geflimmer Snll unser Bote sein Der bringt zu dieser Stunde Viel lausend Knüste Dir, Und bringet mir die Kunde, Daß stets vereinigt wn Ob nah, ob fern, ob Land und Meer Sich zwischen uns auch stellen. Die Liebe fliegt daiiiber der, fliegt über Meeleswellen. Und flüstert Dir im Daume leis': „Ich Dein, Du ewig mein!" Dies soll allein die rechte Weis' Für unsre Herzen sein!" Mit weicher, melodischer Stimme und tiefer Innigkeit saug Heddy dieses Lied; -er Vater saß, -en Kopf in -ie Häude ge stützt. in Erinnerung versunken. Camillo war ans Fenster getreten, seine tiefe Bewegung zu bcmcistern. Jetzt wußte cr, wo diese blauen Augen ihn schon angeschaut, wo cr dieselbe liebliche Stimme schon gehört. Lange, lange war es her, seit Camillo dies Lied in frühesten Iugendtagen aus heißgeliebtem Munde vernahm; er nur allein wußte, was er damals gedichtet, war es doch scin eigen Lied, das diese holden Lippen sangen. Wie aber kam cs hierher? Wie kam dies Kind zu den blauen Augen der schönen Ministerstochter, die, als Camillo noch ein Knabc war, als liebliches Maicnröschcn am Hofe seines Vaters erblühte, die eines Tages so plötzlich verschwunden, ohne -aß ein Mensch je wieder etwas von ihr gekört. Hed-y tonnte unmöglich -es Zigeuners Kind scin. „Woher habt Ikr das Lied, Heddy?" fragte er. „Ihr heißt -och Hc-dy? Nicht?" Sie nickte nur leicht und antwortete dann leise und schüchtern : „Es war das Licblingslied meiner Mutter", und errötkend sctzte sie hinzu: „Der Vater hat cS am liebsten." Es war ikr, als bedürfe sie einer Entschuldigung, daß sic gerade dieses Lied gesungen; sie wußte selbst nicht, warum sie eS gewählt, eS war ihr eben im Augenblick kein anderes eingefallen. „Das Lieblingslied Eurer Mutter?" fragte Camillo tief bewegt. Da erhob Lejos den Kopf und seufzte wehmüthig: „Ja, Herr, das Lieblingslied ihrer Mutter, meines heißgeliebten Weibes, meiner unvergeßlichen Hedwig. Nach ihr heißt auch mein Kind, Heddy ist nur die Abkürzung von Hedwig." „Hedwig?" rief der Fürst in solch' heftiger Bewegung, daß -cr alte Zigeuner ihn erstaunt, fast forschend betrachtete. Camillo faßte sich und unterdrückte die Worte: „so hieß auch sie." „Hedwig ist — ein deutscher Name?" fragte er nur. „Mein Weib war eme Deutsche", erwiderte der Alte. „Sie liebte den wilden Sohn -cr Pusta und zog mit ihm hinaus in seine Heimath; sie kannte kein größeres Vergnügen, als beim flackernden Feuer den Klängen -es Czar-as zu lauschen, die damals ganz anders ans meiner Geige kamen als heute. O, Herr, der Lejos ist nur noch der Schatten seiner selbst, seit sie ins Grab gesunken, und hätte ich mein Kind, meine Heddy nicht, um deretwillen ich noch leben muß, ich glaube, wir wären längst vereinigt." Der Alte ahnte nicht, wie tief cr seinem Gaste in -ie Seele schnitt. Den Zigeuncr hatte sie geliebt? War mit ihm davon gegangen? Und seine Licbe? Warum hatte sie dann dies Lied gesungen, als sie an ihrem sechzehnten Geburtstage beim Pfänderspiele ihr Pfand durch ein Lied cinlöstc? Warum gerade dieses, welches er in glühender Schwärmerei einige Tage vor her zwischen ihre Fenster zu legen gewußt? Der Knabe glaubte sich damals verstanden und schwelgte in Seligkeit, als sie es sang; am andern Tage war sie ver schwunden und als sie nicht wicderkekrte, siel Camillo in eine schwere Krankheit, die seine fürstlichen Eltern um sein Leben besorgt machte. Lange nachher noch wich das Bild nicht aus dem jungen Herzen, doch nach und nach erblaßte es und schließlich schwebte es nur noch als rosige Wolke am Horizonte seiner Jugend. Nie wieder hatte er geliebt, so viel er auch die Welt durchstreift, nie halte ein Weib verstanden, ihn zu