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10612 Börsenblatt s. d. DIschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 216 17. September 1910. gegen sie betreibe. Der genannte Verein sei ein erbitterter Feind der Warenhäuser, die er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfe. Dies gehe so weit, daß einzelnen Warenhäusern, die sich den Bestimmungen des Vereins hätten unterwerfen wollen, die Anerkennung als reguläre Buchhandlung verweigert und selbst in bezug auf an geschloffene Warenhäuser die Verleger in nicht mißzuver- stehender Weise darauf hingcwiesen worden seien, daß es ihnen freistehe, ihnen zu liefern oder die Lieserung zu ver weigern. Die Warenhäuser müßten sich deshalb auch ihrer seits gegen den Börsenverein, einen Trust, dessen Be strebungen selbst unsittlich und der Allgemeinheit gefährlich und deshalb auch schon mehrfach von anderer Seite, so vor allem von dem Akademischen Schutzverein in Leipzig, leb haft angefochten worden seien, zur Wehr setzen. Weiter bringt die Beklagte vor: Von einer Verschleuderung der Bücher könne bei einem Preise von 95 H deshalb keine Rede sein, weil auch der reguläre Buchhandel 5 Prozent Rabatt auf den Ladenpreis gewähre. Ferner sei zu bedenken, daß das Warenhaus nur gegen bar verkaufe, während der Sortimentsbuchhandel oft mit langfristiger Kreditgewährung arbeite. Ebensowenig diene ihr der Verkauf der Bücher nur als Lockmittel, da auch sie infolge des Rabatts, den sie von ihrem Lieferanten erhalte, die Bücher mit Nutzen verkaufe. Zur Behauptung der Klägerin, die Beklagte erwerbe die Ullstein-Bücher aus Schleichwegen, macht die Beklagte geltend: Es gebe eine große Anzahl Buchhändler, die nicht an den Börsenverein angeschloffen seien. Aber auch die an geschloffenen Buchhändler hielten sich des Massenabsatzes wegen, den ihnen das Warenhaus biete, nicht an die vom Börsenverein gegebenen Verkaussbestimmungen. so daß sie keineswegs nötig habe, ihrerseits an solche heranzutreten und sie zur Lieferung von Büchern zu bestimmen. Im Gegen teil erhalte sie ohne ihr Zutun auch von angeschlossenen Buchhändlern zahlreiche Anerbietungen — übrigens auch ein Beweis, daß es selbst in deren Kreisen nicht als wider die guten Sitten verstoßend empfunden werde, an eine nicht an geschlossene Person zu liefern. Die in Rede stehenden Ullstein-Bücher habe sie aber von einem nicht angeschloffenen Großsortiment bezogen, das seinen Sitz nicht in Leipzig habe. Die Firma dieses Großsortiments nenne sie indes nicht, um es vor den Anfeindungen und Schädigungen des Börsenvereins zu schützen. Die Klägerin erklärt das von der Beklagten ge äußerte Bedenken über die Tragweite der einstweiligen Verfügung für unbegründet und ist mit einer dem Sinne der einstweiligen Verfügung entsprechenden Abänderung einverstanden. Im übrigen erwidert sie auf das Vorbringen der Beklagten: auf Bücher zum Ladenpreise von 1 ^ werde im Leipziger regulären Buchhandel kein Rabatt gewährt. Erst bei Büchern im Preise von 3 ^ an trete ein solcher in Höhe von 5 Prozent ein. Ebenso tritt sie den Darlegungen der Gegnerin über den Erwerb der Ullstein-Bücher entgegen unter Hinweis darauf, daß noch nicht 1 Prozent aller Buch händler außerhalb des Börsenoereins ständen. Die Klägerin hat zur Glaubhaftmachung der von ihr behaupteten Art des Erwerbs der Ullstein-Bücher seitens der Beklagten eine schriftliche Auslassung ihres Vertriebsleiters Necrforth (Bl. 4). ein gezeichnetes Exemplar der Ullstein- Bücher und zur Glaubhaftmachung ihrer Schädigung die zwischen Bl. 1 und 2 verwahrten Zuschriften von Sorti mentern, sowie ferner die Ausfertigung eines schöffengericht lichen Urteils und ein Stück des offiziellen Adreßbuchs des deutschen Buchhandels überreicht und die Auslassung