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pulsmtzerMMMtt Dienstag, 18. Februar 1913. Beilage zu Nr- 21. 65. Jahrgang. Seneral Versammlung des vunvss der Landwirts. Die Generaloersammlung der Bands« der Land wirte, die gestern Montag im Zirkus Basch stattfand, war von mindesten» 7000 Personen besucht, iodaß der Zirka» schon eine Stunde vor Beginn polizeilich ge sperrt werden mußte. Der Vorsitzende de» Bunde», Frhr v. Wangenh eim-Klein Spiegel eröffnete die Generalversammlung, indem er es beklagte, daß in den landwirtschaftlichen Zollschutz au» Anlaß der angeb. lichen Fleischnot Bresche gelegt worden sei. Eine Fleischteuerung sei wohl vorhanden, aber keinerweg» eine Fleischnot. (Zurufe: Sehr richtig!) Der Redner erwähnte ferner da» zersetzende Element im deutschen Volke. Er wie» auf die Rede deS Landwirtschaft»- Minister» im Lande»ökonomiekollegium hin und be merkte: „Auf den Landwirtschaft-Minister können wir un» verlaffen/ Viel höher aber stehen die Ausfüh rungen de» Kaiser» im Deutschen Landwirtschaft»rat. Der Redner schloß mit einem dreifachen Hoch aus den Kaiser, die deutschen Bunderfürsten und die freien Städte. Die Versammlung sang: „Heil dir im Sie gerkranz.' Es wurde sodann beschlossen, ein Telegramm mit dem Gelöbnis der Treue an den Kaiser abzusen- den. Auch an die Prinzessin Viktoria Luise wurde au» Anlaß ihrer Verlobung ein Glückwunschtelegramm ge- sandt. — Im weiteren Verlauf der Versammlung be merkte der BundeSvorsttzende l)r. Röstcke-GierSdorf: Der Bund habe an der vor 20 Jahren erlangten Wirtschaftspolitik festgehalten, und die Regierung sei allmählich auf den Standpunkt gekommen. Der Bund müsse an dem landwtrschaftlichen Zollschutz festhalten; auch die Futtermittelzölle dürfen nicht erniedrigt wer- den. — Der Bundesdirektor vr. Diederich.Hayn erstattete sodann den Geschäftsbericht und spann den vom Vorredner behandelten Gedanken weiter. Trotz aller Verleumdungen und gemeinen Lügen, die dem Bund der Landwirte vom Hansabund, dem Deutschen Bauernbund und von der gesamten Linken, tn»beson- dere aber von der Sozialdemokratie zugefügt werden, habe der Bund im vergangenen Jahre 6000 neue Mitglieder gewonnen. Das sei ein Beweis dafür, daß der Bund unter den Landwirten an Boden gewinne. Der Bund könne einer eventuellen Auflösung de» Land, tage» mit Ruhe entgegensetzen. Aus Aufforderung de» Redners stimmte die Versammlung die erste Strophe de» Liede» „Deutschland, Deutschland über alle-" an. — Ueber das Thema: „Die politische Lage unter besonderer Berücksichtigung der preußischen Land, ragrwahlen" referierte der Landtag»abgeordnete Ritter- gutSbesttzer von Oldenburg. Januschau. — Eine vom Vorstande oorgelegte Resolution wurde angenommen In dieser Resolution heißt e«: „Mit Sorge erfüllt uns der Gang der inneren Politik deS Reiche». Wir sehrn, wie die Demokratisierung auf fast allen Gebieten der Gesetz, gebung und de» öffentlichen Lebens Fortschritte macht, wie der größte Teil des Liberalismus im Kampfe ge- gen rechts, im Haschen nach der Gunst der Massen immer mehr demokratische Forderungen aufnimmt, wo- mit er lediglich der Sozialdemokratie Vorspann leistet. Wir sehen, wie unsere Regierungen oic Gefahren dieser Entwicklung nicht zu erkennen scheinen, c» nicht ge- wahr werden, daß die Sozialdemokratie zusehends einen Staat im Staate bildet und