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114, 18. Mai 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 8101 troffenen Teile der Landschaft inmitten der düster gestimmten Umgebung in erhöhtem Glanz zu zeigen. Die eilig über den Erdboden huschenden Schwalben beleben diese herrliche, von geradezu monumentaler Auffassung erfüllte Natur schilderung, in der als farbige Gegensätze Gelbgrün und Violett eine überraschende malerische Wirkung erzeugen. Ein andres Bild Haueisens gibt die Stille und Schwüle eines sonnigen »Sommertages« in einer von Kühen belebten Land schaft wieder, in deren Vordergrund, in der Nähe eines Kühle verbreitenden Teiches, der auf grünem Rasen lagernde Hirten bub und ein kleines Mädchen sichtbar sind. Weniger glücklich war der Künstler bei seiner Landschaftsdarstellung »Nach dein Gewitter«, wo der Sonnenball in strahlender Helle siegreich das Gewölk durchbricht Dieser Versuch, den leuchtenden Sonnenkörper bildlich wiederzugeben, ist ja nicht der erste und wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht der letzte bleiben, denn immer wieder wird sich ein Künstler daran wagen, diesen Vorwurf im Bilde festhalten zu wollen. Aber schließlich wird jeder, der das direkte Sonnenlicht im Bilde zur Erscheinung zu bringen trachtet, aufs neue einsehen müssen, daß alle Helligkeit der Pigmente und alle farbigen Gegensätze nicht ausreichen, um den blendenden Glanz des unverdeckten Sonnenballs hervorzurufen. Ein annäherndes Bild von der hinter dem Horizont versinkenden, oder über diesem aufgehenden Sonne hat ja schon mancher malerisch zum Ausdruck zu bringen gewußt. Da bei dieser Stellung der Sonne zur Erde das Licht gebrochen durch trübe Dunstschichten hindurchscheint und Farbengegensätze in sich schließt, die wiederzugeben nicht zu den Unmöglichkeiten zählt, so ist manchem die Aufgabe gelungen. Diese Erfahrung hat Hans von Volkmann beherzigt und das goldige Licht der scheidenden Sonne in seinem »Erntesegen« zu einem wunder vollen Klang gesättigter Farbengebung gemacht. Wie das Licht über das von reifen Garben bestandene Stoppelfeld und den in der Ferne sichtbaren Wald hinflutet, ist sehr schön zur Erscheinung gebracht. Zwei vortreffliche Tierstücke hat R. A. Jaumann geschaffen, die »kämpfende Hirsche« im Walde und Adler bei der Beute im »Hochgebirge« ver anschaulichen. Die beiden, nur mit etlichen Tönen kolorierten Blätter, die die Lokalfarben nur andeuten, weisen nicht den kräftig dekorativen Charakter der übrigen Blätter auf und nehmen den eigentlichen Wandschmuckbildern gegenüber eine Sonderstellung ein, obgleich ihr Zweck der gleiche, wenn auch ihre Art eine andere ist. Aus der in kleineren Formaten gehaltenen Kollektion von Künstler-Steinzeichnungen sei hier auf das koloristisch feine Architekturstück vom b'ornm llonn»- nuw, das Max Roman ausgeführt hat, hingewiesen. Eine Auswahl prächtiger Blätter hat B. G. Teubner ausgestellt, von denen wir die ebenso Poesie- und farben reichen wie charaktervollen Bilder: »Abend« von K. Bantzer, »Vor der Kirche« von F. Burger und »Letztes Leuchten« von H. W. Wieland schon vor einiger Zeit Gelegenheit hatten an dieser Stelle zu besprechen. Unter den neuesten Blättern, die namentlich einige vorzüglich gelungene Land schaftsschilderungen bringen, ragt besonders hervor der groß erfaßte und in einem wundervollen Dreiklang von Grau, Violett und Grün austönende »Herbstabend« von G. Kampmann mit der glänzenden Mondsichel am dämmernden Abendhimmel. Mit wie einfachen Mitteln Kampmann ein schlichtes Naturmotiv zur Anschauung zu bringen weiß — einen weiten Wiesenplan, aus dem sich einige bewaldete Bergkuppen in die wie von grauen Schleiern ge dämpfte Luft erheben — und das Ganze zu einem Land- schaftsbild von eindringlichster und nachhaltigster Wirkung erhebt, das ist bewundernswert. Der feine, weiche Stimmungsgehalt