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4136 Börsenblatt d. Dtsch». Buchhandel. Nichtamtlicher Teil, 84, 10. April 1908. Der Antiquar kann nie oder doch nur in ganz vereinzelten Fällen darauf rechnen, eine Bibliothek auszuverkaufen. Er muß gewärtig sein, nur einen Teil der Bibliothek in kurzem zu verkaufen, einen weiteren Teil später, einen andern Teil niemals. Er mutz also mit dem Teil rechnen, den er beim ersten Katalogdruck verkauft, und daraus seinen Einkaufs preis und womöglich einen Nutzen herauswirtschasten. Was übrig bleibt, wird später vielleicht verwertet; diese Verwer tung erfordert aber Zinsen, Arbeit und Spesen, namentlich für erneuten Katalogdruck und darf deshalb nicht mehr viel kosten. Welchen Bruchteil des Verkaufspreises der Antiquar zahlen kann, läßt sich nicht allgemein sagen, da dies bei den verschiedenen Werken verschieden ist Er richtet sich nach der größeren oder geringeren Ve.kaufswahrscheinlichkeit. Es gibt Bücher, die, vulgär ausgedrückt, wie die warmen Semmeln abgehen; es gibt andre, die man nur gelegentlich verkauft. Danach wird der Prozentsatz, den man zahlt, sich richten müssen. Handelt es sich um die Bibliothek eines berühmten Mannes, so wird man den Namen extra bezahlen können. Erfahrungsgemäß verkauft man aus Katalogen, die an ihrem Kopf einen bekannten Namen als Vorbesitzer der verzeichnten Bücher tragen, erheblich besser und auch teurer, namentlich wenn man hinzusetzen kann, daß die Bücher durch die Bank gut erhalten und schön gebunden sind, vielleicht auch die handschriftliche Eintragung oder das Exlibris des Vorbesitzers haben; daß der Katalog Geschenkexemplare mit handschrift lichen Widmungen enthält, und dergleichen. Allgemeine Regeln lassen sich hierüber nicht aufstellen; Takt und Erfah rung des Antiquars sind hier alles. Ein Unterschied wird bei der Bewertung solcher Biblio theken zu machen sein, die wesentlich Zeitschriften, größere Werke und teurere Bücher umfassen, und solchen, bei denen vielleicht ganz verkäufliche, aber gering im Preise stehende Bücher die Mehrzahl bilden. Elftere Bibliotheken können teurer bezahlt werden als letztere, selbst wenn der Verkaufs wert nicht höher ist, da sie erheblich weniger Arbeit und Spesen, namentlich Katalogspesen, verursachen. Vielfach wird im Antiquariat beim Ankauf nicht be dacht, wie hoch sich die Spesen für die Verwertung einer bestimmten Büchermasse belaufen, und es gibt manchen alten und erfahrenen Antiquar, der darüber nicht im klaren ist. Meiner Erfahrung nach belaufen sich diese Spesen ein schließlich Katalogdruck auf 50 Prozent des Einkaufspreises, bei Sammlungen, die wesentlich teurere Bücher enthalten, vielleicht etwas weniger, bei billigen Büchern aber sicher mehr. Wer darauf bei Ankäufen nicht achtet, kann leicht zu Schaden kommen. Eine sehr wichtige, aber sehr zeitraubende Arbeit ist das Lesen fremder Kataloge. Diese Arbeit ist notwendig, einmal weil man doch häufig Bücher in den Katalogen zu Preisen findet, die niedriger sind, als diejenigen, die man erzielen kann, dann aber auch, um sich über die Preisstellung der andern Antiquare auf dem laufenden zu erhalten. Auch das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel muß der Antiquar lesen. Die Rubrik »Gesuchte Bücher« muß ebenso sorgfältig durchgesehen werden wie die der an gebotenen. Man verkauft dadurch manches Buch, das man schon recht lange auf Lager hat, zu annehmbarem Preise, und man erwirbt auch manches, auf das man schon lange gefahndet hat. Allerdings darf diese Arbeit nicht, wie es vielfach geschieht, einem Lehrling anvertraut werden, da es nicht vorteilhaft ist, die Ansatzpreise in jedem FMe ^ halten. Der erfahrene Antiquar, der ein Buch anbietet, von dem er weiß oder annehmen kann, daß auch andre Anti quare ein Angebot machen