mit ihrem TerroriSmu» eine Position nach der anderen im Staate erobert, so- wohl im wirtschaftlichen Leben, in Stellungen, Aemtern und Mandaten. — Ein Antrag aus Erhöhung der Bunde»beiträge wurde angenommen. Nach einigen weiteren Ansprachen wurde die Generalversammlung de» Bunde» der Landwirte geschlossen. OsrtNcbes unv Sücbsisckes. — (Ueber Vereins. undFe st berichte) er- läßt eine Zeitung»verleger-Vereinigung in Sachsen eine Veröffentlichung, von der wir Nott- nehmen, da die angeführten Uebelstände auch uns nicht fremd sind. In dem Artikel heißt eS: Die Tageszeitungen werden ost interpelliert, wie e» kommt, daß derartige Berichte in ganz verschiedenem Maße und Umsang, kürzer oder länger zum Abdruck gelangen, ja, daß von mancher „auch al» öffentlich" zu betrachtenden Veranstaltung kein Wort gebracht wird. — Nun denn: In erster Linie kommt doch in Betracht, welche Bedeutung da» eine oder andere Fest usw. für die Oeffentlichkett hat, und darin muß man einer Zeitungsredaktion ein Urteil -»trauen. Zweitens kommt eS darauf an, daß «ine Redaktion auch Kenntnis von Abhaltung der artiger Veranstaltungen hat. ES ist schon dagewesen, daß man uns zumutete, die Redaktionsfeder solle Ver- einSseste bearbeiten, von denen weder ein Redaktion». Mitglied noch die Mitarbeiter von Verlag und Druckerei der Zeitung ein Sterben»wörtletn wußten, da man bei Vorbereitung der Feste, bei Herstellung der ersor. derlichen Drucksachen die Offizin der Zeitung völlig ignorierte — ja nicht einmal durch ein Inserat be- kannt gegeben wurde, daß die» oder jene» „lo»" sei! Da die Herausgabe einer Zeitung einen umfangreichen und kostspieligen Mitarbeiterstab an technischen Hilfs kräften gebraucht, um auch die umfangreichsten Zei. tungSnummern pünktlich Herstellen zu können, müssen die provinzialen ZeitungSdruckereien im ganzen Land darauf bedacht sein, auch mit der H er stell» n g von Vereins-Drucksachen usw. betraut zu werden. E» ist daher sehr naheliegend, daß in vielen Fällen die Zeitungen nicht denen ihre unentgeltliche redaktio- nelle Arbeit aufzwinzen können, von denen sie vorher bei der Verteilung von Aufträgen ignoriert wurden! Da» Verlangen, die Drucksachen der Buchdruckeret der. jenigen Zeitung zuzuweisen, die am nächsten Tag einen Bericht über dar Verein-Vergnügen usw. bringen soll, ist wohl selbstverständlich. Und noch ein«: Der Redaktion ist e» einfach unmöglich, alle Veranstaltungen und Feste zu besuchen. Wenn sich dann au» der Mitte de» Verein» nicht jemand findet, der die Zeitung mit den erforderlichen Unterlagen versorgt, kann sie auch keinen Bericht bringen. Mitarbeiter sind un» aber selbstverständlich jederzeit willkommen. — (Da» Evan g.-lutherische Lande», konsisto riu m) hat im Einverständnis mit dem Ministerium de» Innern angeordnet, daß, wenn in einem Lrichenzuge Kränze mit roten Schleifen oder sonstige demonstrative Abzeichen getragen werden, und am Grabe niedergelegt werden sollen, diese roten Kranzschleifen und demonstrativen Abzeichen auf jeden Fall zu entfernen sind, bevor der Leichenzug den kirch- lichen Gottesacker betritt. Sollten sie dennoch am Grabe niedergelegt werden, hat sie die FriedhosSverwaltung sofort zu entfernen, ohne Unterschied, ob die roten Schleifen mit Flor verhüllt sind oder nicht. Um sol- chem Vorgehen den erforderlichen Nachdruck zu geben, kann nicht