fesseln. Was war cs heute, daö ihn zu diesem lieblichen Kinde zog? War cs einzig das Bild der Mutter, welches ihm aus diesem Bilde entgegcnstraklte, trotz -cs schwarzen Haares, das Heddy vom Vater hatte? „Hatte Euer Weib auch solch' tiefschwarzes Haar, wie Euer Kind?" fragte er, als ob cr die Bestätigung seiner Gedanken suchen wollte. „Meine Hedwig? Nein, die hatte lichtes, blondes Haar, in der Sonne fast golden schimmernd. O, sie war schön, war die verkörperte Poesie", rief der Zigeuner begeistert. „Nur die Augen ihrer Mntter hat mein Kind, und deshalb liebe ich's so sekr; ein Theil von mir, ein Theil von ihr in diesem Wesen ganz vereinigt." Er drückte einen Kuß auf seines Kindes Stirn. „Doch Herr, es ist schon spät, Ihr werdet müde scin, wollt Ihr Euch nicht zur Ruhe begeben?" Es war dem Fürsten recht, eS war ihm Bedürsniß, jetzt allein zu sein." Der Alte wollte ihn selbst zu seinem Lager führen; während er ein Licht anzündete, bot Camillo dein jungen Mädchen die Hand, das schweigend mit niedergeschlagenen Augen am Tische stand. „Gute Nacht, Heddy!" So einfach die Worte klangen, so tief -rangen sie in des Kindes Herz; sie fühlte seinen Blick ohne die Augen aufznschlagen. „Gute Nacht, Herr!" lispelte sie kaum hörbar, während ihre kleine Hand sich zitternd in die seine legte. Einen Augenblick kielt er sie fest, seine Augen rukten voll Innigkeit auf der kolden Mädchenknospe; er Kälte sie an sich ziehen, sie küssen mögen, doch cr bezwang sich; ein leiser Druck der Hand, dann ging er dem Vater nach, der bereits an der Thür seiner wartete. Heddy sah ihm wie abwesend nach, sie dachte nichts, sie fühlte nichts, nur „Gute Nacht, Heddy", klang in ihrem Herzen noch das Echo seiner Worte nach und wollte nicht verhallen; sie wagte kaum zu athmcn, und wer sie jetzt ge sehen, würde sie für eine Nachtwandlerin gehalten haben. Erst der zurückkehrende Vater brachte sie wieder zu sich ; seine zärt liche Umarmung, als er ikr den gewohnten Kuß vor dem Schlafengehen gab, erwiderte sie beute eigenthümlich leidenschaftlich. „Gute Nacht, mein Kind, schlafe sanft!" Des Vaters „Gute Nacht" erschien ihr so ganz anders wie sonst; wenn es auch zärtlich war, glitt cs doch über ihre Seele hin, wie der leise Windhauch nur -ie Wellen leicht bewegt; des Fremden Wort jedoch drang tief, so tief, und selbst im Traunr noch hörte sie nichts als immer wieder nur die Worte: „Gute Nacht, Heddy!" Jeder -er drei Bewohner schlief diesen Abend mit anderen Gefühlen ein. Lejos hatte die Erinnerung an scin Weib an gegriffen, noch nie hatte cr vor Fremden von ihr gesprochen, — sie war das Hciligthum seiner Seele und Heddy darin sein größtes Kleinod. Camillo lag lange, ehe er einschlafen konnte. War es ein blinder Zufall, -er ihm Heddy heute im Walde vorüber führte, ihn an des Zigeuners Hütte gebracht? Zufall! Ist es nicht nur ein buntes, unberechenbares Spiel der Vorsehung? — Hed-y! Wie reizend klang ihm dieser Name! Wie lieblich war dieses scheue, zarte Kind. Der Abend schien ihm fast ein Märchen aus „Tausend und eine Nacht." Was ihn bewegte, cr gab sich noch keine Rechenschaft darüber, wollte es auch nicht, wollte das Dunkel noch nicht lüften, das seine Seele geheimnißvoll umwoben, doch als cr endlich einschlief, brachten die neckischen Kobolde -cs Traumgottes, ihm zum Trotz, Klarheit in seine Gedanken und seine Gefühle. Abwechselnd sah er sich bald im stolzen Schloß, bald in dem kleinen, weinumrankten Häuschen. Hedwig von Saalfeld, die lichte Maienrose stand vor ihm, um plötzlich mit schwarzem Haar Heddy zu sein, die, mit den träumerischen, wundersam leuchtenden Augen . ihrer Mutter, immer wieder die Worte sang: