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5756 Nichtamtlicher Teil. ^ 142, 22. Juni 1S0L Verleihung von Ehrenurkunden durch die Leipziger Handelskammer. — Die Handelskammer zu Leipzig erließ unterm 18. Juni folgende Bekanntmachung: »Nachdem wir mit Zustimmung des Königlichen Ministeriums des Innern beschlossen haben, denjenigen Personen öffentliche Anerkennung auszusprechen, die sich während 25jähriger un unterbrochener Tätigkeit in einer und derselben Firma durch be sondere Pflichttreue und hervorragende Leistungen um das Wohl ihres Hauses und damit zugleich um das heimatliche Erwerbsleben verdient gemacht haben, geben wir hierunter die nähern Bestimmungen und Voraussetzungen bekannt, nach denen die hierzu bestimmten Ehren-Urkunden von uns verliehen einen der Vorsitzenden oder ein Mitglied oder einen der Sekretäre der Kammer und, soweit möglich, in Gegenwart des Inhabers oder gesetzlichen Vertreters der Firma des Angestellten überreicht. »Anträge auf Verleihung der Urkunden sind mit den erforderlichen Unterlagen an die Handelskammer, Neue Börse, Tr. 6, I, zu richten. Die erfolgten Auszeichnungen werden von der Kammer in der Tagespresse, in den von ihr herausgegebenen Mitteilungen' sowie in sonst geeigneter Weise öffentlich bekannt gemacht. -Indem wir die Inhaber, Direktoren, Geschäftsführer usw. der zur Handelskammer beitragspflichtigen Betriebe und Geschäfte hiermit einladen, von der Einrichtung für ihre Angestellten fort an Gebrauch zu machen, sprechen wir zugleich den Wunsch und die Hoffnung aus, daß diese den beteiligten Firmen und den mit der Auszeichnung zu Bedenkenden selbst zur Ehre und zum Segen gereichen möge.« Die Bestimmungen über die Verleihung dieser Ehrenurkunden für Verdienste in Handel, Industrie und Gewerbe sind in fol genden drei Paragraphen niedergelegt: tz 1. Die Handelskammer Leipzig verleiht künstlerisch ausge- stattete Ehren-Urkunden an solche Personen beiderlei Geschlechts (Prokuristen, Handlungsgehilfen, gewerbliche Gehilfen und Ar beiter jeder Art, Werkmeister, Techniker usw. usw.), die 1. ununter brochen mindestens 25 Jahre in demselben zur Handelskammer beitragspflichtigen Handels-, Industrie- oder Gewerbebetriebe (§§ 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs) beschäftigt sind, und 2. sich durch gute Führung und tüchtige Leistungen ausgezeichnet haben. 2. Die Verleihung der Ehren - Urkunden erfolgt auf An trag des Inhabers oder gesetzlichen Vertreters der Firma des Angestellten. Der Antrag muß enthalten: 1. Die Angabe der Dienstzeit nach Tag und Jahr und der etwaigen nach K 3 zu lässigen Unterbrechung, 2. ein Zeugnis des Antragstellers über Führung und Leistungen des Angestellten, 3. ein Leumunds zeugnis der Ortspolizeibehörden. § 3. Ableistung der militärischen Dienstpflicht, Krankheit und andere vom Willen des Arbeitgebers und Arbeitnehmers unab hängige Unterbrechungen der Beschäftigung stehen der Verleihung der Urkunde dann nicht entgegen, wenn die unmittelbar vor und nach solchen Unterbrechungen im gleichen Betriebe verbrachte Be schäftigungszeit zusammen 25 Jahre beträgt. »Simplicissimus«. (Vergl. Börsenbl. Nr. 114 u. 125.) — Zwei -Simplicissimus«-Prozesse fanden am Montag, den 19. Juni vor der Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts statt. Die Anklage richtete sich gegen den Redakteur Julius Linnekogel und den Schriftsteller vr. Ludwig Thoma; sie wurde erhoben einmal wegen Beleidigung des Dresdner Schöffen gerichts, das zweite Mal wegen Beleidigung der preußischen und bayerischen evangelischen Geistlichkeit und wegen Beschimpfung einer Einrichtung der christlichen Kirche (tz 166 Str.-G.