Neer- forths und die Zuschriften der Sortimenter vorgetragen. Die Beklagte gibt die Echtheit der mitüberreichten Zuschrift der Serigschen Buchhandlung zu und lehnt zu den übrigen Zuschriften Erklärung ab. Sie bemerkt dazu: diese Zuschriften seien bestellte Arbeit. Beweis sei. daß ihr Prozeßbevollmächtigter noch am Tage der Verhandlung über den Widerspruch einen der zuletzt erschienenen Bände in der Serigschen Buchhandlung gekauft habe. Die Beklagte über reichte ihrerseits ein Rundschreiben des Vorstandes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler vom 15. Juni 1910 (Bl. 15), die Ausfertigung des Reichsgerichtsurteils in Sachen Mlllhens und Gen. Kaufhaus Brühl vom 26. Januar 1910, sowie Heft 5 der Zeitschrift »Neue Rundschau«, indem sie auf den darin enthaltenen Aussatz des Professors Lamprecht: »Bildungsinteressen und Marktinteressen» verweist. Daß das von der Klägerin überreichte gezeichnete Exemplar der Ullstein-Bücher bei ihr gekauft sei. bestreitet die Beklagte nicht. Entscheidungsgründe. Die Klägerin stützt den Anspruch, für den sie den einst weiligen Rechtsschutz begehrt hat, in erster Linie aus den Z 1 Unl. Wettbew. Indes kommt diese Vorschrift nicht in Betracht, da sie ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs voraussetzt. Von einem solchen kann aber im Verhältnisse zwischen Verleger und Vertreiber eines Werkes füglich nicht die Rede sein. Vielmehr ist ein Wettbewerb im vorliegenden Falle begrifflich nur möglich gegenüber den Sortiments buchhandlungen, die sich mit dem Vertriebe der Ullstein- Bücher befassen Nur diese wären hiernach, wenn die sonstigen Voraussetzungen des 8 1 vorlägen. zur Erhebung der Verbotsklage und folgeweise zu dem Antrag aus Siche rung eines solchen Anspruches berechtigt. Z13 Unl. Wettbew. Es fragt sich daher, ob der geltend gemachte Anspruch sich aus 88 823 BGB. herleiten läßt. Bei Erörterung dieser Frage muß der von der Klägerin behauptete Verlaus der Ullstein-Bücher zum Preise von 90 H außer Betracht bleiben, da ihn die Klägerin nicht glaubhaft gemacht hat. Der Verkauf der Bücher sür 95 H statt für 1 kann an und für sich nicht als unzulässig angesehen werden. Denn nach dem Grundsatz der Gewerbefreiheit ist es das Recht jedes Gewerbetreibenden, den Preis der von ihm vertriebenen Waren selbst zu bestimmen, soweit er nicht ver traglich an die Einhaltung eines bestimmten Preises ge bunden ist. Insbesondere ist eine sittenwidrige Handlungs weise in der Abgabe der Bücher für 95 H nicht zu erblicken. Es erscheint schon fraglich, ob die Ein haltung des vom Verleger festgesetzten Laden preises für die dem Börsenvcrein angehörenden Buchhändler eine Sache des Anstandes und der guten Sitte ist. Denn es ist gerichtskundig, daß diese Verpflichtung in erster Linie rein materiellen Interessen der Buchhändler zu dienen bestimmt ist und das System, dessen Durchführung diese Verpflichtung bezweckt, keines wegs in den Kreisen der Buchhändler selbst allgemeine Billigung — und mannigfachen Widerspruch — erfahren hat. Indes kann dies dahingestellt bleiben, denn jeden falls vermögen die erkennenden Richter nicht anzuerkennen, daß die Notwendigkeit der Einhaltung des Ladenpreises in das sittliche Bewußtsein der Allgemeinheit, deren Interessen mit denen der Buchhändler im Widerspruch stehen, derart übergegangen sei. daß ein Verstoß gegen dieses Gebot das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletze. Auch sonst läßt die Höhe des von der Beklagten für die Bücher geforderten Preises den Vorwurf illoyalen Handels nicht begründet erscheinen. Denn dieser Preis bleibt nur um 5 H hinter dem Ladenpreise zurück und hält sich damit sogar in den Grenze» des in Leipzig für Bücher zum Preise von 3 ab üblichen Kundenrabatts. Es kann deshalb