werden, wird den Verkauf durch einen billigen Preis herbeizuführen suchen, ebenso wird er billiger anbieten, wenn sich von einem Buche sehr viele Exemplare auf dem Lager angesammelt haben; er wird aber auch häufig ein Buch höher als angesetzt offerieren, von dem er weiß, daß es allerdings schwer verkäuflich, aber auch selten zu finden ist. Aber auch noch andres kann der aufmerksame Antiquar aus dem Studium der Gesuche entnehmen. Wird ein be stimmtes Buch von verschiedenster Seite gesucht, so ist die Vermutung, daß das Buch beim Verleger vergriffen ist, naheliegend. Aber auch gewisse Kundenpraktiken werden dem Antiquar durch das Verzeichnis gesuchter Bücher offenbar werden. Häufig wird eine Anfrage eingelaufen sein, wie der Antiquar die und die Bücher antiquarisch liefern könne. Er wird dann im nächsten Börsenblatt — wenn er noch jung ist, zu seinem Erstaunen, später ohne diese Gemütsbewegung — diese Bücher von fünf bis sechs Firmen gesucht finden. Er wird dann wissen, daß er sich die Mühe, den Kunden zu befriedigen, sparen kann. Auch die andern Teile des Börsenblatts zu lesen, darf der Antiquar nicht versäumen. Will er nicht empfindliche Verluste erleiden, so muß er die Neuerscheinungen aufmerksam verfolgen, — auch dann, wenn er lediglich Antiquar ist. Er muß wissen, wenn ein bis dahin gesuchtes, teuer bezahltes Buch durch ein neues entwertet wird; er muß wissen, welchem Buche eine neue Auflage bevorsteht und welche die neueste Auflage eines Buches ist. Dazu ist ein aufmerksames Studium des Börsenblatts unbedingt erforderlich. Außer den Bestellungen auf vorhandene Werke seines Lagers nimmt der Antiquar auch Anträge auf die Besorgung antiquarischer Bücher entgegen. Es können dies Bücher sein, die noch im Buchhandel zu haben sind, die dem Kunden neu aber zu teuer sind, und auch solche, die vergriffen sind. Der Beschaffung solcher Desiderata sollte der Antiquar die größte Sorgfalt zuwenden; abgesehen von dem nicht un erheblichen Nutzen, den dieses vollkommen risikolose Geschäft abwirft, fesselt nichts den Kunden mehr an ein Geschäft, als die Erfüllung solcher Wüniche. Hat der Antiquar noch Glück — und auch dies gehört sehr wesentlich zum Betriebe des Antiquariats — und er beschafft dem Kunden ein Buch, nach dem dieser bisher vergeblich gefahndet hat, so ist im allgemeinen der Kunde auf die Dauer gewonnen. Aller dings gibt es auch undankbare Kunden, wie es überhaupt undankbare Menschen gibt; doch sind sie nicht in der Mehr zahl. Auch in der Preisbemessung sei man gerade bei De sideraten nicht unbescheiden; nichts verbittert einen Kunden mehr, als wenn er sich übervorteilt glaubt in einem Falle, in dem er Vertrauen gezeigt hat. Eine Vorsicht übe man bei der Annahme solcher De siderata. Man vergewissere sich, ob der Kunde auch den Wert des Buches kennt und ihn zu zahlen bereit ist. Es gibt Personen, die glauben, auf diese Weise ein Werk, das 50 ^ wert ist, für 10 erlangen zu können; in diesem Falle ist es besser, von der Annahme des Auftrags abzu sehen. Womöglich lasse man sich Preise limitieren, zu denen man das Buch liefern darf; sehr häufig wird der Kunde darauf eingehen; jedenfalls aber verlange man, daß der Be steller den Auftrag eine bestimmte Zeit als fest betrachte. Andernfalls ist es immer geratener, davon abzusehen; man wird Mühe und Jnseratkosten sparen. Auch für die Beschaffung solcher Desiderata kann man der Kenntnisnahme fremder Kataloge und des Börsenblatts nicht entraten; man wird bei gutem Gedächtnis — und ein Antiquar ohne ein solches ist ein Maler ohne Arme — häufig aus der Erinnerung heraus einen Besteller be friedigen können. Endlich komme ich zur Besprechung einer Antiquar arbeit, die man nicht zu den angenehmen rechnet, die aber ebenso notwendig ist, wie sie Kenntnisse und schnelle Ent-