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1452 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 27, 3. Februar 1909. Werke im Berichtsjahr fast ganz gefehlt hat; dagegen war die Nachfrage nach den billigeren Romanen und Novellen die frühere. Die Warenhäuser schädigen das Sortiment ziemlich empfind lich, zumal sie sich sehr mit Artikeln des Restbuchhandels befassen. Das hat zur Folge, daß ein großer Teil der Sortimentsbuch- handlungen ebenfalls diesen Zweig ausgenommen oder bedeutend erweitert hat. Der Restbuchhandel ist dem Absatz der guten neuen Literatur natürlich sehr hinderlich, da das Publikum sich nur zu oft bestechen läßt und zu den im Preise herabgesetzten, meistens inhaltlich minderwertigeren Büchern greift. — Sehr erschwert wird die Arbeit durch den zunehmenden Mangel an brauchbaren tüchtigen Gehilfen für den Sortimentsbetrieb. Das hat seinen Grund zum großen Teil darin, daß eigner geringer Gewinn dem Sortimenter nicht gestattet, genügend hohe Gehilsengehälter zu bezahlen. Wirklich tüchtige Gehilfen wenden sich daher sehr bald dem Verlage zu, der besser bezahlen kann und es meisten teils auch tut, oder suchen außerhalb des Buchhandels Unterkunft. Die Wirkungen dieses Mangels an tüchtigem Nachwuchs, der nun schon Jahrzehnte beobachtet wird, machen sich überall im Buch handel fühlbar. Beachtenswert ist der Zusammenschluß der Inhaber von Journallesezirkeln zu einem Verein, welcher den Zweck verfolgt, die Preisunterbietungen in diesem Zweige des Buch handels zu verhindern. Da sämtliche größeren Lesezirkel dem neuen Verein angehören, so ließen sich die neuen allgemeinen festen Preise schon zum 1. Januar 1909 einsühren. Merklich verschlechtert hat sich leider das Verhältnis zwischen Verlag und Sortiment, weil dem drängenden Verlangen des Sortiments nach Erhöhung des Verlegerrabatts nicht so entsprochen worden ist, wie es gefordert wird. Das Antiquariat in Leipzig hat ein ruhiges Jahr hinter sich. Während sich der Absatz in Deutschland und in Europa im all gemeinen gesteigert hat, hat sich die Krisis in Amerika Wohl bei allen Firmen, die dahin Beziehungen haben, mehr oder weniger bemerkbar gemacht und bei den Firmen, die mit kostbaren Manu skripten, Inkunabeln und Seltenheiten überhaupt handeln, zu bemerkenswerten Ausfällen in Umsatz und Erträgnis geführt. Trotz dieses Umstandes sind im Jahre 1908 wieder umfangreiche Bibliotheken und Manuskriptsammlungen fürs Lager gekauft worden, in der sesten Überzeugung, daß die Besserung bereits angefangen hat oder bald einsetzen muß. Beginnen doch Absatz gebiete, die in den vorhergehenden Jahren durch Krieg und seine Folgen nur schwachen Bedars hatten (England, Rußland, Japan) sich auf den alten Standpunkt emporzuarbeiten. — Gute und seltene, besonders frühe Erzeugnisse der Buchdruckerkunst und der verwandten Gebiete haben trotz der oben angedeuteten Umstände sowohl im An- wie im Verkauf eine steigende Tendenz beibehalten. — Die im vorigen Jahresberichte beklagten Erschwer nisse bei den Bücher-, Autographen- und Kunstauktionen sind in dankenswerter Weise durch Verfügung des Königlich Sächsi schen Ministeriums des Innern vom 24. April 1908 für die be teiligten Leipziger Firmen aufgehoben worden. Ter Miisikalienliandel leidet noch immer an ungenügend geordnetem Verhältnis zum Publikum. Zwar ist im Berichtsjahr ein neuer Schritt zur Beseitigung des Kundenrabatts getan, aber ganz glaubte man ihn noch nicht abschasfen zu können. — Empfindlich getroffen wurde der Leipziger Musikalienhandel in seinem schon lange währenden Kaiupse gegen die Warenhaus- Schleuderei durch das Vorgehen einer hiesigen Firma, die dem Schleudern durch noch schlimmeres Schleudern entgegenarbeiten wollte. Sie veranlaßte hierdurch die Einberufung von außer ordentlichen Versammlungen sowohl des Lokalvereins, wie des Vereins der deutschen Musikalienhändler, gerade während der lebhaftesten Geschäftszeit im Winter. Das Ergebnis waren ziem lich scharfe Beschlüsse, insbesondere gegen Verleger und Hinter