-B.). Die Anklage wegen Vergehens gegen tz 166 «Ausdruck »Bibeldünger-) wurde im Laufe der Verhandlung fallen gelassen. — Der erste Fall, in dem der sächsische Justizminister Strafantrag gestellt hat, betrifft die be kannte Dresdener Prügelaffäre des russischen Fürsten Kutschubey und die vom Simplicissimus an dem Urteile des Dresdener Schöffengerichts geübte Kritik. Der zweite Fall hat zum Gegenstand das seinerzeit auch im Reichs tage zur Verlesung gebrachte ^Simplicissimusgedicht: »An die Sittlichkeitsprediger in Köln a. Rh.» Die Anklage nimmt an, daß die beleidigenden Stellen sich gegen die evangelischen Geist lichen richten, die am Kongresse zur Bekämpfung der unsittlichen Literatur zu Köln teilgenommen haben, insbesondere aber gegen den Pastor lüe. Bohn-Berlin, den Generalsekretär der deutschen Sittlichkeitsvereine, und den Vorsitzenden des Kongresses Pfarrer lüo. Weber-M.Gladbach, und daß diese in ihrem Beruf als Pastoren beleidigt seien. Als Sachverständige waren zu der Ver handlung zugezogen der bekannte Münchener Verteidiger Justiz rat vr. Max Bernstein, bekannt auch als dramatischer Schrift steller unter dem Pseudonym Ernst Rosmer, und der Schrift steller vr. Ludwig Ganghofer. Beide sprachen sich zugunsten der Angeklagten aus. Der Staatsanwalt beantragte wegen des zweiten Falles gegen vr. Ludwig Thoma eine Gefängnisstrafe von mindestens zwei Monaten, gegen Linnekogel vier Wochen Gefängnis, Publikationsbefugnis und Einziehung der Nummer. Der Verteidiger, der Reichstagsabgeordnete Rechtsanwalt Conrad Haußmann, plädierte für Freisprechung in beiden Fällen. In der Anklage wegen Beleidigung des Dresdener Schöffengerichts hatte der Staatsanwalt 200 ^ Geldstrafe beantragt. Die Verkündigung der Urteile erfolgt am nächsten Montag, den 26. Juni. (Leipz. Neueste Nachr.) Im Kampf gegen die unsittlichen Druckschriften. — In diesen Tagen verteilte der Volksbund zur Bekämpfung des Schmutzes in Wort und Bild in den verschiedenen Stadt teilen Berlins 20000 Exemplare eines von Otto v. Leixner Unterzeichneten Flugblatts, das in deutlicher und volkstümlicher Weise auf die Gefahren hinweist, die unserm Volk durch die Ver breitung der Schmutzliteratur, der kleinen Witzblätter, der billigen Straßenhefte und der schlechten und teuern Kolportage-Romane erwachsen. Der Volksbund wendet sich an die deutschen Väter und Mütter und fordert sie auf, nicht in solchen Geschäften zu kaufen und kaufen zu lassen, in denen diese Blätter ausliegen. Neuere gerichtliche Gutachten der Handelskammer in Berlin: Buchbinderei: Beim Broschieren von billigeren Druckheften hat der Buchbinder für Ausfall oder Ausschuß in Höhe von nicht Jnseratenwesen: a) Ein Handelsgebrauch, nach welchem der Verleger einer periodischen Zeischrift bei der Vereinbarung »Zahlung 3 Monate äo dato Faktura netto in bar- bei Zahlungsverzug des Schuldners den Bruttopreis verlangen kann, besteht nicht. li) Der Verleger einer periodischen Zeitschrift ist handelsüblich nicht ohne weiteres berechtigt, die vereinbarte Vergütung für ein bestelltes Inserat zu fordern, wenn der Besteller auf Übersendung des Bürstenabzugs keine Verfügung über Zeit und Art der Auf nahme getroffen hat. Der Verleger hat vielmehr nur dann einen Anspruch auf Bezahlung des bestellten, aber nicht eingerückten Inserats, wenn der Besteller eine ihm gesetzte Frist zur Er klärung über die übersandten Bürstenabzüge ohne Antwort hat verstreichen lassen. Papierhandel. — Die Lage des Papiermarkts war im letzten Jahre sehr fest. Außer den ständig steigenden Anforde rungen des inländischen Verbrauchs an Druckpapier war auch das Exportgeschäft während eines Teils des letzten Jahres besser. Es hängt dies bis zu einem gewissen Grad mit dem russisch japanischen Krieg zusammen, der den Importbedarf Japans ge steigert hat, da die japanischen Fabriken infolge der Mobilisierung der Mannschaften nicht leistungsfähig waren. Die günstige Lage des Papiermarkts hat in Deutschland zu einer Reihe von Neu gründungen von Fabriken geführt, die sich außerhalb des Kartells halten. Infolgedessen macht sich, wie das »Berliner Tageblatt schreibt, allmählich wieder eine stärkere Produktion am Papier markt fühlbar, durch die die Bedürfnisse des Konsums und des Exports in absehbarer Zeit wohl leichter befriedigt werden dürften. Die Preise werden allerdings gegenwärtig durch das Kartell noch aufrecht erhalten, aber das Kartell klagt jetzt schon darüber, daß ein überstarkes Angebot die »Regulierung der Preise- erschwere. Der Jahresbericht des Syndikats der Druckpapierfabriken enthält darüber folgende Ausführungen: -Nachdem einmal das Syndikat seine Produktionseinschränkung, die es jahrelang hat durchhalten