nur der durch die Verordnung vom 16. November 1907 gewährte Strafschutz, sondern auch die sonstige Hilfe der Polizei in Anspruch genommen werden. — (Für dieRe st aurantSund Gastwirt schaften) steht laut „Tägl. Rundschau" die Ueber- nahme neuer Lasten bevor, und zwar handelt es sich diesmal nicht um eine Erhöhung der Bier- oder Lust- barketissteuer, sondern um hygienische Maßnahmen für das Küchenpersonal. Die Gewerbe-AufsichtSbeamten sol len nämlich mehr al» bisher ihr Augenmerk den ge werblichen Küchenräumen zuwenden. Da hier Umbau ten bezw. Neubauten in Frage kommen, gilt e» auch hier, daß Wohlstand leicht zur Plage wird. Uebrigen» sollen in Zukunft die Baugesuche für gewerbliche Kü chen und die Anträge auf Gast- und SchankwirtschaftS- Erlaubnis von den Polizeibehörden zunächst den Ge. werbe-AufstchtSbeamten zur Prüfung vorgelegt werden. v . L. K. (Anerkennungderdeutsch-eoan- gelischen Arbeit in Oesterreich) In Reichen- berg, der bedeutendsten und schönsten Stadt Deutsch böhmens feierte kürzlich die deutsch-evangelische Ge- meinde den Tag ihres fünfzigjährigen Bestehens. Schon 1679 baute die damals ganz evangelische Stadt eine große lutherische Stadtkirche, die jetzige römisch-katho- lisch« Dekanatkirche. Aber die von Ferdinand II. rück- sichtSIoS durchgeführte Gegenreformation besiegelte auch da» Schicksal der Evangelischen in Reichenberg. Böh- men war schon 1625 wieder vollständig rekatolisiert. Erst 1808 ließen sich im benachbarten Gablonz wieder einige evangelische Tuchmacher aus Sachsen nieder, die unter mancherlei Mühseligkeiten eine evangelische Ge- meinde gründen konnten. Von Gablonz aus wurden auch die zerstreuten Evangelischen in Reichenberg be- dient. 1860 wurde in Reichenberg wieder der erste evangelische Gottesdienst gehalten und 1868 wurde eine Kirche gebaut. Seitdem ist Reichenberg die Mut tergemeinde zahlreicher Tochtergemrtnden geworden: Deutschgabel, Friedland, Grottau, SolmSdorf, Kratzau, Rachlitz, Zittau, und zählt heute etwa 3500 Seelen. Sie ist eine der größten LoS-von-Rom-Gemeinden ge worden. Unter den vielen Glückwünschen, die der Ge- meinde an ihrem Gedenktag überbracht wurden, war demerkenkwert die Ansprache deS Kaiserlichen Rats K. I. Müller, der al» Abgeordneter der Stadt Reichen berg selbst erschienen war. Er sagte u. a: „Wir sind der Anschauung, daß die Religion ein wichtige» Kul tur- und 8tldung»mittel de» Bölke» ist und de»halb gehütet und gepflegt werden muß; andererseits haben wir alle Mittel auszuwenden, um unsere Heimat deutsch zu erhalten. In diesem Sinne war und ist die evan gelische Gemeinde gewiß unser Bundesgenosse. Wir wünschen au» vollem Herzen ihr wettere» Blühen und Gedeihen, ebenso daß ihre Jubelfeier den schönsten Ver- lauf nimmt. Ich schließe: Ein feste Burg ist unser Gott! Deutsch allewege!" Vermisstes. * (Da» Schlußkapitel der Liebe»ro- mone de» Kammersängers Burrian.) Die vielfach erörterten Liebesabenteuer de» Sächs. Kammer- sänger» Karl Burrian haben einen tragischen und jähen Abschluß gefunden. Als Burrian sich vor fünf Jahren von seiner Gattin, der Hofopernsängerin Jelli. neck trennte, trat er mit der Tochter eines Chemnitzer Industriellen in nähere Beziehungen. Burrian reiste alsbald nach Amerika zu einem Gastspiel an der Metropolitan-Oper in New Jork. Die Geliebte be gleitete ihn dorthin, fand aber