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3404 Nichtamtlicher Teil — Sprechsaal. ^ 88. 18. April 1904. im Verlage von Richard Sattler in Braunschweig erschie nenen Bilseschen Romans verfügt worden sei, während das in Herford beschlagnahmte Buch im Verlage eines Wiener Buch händlers erschienen sei. Das -Leipziger Tageblatt« nennt diese Begründung -durchaus formalistisch«. Sie wirke etwa so, als wenn ein Gendarm einen Mann, auf den sonst alle Merkmale eines steckbrieflich verfolgten Verbrechers passen, nicht verhaften wollte, weil in dem steckbrieflichen Signalement steht »kleiner Schnurrbart«, während der Verdächtige (weil er ihn hat abnehmen lassen) keinen Schnurrbart trägt. Verlorenes Manuskript. In Wien hatte das Ober landesgericht als Berufungsinstanz über eine Klage zu entscheiden, tue der^ Komponist Josef Reiter gegen den gewesenen Dirigenten Erich«, deren Aufführung Professor Hellmesberger bei den Philharmonikern zu befürworten versprochen hatte, und die ihm dann abhanden gekommen war. Das Landesgericht nahm rgch Prozeßkosten wurden beiderseitig aufgehoben. Gegen da^s Urteil meldeten beide Parteien die Berufung an. Der Senat des Be rufungsgerichts verurteilte dagegen Professor Hellmesberger zur Große Kunstausstellung Dresden 1904. — Die Aus gleichzeitig mit der Großen Kunstausstellung eine Ausstellung von Kunstphotographien eröffnet, die eine Übersicht über die Bestrebungen in der Kunstphotographie in den letzten Jahren geben wird. Die Ausstellung wurde zusammengebracht von dem Dresdner Kunstphotographen Herrn Hugo Erfurth. Außer den bedeutendsten Fachphotographen, die die rein künstlerische Rich tung pflegen, wie Dührkoop-Hamburg, Erfurth-Dresden, Perscheid- Leipzig u. s. w. werden vorzügliche Hamburger und Wiener Amateur-Photographen vertreten sein. Auch Amerika, Belgien, England und Frankreich werden an der Ausstellung beteiligt sein. Personalnachrichten. Gestorben: in Ratzeburg Herr Buchhändler Max Schmidt nach schwerer Krankheit im 64. Lebensjahre. Der Vorstorbene Namens°am ^2?A^rU^t868^begriln^det. ^ 8>rma seines Auszeichnungen. — Vom Königlichen Ministerium des Innern ist den seit 18. März 1864 bezw. 15. Februar 1873 un unterbrochen in der Buchhandlung von L. A. Kittler in Leipzig beschäftigten Markthelfern Franz Eduard Lindner in Leipzig und Theodor Ernst Mühlner in L.-Anger-Crottendorf das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit verliehen worden. Die Königliche Kreishauptmannschaft Leipzig hat ferner dem lang jährig in der gleichen Buchhandlung beschäftigten Markthelfer August Albert Theodor Winter in L.-Reudnitz eine Belobigungs urkunde verliehen. Ordensverleihung. — Professor vr. Georg Galland, der Herausgeber der -Kunst-Halle« (Verlag von I. Harrwitz Nach folger G. m. b. H. in Berlin), erhielt das Ritterkreuz des nieder ländischen Ordens von Oranien-Nassau. (Sprechsaal.) Zensur bestrebnngen der Leipziger Bestellanstalt. (Vergl. Börsenblatt Nr. 79.) Herr Albert Langen sagt von den in seinem Verlag er schienenen Werken von Marcel Prsvost, daß sie »von der maß gebenden Kritik als ernsthaft literarische Werke« anerkannt wären. Wieweit sich das auf die Ausgaben des Herrn Langen bezieht, mag dahingestellt sein. Aber »Boccaccio« und manches andre Buch ist als literarisch ernsthaft anerkannt, und doch soll man ^sich wo^>l hüten, die Verbreitung dieser Bücher zu befördern^ guten Teile mit verschuldet. Wenn deshalb der Verein der Buchhändler zu Leipzig auch nicht mittelbar den Vertrieb solcher Literatur mehr begünstigen will, so begrüße ich das als ein Anzeichen von rückkehrender Gesundung, das, weil Herr Langen es im Börsenblatt bekannt