männer, die sich als Vermittler eines als unaufrichtig geltenden Handels hergeben. In dieser Beziehung richten sich die Hoff nungen aus das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, dessen Entwurf der Bundesrat jetzt die Zustimmung erteilt hat. Freilich, so lange es Firmen gibt, die des augenblicklichen Vor teiles halber ihre Originale für billige Warenhausalbums her geben oder gar zweierlei Ausgaben Herstellen, eine teuere für das Sortiment und eine billigere für das Warenhaus, aber beide von denselben Platten und wohl auch aus gleichem Papier (eins etwas mehr beschnitten als das andere) gedruckt, ist schwer aus Besserung zu hoffen. Der Absatz besserer Salon- und guter Konzertmusik geht immer mehr zurück; die Nachfrage neigt vorwiegend Wiener Operettcnmusik und Berliner Gassenhauern zu. Die Dollar prinzessin von Leo Fall ist jetzt oben aus, insbesondere »Wir tanzen Ringelreih'n« und »Dollar-Walzer«. Die Vorliebe des Publikums zeigt sich auch in der Zahl der Ausführungen. Nach der statistischen Übersicht für 1907 von Breitkops L Härtel wurde ausgeführt (in runden Zahlen) Richard Wagner 1700 mal, Johann Strauß 1300 mal, Verdi und Lortzing je 700 mal, Mozart 500 mal, LehLr (Lustige Witwe) 3000 mal. Der Absatz der leichteren Orchestermusik, die vorwiegend unter der Bedingung »nur wenn aussührungsfrei« verlangt wird, leidet unter dem Druck der Autorengenossenschast. Die bezüglichen Verleger haben sich nach wie vor nicht angeschlossen. Auch der deutsche Saalbesitzertag beharrt laut Beschluß in seiner ablehnenden Haltung gegen die Genossenschaft deutscher Tonsetzer. — Durch die jüngst in Berlin erneuerte sog. Berner Übereinkunft, ist eine Schutzfrist von fünfzig Jahren vereinbart worden, sofern die Schutzsrist des einzelnen Landes nicht kürzer ist. Dadurch wird für Deutschland die Frage der Verlängerung von dreißig auf fünfzig Jahre von neuem angeregt; der Musikalienverlag ist im allgemeinen dafür, der Buchverlag dagegen. Bei der Haltung der Musikalieuverleger scheint noch zu wenig daran gedacht zu werden, daß eine Ver längerung der Schutzsrist, wenn es dazu kommen sollte, zu gunsten der Autoren, nicht der Verleger erfolgen wird und daß die Verleger, die Rechte gegen Pauschsummen erworben haben, nicht etwa glauben dürfen, daß die Pauschsumme ohne weiteres für die Zeit der Verlängerung gelten wird. — Nachdem in dem Gesetz über Urheberrecht von 1901 endlich der Schutz der Me lodie errungen worden ist, wird dieser Ersolg durch die Ent wicklung der modernen Musik insofern in Frage gestellt, als in ihr die Melodie dem melodischen Thema gewichen ist. Das Landgericht zu Leipzig hat kürzlich, auf ein Gutachten der Sach verständigenkammer gestützt, i» einem Prozeß um vermeintlich ungerechtfertigte Benutzung einer »Melodie« aus dem »»Helden leben« von Richard Strauß entschieden: ... Vom Standpunkte der musikalischen Konipositionslehre ist weder das Hauptthema noch das Widersacherthema eine »Melodie«; niag man das Haupt thema des Heldenlebens ein melodisches Thema nennen, eine Melodie bildet es nicht und in direktem und bewußtem Gegen satz zur Melodie steht das Widersacherthema...« Ein anderer Vorgang, der vielleicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, ist die Ausgabe eines Sammelwerkes ohne Ladenpreis. Der Ver leger stellt nur einen Minimalverkaufspreis (von 3 .((> aus und überläßt es dem Sortimenter ihn nach oben, aber nicht nach unten zu verändern. Bei Bestellung vor Erscheinen erhält der Sortimen ter von dem Minimalverkausspreis 33^ Prozent Rabatt, später nur 25 Prozent und erst bei Bezug von süns Exemplaren ein und desselben Bandes wieder 33^, Prozent. Da die dem Sorti menter gestattete Übererhöhung des Verkaufspreises selten durch- sührbar ist, so wird freilich tatsächlich der Minimalverkausspreis der wirkliche Ladenpreis sein. Der Leipziger Kommission«-Buch Pandel stand zu Anfang des Jahres 1908 unter dein Druck des damals noch ungewöhnlich hohen Diskontsatzes und lähmender Geldknappheit. Frühjahr