dort einen jähen Tod. Während Burrianseine« Abend» unter stürmischem Bei fall im „Tannhäuser" sang, erkrankte seine Geliebte an Austern-Vergiftung und al» nach Schluß der Oper der Sänger in sein Hotel zurückkehrte, lag die Geliebte auf dem Sterbebett. Burrian hat dann die Leiche mit nach Deutschland gebracht, um sie in heimatlicher Erde bestatten zu lassen. Ein ähnliche» Schicksal ist jetzt der zweiten Geliebten de» Lieberhelden beschieden worden. Burrian entbrannte, wie noch erinnerlich sein wird, vor drei Jahren in heißer Liebe zu der Ehefrau eine» Dresdner Chemikers. Die erst 21 Jahre alte bildschöne Frau war nicht zu bewegen, den Sänger trotz seiner zahlreichen Liebesabenteuer aufzugeben und sie folgte ihm jetzt al» seine „Sekretärin" von Wien nach New Jork, wo Burrian abermals an der dortigen Oper ein Gastspiel zu absolvieren hatte. Schon auf der Seereise machte sich ein Kehirnleiden bei der Begleiterin Burrian» bemerkbar und in New Uork mußte sie ein Krankenhaus aufsuchen. Während am 30. Januar in Boston Fremstadt-Jsolde im LtebeStod über der Leiche Burrian-Tristan» zusammenbrach, ver schied im Hospital an der 90. Str. und Central-Park West die Geliebte des gefeierten Künstler» an Gehirn- tuberkulöse. Damit hat auch der jüngste Liebesroman de» berühmten Heldentenor» ein unerwartetes tragisches Ende gesunden. Burrian wußte, daß wenig Hoffnung bestand, die Geliebte am Leben zu erhalten. Ihren Tod meldete eine Depesche dem Sänger erst nach der Vorstellung. Er soll vor Schmerz überwältigt sein und die Absicht haben, sein Gastspiel im Metropolitan abzubrechen. — Bemerkenswert ist, daß Burrian so wohl in Wien, al» auch in Amerika seine Geliebte als sein« Ehefrau angemeldet hat, obwohl er von seiner rechtmäßigen Gattin, der Opernsängerin Jellt- neck überhaupt noch nicht geschieden ist und auch nicht geschieden werden kann. Er ist vielmehr erst vor kurzem verurteilt worden, seiner rechtmäßigen Frau jährlich 20000 Mk. Alimente zu zahlen. * Berlin. (Großstadtabenteuer einet Sechzehnjährigen.) In einem Hotel der Fried richstraße stieg vor einigen Tagen ein Jüngling au» der Provinz ab. Trotz seiner 16 Jahre wollte er schon den Lebemann spielen. In einem Cafee in der Fried- richstraße gesellte sich bald eine „Dame" zu ihm an den Tisch, mit der er tüchtig zechte. Schließlich be- gleitete der junge Kavalier die Holde in einem Auto nach Hause. Dort zog er den Rock au», um einen Augenblick da» Zimmer zu verlassen. Seine „Dame" war sehr liebenswürdig und setzte Sekt vor, der ihm sehr gut schmeckte. Nach dem Verlaffen der gastlichen Stätte kam dem jungen Manne die Zechgenosstn bald au» den Augen. Als er jetzt seine Brieftasche genauer nachsah, entdeckte er, daß ihm der Sekt 500 M gekostet hatte. Die Polizei, die von dem nächtlichen Abenteuer Kenntnis erhielt, ermittelte bald die freundliche junge „Dame"; sie war aber aus ein paar Tage „verreist" AIS sie zurückkehrte, wurde sie sofort von einem Beam- ten in Empfang genommen. Den größten Teil ihrer Beute besaß sie noch. Inzwischen aber war die Kri minalpolizei auch den Spuren de» jungen „Lebeman. ne» nachgegangen, und kaum hatte sie die Dame er- wischt, da erfuhr sie au» seiner Heimat, daß er den Inhalt der Brieftasche heimlich der Kasse seine» Vater» entnommen und sich ohne dessen Wissen aus den Weg nach Berlin gemacht hatte.