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pK 216, 17. September 1910 Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dkschn. Buchhandel 1061 So besitzen wir nun einwandfreie, künstlerische deutsche Brotschriftcn, und mit Herrn Gustav Ruprecht <Nr. ISS d. Bl.) mochte ich als dis verwendbarste die Offenbacher Schwabacher nennen. Ich bin einer der ersten Verleger gewesen, der befreundete Druckereien auf sie aufmerksam ge- macht hat, und freue mich ihres Siegeszuges. Man steht jetzt diese schöne, edle und klare Schrift schon recht häufig, aber noch lange nicht genug. Namentlich wundert es mich, daß meines Wissens noch keine Zeitung die schwunglosen und nüchternen Frakturschnitte aus der zweiten Hälfte des neun zehnten Jahrhunderts durch die Offenbacher Schwabacher er setzt hat, zumal diese auch für dis Zeilengießmaschinen zu haben ist. Für den Buchverleger hat diese Schrift noch eine be sondere Bedeutung. Einer der häufigsten Gründe zur An wendung der Antiqua ist bekanntlich, daß die Ausländer angeblich nicht unsere deutsche Schrift lesen könnten. Ich halte das zwar für einen Scheingrund*) und meine, man unterschätze den Verstand der Ausländer mit der Unterstellung, daß sie zwar b, g, o, aber nicht b, g, o lesen könnten. Wer die deutsche Sprache so weit versteht, um ein deutsches Buch lesen zu wollen, hat auch die deutsche Schrift gelernt. Über haupt sollten wir uns nicht so viel nach dem Ausland richten. Diese Liebe pflegt nicht erwidert zu werden. Eigenart erzwingt Achlungl Aber die Offenbacher Schwabachcr macht es, ohne Aufgabe deutscher Eigenart, den Ausländern ganz bequem, indem sie die Großbuchstaben, den eigentlichen Stein des Anstoßes in der Fraktur, aus der Form der Ge meinen entwickelt und so den lateinischen Großbuchstaben nähert, ohne den Schwung der Fraktur zu verlieren. Man kann sogar den schönsten fremdsprachigen Satz damit Her stellen, zum Beispiel: Richard now saw himself triumphant over all chis Opponent?. The last os ths lords appellants had been banished; and even his uncles, trough assection or fear, seconded all his measures. kse had attained what seems for some time to have been the great object of his policy. kse hat placed himself above the control of the law. Bq the graut of a subsidq for life he was relieved from the necessitq oder Lateinisch: Solum igitur, quod se iprum movst, quia numquam deseritur a se, numquam ne moveri quidem desinit; quin etiam ceteris, quae moventur, hic fons, hoc principium ert movendi. Principii autem nulla cst origo; nam e principio oriuntur omnia, iprum autem nulla ex re alia nasci potest; nec enim esset id principium, quod gigne- Herr Gustav Ruprecht hat derartigen (englischen) Satz vielen des Deutschen ganz unkundigen Amerikanern der ver schiedensten Bildungsschichten, auch Kindern, vorlegen lassen; sie alle konnten diese deutsche Schrift lesen, fast ohne zu bemerken, daß sie nicht die gewohnte Antiqua vor sich hatten. Ich habe selbst öfters erprobt, daß man jene Schriftproben antiquafreundlichen Autoren nur zu zeigen braucht, um alle Einwendungen gegen die deutsche Schrift verstummen zu machen. Der deutschen Schrift in dieser Form steht die ganze Welt offen. Zur Erreichung dieses Zieles kann, außer der Einsicht, daß diese Schrift der Antiqua gegenüber einen Fort schritt bedeutet, auch ein auf Freude am deutschen Volkstum gegründeter fester Wille viel beitragen. Vielleicht erobert sich aber die Offenbacher Schrift auch außerhalb des deutschen Sprachgebietes noch ihr Stück Erde. Robert Voigtländer. *> Vgl. auch die wertvollen Mitteilungen von Gustav Ruprecht im Börsenblatt Nr. 159 und die von Reinecke (a. a. O. S. 260—262) mitgeteilten Proben gotischer Schriften in Drucksachen aller Erdteile. Kleine Mitteilungen. Der Ausdruck dreiste Geschichtsfälschunst« als ertaubte Form einer Kritik. — Regierungsrat a. D. Rudolf Martin hatte gegen den politischen Redakteur der »Königsberger Hartnng- schen Zeitung«, Christian Saß, eine Beleidigungsklage ange> strengt wegen des Ausdrucks »dreiste Geschichtssälschung«, mit dem in einer Kritik des Martinschen Buches »Deutsche Machthaber« die Martinsche Darstellung der Novembervorgänge gekennzeichnet war. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte am 10. August d. I. beschlossen, die Eröffnung des Hauptversahrens gegen den Redakteur abzulehnen. Die sofort vom Regierungsrat a. D. Martin eingelegte Beschwerde gegen diesen Beschluß ist jetzt vom Königlichen Landgericht III zu Berlin verworfen worden. In der Begründung dieses Beschlusses heißt es u. a.: Nach § ISS des Strafgesetzbuchs sind »tadelnde Urteile über wissenschaftliche . . . Leistungen« nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter denen sie geschah, hervorgeht. Durch diese Vorschrift ist eine schärfere Kritik überhaupt nur möglich geworden. Eine solche liegt tm Interesse der Allgemein heit. Auch eine scharfe Form der kritischen Äußerung muß als er laubt angesehen werden, wenn der zugrunde liegende Gedanke sich in andrer Form nicht ebensogut ausdrücken läßt. Die beiden Aus drücke, aus die der Privatkläger besonders Gewicht legt: »Ge schichtssälschung« und »Dreist« können in prägnanter Form kaum anders wiedergegeben werden. Demnach muß auch das Be schwerdegericht dem Privatbeklagten den Schutz des Z 193 des Strafgesetzbuchs zubilligen, da auch sonst der Artikel über die Form der scharfen, aber erlaubten Kritik — wie sie übrigens der Privatkläger selbst in seinem Buch wiederholt anwendet — nicht hinausgeht. Da es gegen diesen Beschluß des Landgerichts eine Be- schwerde an eine höhere Instanz nicht gibt, ist damit die An gelegenheit erledigt. (»Der Zeitungsverlag.«) - Post. Schisssliste für billige Briefe nach den einigten Staaten von Amerika (10 H für je 20 g). — »Kaiser Wilhelm II.« »Deutschland« »Kaiser Wilhelm der Große« »George Washington« . . »Kronprinzessin Cecilie« »Amerika« «Kronprinz Wilhelm« . . »Cincinnati« »Kaiser Wilhelm II.« . . »Kaiserin Auguste Victoria« »Kaiser Wilhelm der Große« »Prinz Friedrich Wilhelm« ab Bremen 20. Septemb. Hamburg 24. „ Bremen 27. „ „ 1. Oktober 4. „ 6. II. „ IS. „ 18. Hamburg Bremen Hamburg Bremen Hamburg 20. Bremen 25. „ 29. Alle diese Schiffe außer »Cincinnati« sind Schnelldampfer oder solche, die für eine bestimmte Zeit vor dem Abgang die schnellste Besörderungsgelegenheit bieten. Es empsiehlt sich, die Briefe mit einem Leitvermerk, wie «direkter Weg« oder »über Bremen oder Hamburg«, Post schluß nach Ankunft der Frühzüge. zu versehen. Die Portoermäßigung erstreckt sich nur auf Briefe, nicht auch auf Postkarten, Drucksachen usw. und gilt nur für Briefe nach den Vereinigten Staaten von Amerika, nicht auch nach anderen Gebieten Amerikas, z. B. Kanada. * Postscheck. 2. Nachtrag zum Verzeichnis der Konto inhaber bei den Postscheckämtern im Reichs-Po st gebiet. — Zu dem amtlich herausgegebenen Verzeichnis der Konto inhaber für 1910 erscheint in diesen Tagen der 2. Nachtrag. Er enthält die Adressen der seit dem 1. Mai dem Postscheckverkehr beigetretenen 3990 Kontoinhaber. Soweit es von den Konto inhabern gewünscht wurde, sind nähere Angaben über Beruf, Geschäftszweig usw. mit ausgenommen worden. Der Bezugspreis des zweiten Nachtrags beträgt 40 H. Be stellungen werden an den Schaltern aller Postanstalten entgegen genommen, wo auch das nach dem Stande vom 1. Januar 1910 bearbeitete Hauptverzeichnis und der erste Nachtrag bezogen werden können. Dem zweiten Nachtrag ist wieder ein Auszug der neueren Verfügungen über den Postscheckverkehr, soweit sie allgemeines 1380°