in Verbindung mit der großzügigen Linienführung hat Kampmanns Darstellung zu einer inhalt- Börsinblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. vollen Naturschilderung von unbeschreiblicher Eigenart ge staltet. Einen verwandten Charakter in der Richtung in timer Naturbeobachtung zeigen die schönen Landschaften: »Winterabend« und »Waldwiese« von A. Schinnerer, das im goldigen Abendlicht erglänzende »Dorf in Dünen« von W. Strich-Chapell und das gemütvolle Dorfmotiv »Mondnacht« mit dem einladenden Wirtshaus, aus dessen Fenstern noch Lichtschimmer hervordringt. In dekorativer Hinsicht interessante Lösungen bieten die einem idyllischen Landstädtchen zusteuernde »Postkutsche« und das reizende »Tiroler Dörfchen« von W. Georgi; aber ich glaube, daß diese beiden Bilder noch wesentlich gewonnen hätten, wenn in ihnen der Luftperspektive etwas mehr Rechnung getragen worden wäre, die Kampmann in seinen Darstellungen in so unübertrefflicher Weise zu einer wahrhaft großartigen Raumentfaltung auszunutzen versteht. Dagegen, wie diese Motive von Georgi gesehen und gezeichnet sind, läßt sich gewiß nichts einwenden,- aber der Mangel an Tiefen entwicklung ist eine Beigabe, die man gern missen möchte. — Der Drachentöter »Sankt Georg« hat durch W. Süß eine höchst stilvolle Darstellung in monumentaler Auffassung erhalten. In scharfer, großliniger Silhouette setzt sich die Hauptgruppe von lichten Wolkenpartien ab. In den »Bunten Blättern« in Form kleinerer Steinzeichnungen für den Schmuck kleiner Wandflächen hat A. Bendrat in seinen farbenfrischen Ostmarkenbildern eine ungemein reizvolle Sonderserie geschaffen, die: »Sankt Marien in Danzig«, die »Jakobikirche in Thorn«, »Die Marienburg« und die »Ordenskomturei Marienwerder« enthält und uns höchst malerische alte Bauwerke der Backsteinarchitektur veran schaulicht. Mit trefflichen neuen Blättern sind ferner ver treten: Genzmer, Liebermann und Munscheid, sowie E. Rehm-Vietor mit seinen humorvollen und poetischen Kinderfriesen: »Schlaraffenland«, »Englein zur Wacht« und »Englein zur Hut«. Daß in weiten Schichten unsers Volks ein ausgesprochenes Verlangen nach künstlerischer Kultur vorhanden ist, geht auch daraus hervor, daß die Original-Lithographie der neueren Zeit eine Aufnahme gefunden hat wie einst die Holzschnitte im 15. und 16. Jahrhundert. Daher ist es auch erklärlich, daß noch weitere Verlagsfirmen sich bereit gefunden haben, diesem Verlangen Rechnung zu tragen. Hierher gehören u. a. auch die künstlerischen Darbietungen dieser Art, die uns Fischer L Franke in Berlin vermitteln. In ihrer aus schließlich aus Bildern kleineren Formats bestehenden Kollektion haben sich ganz vortreffliche Künstler betätigt und eine Reihe fein empfundener, tonschöner Blätter entstehen lassen, von denen die von E. Nikutowski gebotenen drei Motive: »Neckarstädtchen«, »Ein deutsches Herrenschloß« und »Aus dem alten Hamburg« besondere koloristische Feinheiten bergen. Neben andern sind stimmungsvolle Natur schilderungen und Tierstücke von Carl Kayser-Eichberg, Wilhelm Stumpf und W. Schacht zu finden, während Ernst Würtenberger mit einem Bildnis-Zyklus ver treten ist, der u. a. auch mit markigen Strichen gezeichnete Porträts von Schiller, Gottfried Keller, Hans Thoma und Böcklin bringt, freilich nicht alle auf gleicher Höhe in Durch bildung der Form und Charakterisierung. Die ansprechenden Wandschmuck - Publikationen von F. E. Wachsmuth-Leipzig tragen vorwiegend reproduktiven Charakter und sind von mir bereits an andrer Stelle erwähnt worden. Neu auf diesem Gebiet sind Darbietungen von C. C. Meinhold L Söhne - Dresden, dreiteilige Märchen bilder, von denen die »Hänsel und Gretel«-Darstellung von Wilhelm Claudius zweifellos das bestgelungene Blatt ist. Neben den in großer Zahl vorhandenen Steinzeichnungen ist auch eine Anzahl Radierungen zu sehen, unter denen 667