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sich geeignet war, den G. der Bestrafung zu entziehen. Dah unter »Bestrafung» hier nicht bloß die Verurteilung zu einer Strafe, sondern auch die Vollstreckung der anerkannten Strafe zu verstehen ist, unterliegt keinem Zweifel. 6kr. u. a Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Band XVI Seite 204. Kann demnach eine Vereitelung oder Hemmung der Strafvoll streckung ein »Entziehen» in dem gedachten Sinne überhaupt darstellcn, so läßt sich dies auch in Ansehung erkannter Geld strafen begrifflich nicht ausschließen. Die Natur der Geld strafe besteht darin, daß der Verurteilte eine Vermögens minderung als Strasübel erleiden soll. Ihre Funktion er schöpft sich also nicht in der Begründung einer Geldschuld des Verurteilten gegenüber dem Fiskus als Gläubiger, und die Zahlung dieser Geldschuld schließt deshalb auch nicht unter allen Umständen mit Notwendigkeit zugleich die Tilgung des staatlichen Strafanspruchs durch Vollstreckung der Strafe in sich. Dies kann namentlich in dem Falle nicht anerkannt werden, wo die Vermögensminderung, welche grundsätzlich das persönliche Strasübel für den Verurteilten bilden soll, von letzterem durch einen Dritten vorsätzlich abgewendet wird, indem dieser selbst für ihn den Vermögensnachteil auf sich nimmt. Zahlt jemand die Geldstrafe für den Verurteilten mit einem hierauf gerichteten Willen, so läßt sich nicht in Abrede stellen, daß durch eine solche Handlung die Reali sierung des zuerkannten Strafübels vereitelt, der Verurteilte der Bestrafung entzogen werden kann. Geht man hiervon aus, so wird es für die Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte sich durch die Bezahlung der Geldstrafe für den Redakteur G. einer strafbaren Begünstigung schuldig gemacht hat, wesentlich auf die — vom ersten Richter ganz außer Betracht gelassene — Willensrichtung ankommen, mit welcher er dabei thätig geworden ist. In dieser Beziehung wird zunächst zu prüfen sein, wie der Angeklagte selbst das Ver hältnis ausgefaßt hat, welches zwischen ihm, als Vertreter des auf Herstellung und Vertrieb der Zeitung »V.« gerichteten Unter nehmens, und dem Redakteur G. durch die im Urteil festgestellte Vereinbarung entstanden ist. War er der irrigen Meinung, daß G. dadurch einen Rechtsanspruch auf Zahlung der von ihm verwirkten Geldstrafen aus der Geschästskasse des Unter nehmens erworben hatte, und zahlte er in dieser Meinung zum Zwecke der Erfüllung jenes Anspruchs, so würde weder von einer wissentlichen Beistandleistung, noch von einer Absicht, den G. durch die Zahlung der Bestrafung zu entziehen, gesprochen werden können. War sich der Angeklagte dagegen bewußt, daß das Ver sprechen der Berichtigung der von G. zu verwirkenden Geldstrafen rechtsunverbindlich war, und hat er gleichwohl unter Aus schließung der Absicht, einen Erstattungsanspruch gegen G. zu erwerben, also schenkungshalber für diesen gezahlt, so würde weiter zu untersuchen sein, ob gerade die Vereitelung .der Strafvollstreckung gegen G. das gewollte Ziel seiner Hand lungsweise gebildet hat. Denn hätte der wesentliche Antrieb dazu für den Angeklagten in der Verwirklichung einer ande ren Zweckvorstellung gelegen, so würde allein das Bewußt sein, daß die Zahlung zugleich eine Vereitelung der Realisie rung des dem G. zucrkannten Strafübels zur Folge haben werde, nicht ausreichen, um die subjektiven Voraussetzungen einer strafbaren Begünstigung im Sinne des § 257 eit. zu erfüllen. Ok>. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Band XXlll Seite 105. Kleine Mitteilungen. Verurteilung wegen Veranstaltung einer Lotterie. — Aus Chemnitz, 7. Januar, wird den -Leipziger Neuesten Nach richten» geschrieben: -Der Kaufmann Abraham Albert Strauß in Chemnitz hatte in drei hiesigen Zeitungen ein Inserat einrücken lassen, worin er ankündigtc, daß er in den Monaten Oktober und November an je einem Tage sämtliche bei ihm gemachten Einkäufe vollständig unentgeltlich abgeben werde. Er ver pflichtete sich nämlich, den Käufern, die an den betreffenden zwei Tagen bet ihm Einkäufe bewirken würden, gegen Rückgabe der ihnen beim Einkauf ausgehändigten mit Datum und Kaufpreis versehenen Bons die hiernach gezahlten Preise voll zurückzuerstatten. Die bezüglichen zwei Tage, deren Auswahl er seinem freien Be lieben vorbehielt, sollten später öffentlich bekannt gegeben werden. In diesem Gebühren wurde aber die Veianstaltung einer öffent lichen