gegeben hat, hoffentlich manchen zum Nachdenken bringen wird. Ich glaube nicht, daß Herr Langen im Kreise des Buchhandels auf viel Sympathie und Unterstützung rechnen kann. Von uns Niedersachsen im Kreis Norden weiß ich es bestimmt. Wir haben im vergangenen Jahre auf unsrer Hauptversammlung in Kiel scharf Stellung genommen gegen die fragliche Lite ratur. Freunde des -Simplicissimus-Geistes« sind wir durchaus nicht. Wenn Herr Langen von dem Hauptmitarbeiter dieses Blatts in einer buchhändlerischen Ankündigung sagte, »sein höchster Glaube ist die Respektlosigkeit«, und ferner hervorhob, daß er keinen »Autoritätsglauben« besitze, so ist das sehr charak teristisch, gewinnt aber Herrn Langen meines Erachtens bei ernst messe diese Fragen verhandelt werden sollen. Nun, dann werden die Herren in Leipzig nicht allein stehen, sondern sicher Unter stützung finden aus Nord und Süd, Ost und West. Wir deutschen Buchhändler dürfen nicht allein nach materiellen Gesichtspunkten entscheiden, sondern sind mitbestellt zu Hütern seiner höchsten Güter. Gottlob! man besinnt sich jetzt in weitern Kreisen darauf, daß gewisse Literaturgatlungen, auch wenn sie »literarisch wert voll« sein sollten, nicht gepflegt, ja, wie die Dinge sich leiser ent wickelt haben, nicht einmal geduldet werden dürfen. Hamburg, 8. April 1904. ^ Justus Pape. Antwort. Zu einer eingehenderen Diskussion mit Herrn Justus Pape habe ich keine Veranlassung. Ich kenne Herrn Pape nicht, und aus dem Standpunkte, den er in seinen Zeilen vom 8. April ver tritt, kann ich nur die Ansicht gewinnen, daß weder Herr Pape mich noch ich Herrn Pape jemals überzeugen könnte. — Dafür weiß ich, daß die erlesensten, auf dem Gebiete der Kunst maßgebenden Geister unsrer Zeit auf meiner Seite stehen und im Gegensatz zu Herrn Pape die Anschauung vertreten, daß in der Kunst in erster Linie künstlerische Gesichtspunkte die entscheidende Rolle spielen. Was Herrn Papes Auslassungen über den »Simplicissimus-Geist« betrifft, so bin ich sogar in der Lage, ihm mit Namen von euro päischen Berühmtheiten zu dienen, die sich in ihren Gutachten über den Simplicissimus in ganz entgegengesetztem Sinne ge äußert haben. Ich nenne darunter nur: Reinhold Begas, Björnstjerne Björnson, Edvard Grieg, Gerhart Hauptmann, Henrik Ibsen, F. A. von Kaulbach, Max Klinger, Wilhelm Leibl, Franz von Lenbach, Jonas Lie, Max Liebermann, Constantin Meunier, Frithjof Nansen, Auguste Nodin, Franz Stuck, Hans Thoma, Leo Tolstoi und Emile Zola. Daß gegenüber den höchst anerkennenden Urteilen solcher Männer die Verurteilung durch Herrn Pape für mich besonders schwer in die Wagschale fallen könnte, wird dieser wohl selbst nicht erwarten. Es bleibt Herrn Pape natürlich unbenommen, in seiner buch händlerischen Tätigkeit seinen Überzeugungen entsprechend als Volkserzieher zu wirken. Aber ebenso muß es Herr Pape mir überlassen, zu beurteilen, was ich für künstlerisch halte und in meinem Verlage veröffentlichen will. Um zur Sache zu kommen, um die es sich eigentlich handelt, möchte ich nur sagen, daß es jedenfalls nicht Aufgabe der Bestellanstalt ist, erzieherisch zu wirken. Ihr Zweck ist, dem deutschen Buchhandel durch die Verteilung seiner Zirkulare usw. geschäftlich zu dienen. Persönliche Anschauungen der Leiter der Bestellanstalt bezw. des Vereins der Buchhändler zu Leipzig dürfen nicht die Veranlassung sein, daß diese Dienste einzelnen Mit gliedern nach Gutdünken in einzelnen Fällen verjagt werden, so weit es sich nicht wirklich um Rundschreiben anstößigen Inhalts handelt, die als solche mit den bestehenden Gesetzen in Konflikt kommen könnten. München, 12. April 1904. Albert Langen.