Lotterie ohne behördliche Genehmigung erblickt und auf Anzeige eines Konkurrenten gegen Strauß sowohl, als auch gegen die Redakteure der -Chemnitzer Neuesten Nachrichten- und des -Beobachter» Anklage erhoben — die in Frage kommende dritte Zeitung war das amtliche Organ, das -Chemnitzer Tageblatt». Das Gericht verurteilte Strauß zu 50 ^ und die beiden Redakteure zu je 10 ^ Geldstrafe.» — Der hier mitgeteilte Fall hochgradiger Konkurrenz trifft unseres Erachtens auch auf eine Anzeige der Commandit-Gesellschaft -Ger mania» in Berlin zu. Diese kündigte im -Berliner Lokal-Anzeiger» vom 14. November 1897 unter der Ueberschrist: -Bücher umsonstl- gleichfalls ein Reklamemittelchen an, das sich von einer Lotterie nicht unterscheidet. Da in diesem Falle ein Notar beteiligt ist, so ist anzunehmen, daß diese Lotterie die Genehmigung der Behörde er halten hat. Es wäre jedenfalls interessant, hierüber Genaues zu erfahren. Wir haben von diesem seltsamen Geschäftsbetrieb im Börsenblatt vom 18. November v. I. (Nr. 268) Mitteilung gemacht. Falsches Geld. — Die Nationalzeitung mahnt in folgendem zur Vorsicht: -Es dürfte von allgemeinem Interesse sein, zu ei fahren, daß in Deutschland silberne Rubelstücke in Umlauf sind, die in ihren Größenverhältnissen den Thalerstücken - so ähnlich sind, daß zufällige oder beabsichtigte Verwechselungen sehr leicht Vorkommen können. Schon sind Fälle bekannt geworden, in denen zweifellos betrügerischer Weise Rubelstücke für Thaler in Zahlung gegeben worden sind; Vorsicht erscheint mithin empfehlenswert; denn die Rubelstücke haben nur einen Wert von 2 ^ 16 H.» Zeugniszwang gegen einen Druckerlehrling. — Dem Leipziger Tageblatt wird aus Graudenz vom 9. Januar folgen des mitgeteilt: -Der Druckerlehrling Kurzynski von der -Gazeta Grud- ziadzka-, der seiner Zeit dem Untersuchungsrichter des Landgerichts Graudenz den Namen des Verfassers eines Artikels nicht angeben wollte, ist in eine Geldstrafe genommen worden. Wie seiner Zeit gemeldet, hatte der Lehrling auf Befragen vor Gericht erklärt, er wisse, wer den inkriminierten Artikel geschrieben habe, er könne aber den Namen des Verfassers nicht nennen, da er sich sonst als einen Lumpen betrachten müsse. Kurzynski ist vorläufig zu 10 .F Geldstrafe, epentuell sechs Tagen Hast, verurteilt worden. Nennt K. nach dieser Verurteilung den Namen nicht, so wird die Stiase progressiv erhöht.- (IV. U.) Aus Rußland. — Das Finanzministerium hat zur Förderung der Kenntnis der russischen östlichen Grenzländer Schil derungen des Amurgebietes und der Mandschurei herausgegebcn; das nächste Werk soll über Korea handeln. — M I. Tschaikowskij schreibt eine ausführliche Biographie seines verstorbenen Bruders, des berühmten Komponisten, nach dessen Tagebüchern. — Von W. Maximow wird eine Fortsetzung von Karamsins Russischer Ge schichte angekündigt; es soll eine populäre Geschichte des 17., 18. und 19. Jahrhunderts in zwölf Bänden werden. — Leo Tolstojs neuestes Werk über die Kunst wird sehr bald und zwar gleichzeitig russisch und englisch erscheinen. Es enthält ungefähr zwanzig Kapitel und beginnt in der nächsten Nummer der russischen Zeitschrift -Fragen der Philosophie und Psychologie.» — Der Slawische Wohlthätigkcits- verein beschloß zum fünfzigjährigen Dienstjubiläum des Generals M. G. Tschcrnjajew, eines der hervorragendsten Kämpfer im serbisch türkischen Kriege zur Befreiung der slavischen Völker vom türkischen Joche, eine Geschichte dieses Krieges herauszugeben. — Im Januar erscheint der erste Band von Puscbkins Werken, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften unter der Redaktion von L. N. Maikow. — Bei M. O. Wolfs in St. Petersburg und Moskau wird eine neue, vollständige Ausgabe von H. Heines Werken in Uebersetzungen russischer Schriftstellcr in 18 Bänden erscheinen. — In nächster Zeit sollen Gesamtausgaben der Werke von K. K. Slutschewskij (3 Bände Verse und 3 Bände Prosa) und von Wse wolod Krestowskij, dem Verfasser von -Petersburger Spelunken-, erscheinen. — Die Herausgeber des Sammelwerks -Brüderliche Hülfe für die in der Türkei leidenden Armenier» zeigen an, daß sie 13000 Franken an den armenischen Patriarchen in Konstan tinopel abgefandt haben. — Ein Herr Kugel will ein illustriertes Lexikon der zeitgenössischen Bühnenkünstler (Drama, Oper und Operette), Musiker, Komponisten, dramatischen Schriftsteller, Theater- kritikcr und Rezensenten herausgeben. — Die alte russische Gesell-