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Nr. 21. Pulsnitzer Wochenblatt — Dienriag, den 18 Februar 1913. Sette 3 allerdings von Fachleuten schon längst geforderlgwor- den sind. Der Ankauf von großen Landkomplcxen, den man in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland vernachlässigt hat, im Verein mit d r Verstärkung der inneren Ausrüstung wird die Flüssigmachung großer Kredite fordern, wat für Frankreich umso schwerer int Gewicht fällt, alt auch der Flottenbau in Anbetracht der Mehraufwendungen Italiens und Oesterreicht ra» scher betrieben werden soll Trotz aller Freundschaft», beteuerungen will man sich gegenüber England eine gewisse Selbständigkeit sichern und gegebenenfalls eine Anzahl Schisse aut dem Mittelmeer zurückziehen können. — (Die Vermehrung der Friedensstärke unseres Heeres), wie sie durch di« neue Militär vorlage vorgesehen ist, hat ihrs größte Bedeutung in der rascheren Steigerung unserer Kriegsstärke Falls die Nachricht zutnffi, daß unsre Armee durch die neue Heerespräsenzstärke von etwa 650 000 Mann (ausschließ sich der Offiziere) erhalten soll, würde das deutsche Heer (9(7 «ine Kriegsstärke von über 7,5 Millionen haben, damit würde Deutschland eine solch starke Armee wie keinem andern Land der Welt zur Verfügung stehen. Der Sollbestand des französischen Heeres wird z Z auf 578 705 Mann angegeben, darunter befinden sich aber über (00 000 Mann algerische und Kolonialtruppen, die Kriegsstärke soll H 372 000 Mann betragen, während Rußland, das im Frieden etwa (,H Millionen Mann unter den Waffen stehen Hot, für den Kriegsfall über eine Feldarmee von etwa H Millionen Mann verfügt In England, dessen Territorialarmee 25H 76s Mann stark sein soll, trat soeben der greise Feldmarschall Lord Roberts erneut für die Einführung der allgemeinen Wehr pflicht ein. — (Die Sozialdemokratie) verfügt jetzt laut „Lcrpz. N. N." über 13 000 angestellte Agitato ren, die zusammen ein JahreSgeho.lt von 40 Millio nen Mark beziehen. Dozu kommen noch die Spesen für Reise, Vorträge usw. in Höhe von mindestens 30 Millionen jährlich. U':d diese gewaltigen Summen, die den bürgerlichen Parteien zusammen auch nicht entfernt für Agttationkzwecke zur Verfügung stehen, werden durch wöchentliche Groschsnbeiträge aufgebracht. — (Petroleum-Monopol.) Die Aussichten für die Annahme des Petroleum-Monopols im Reichs- tag haben sich wesentlich gebessert, nachdem die Leuchröl- Kommtsfion sich im Prinzip für das Monopol ausge sprochen hat. Schwierigkeiten bieten nur noch die Organisationsfragen, für die aber bald ein gangbarer Weg gefunden werden dürfte. Berliu, 16 Februar. (Zum Balkankrieg.) Die „Nordd. Allgem. Zig.* schreibt in ihrer Wochen rundschau: Ten neuerlichen Mitteilungen türkischer Würdenträger war für die Mächte keine Handhabe zu entnehmen, die eS ermöglicht hätte, mit Aussicht auf Erfolg bei den kriegführenden Regierungen die Nieder» legunz der Waffen zu befürworten. Die Mächte blei ben aber bereit, jeden geeigneten Anlaß zu vermitteln, den Schritten zu ergreifen. Auch in den Schwierig, keilen, die wegen der Wünsche Rumäniens an Bulga rien noch bestehen, haben die Mächte in freundschaft lichen Ratschlägen ihr Interesse an einem günstigen Ausgang der in Sofia neu begonnenen Unterhand lungen bereits kundgegeben und setzen ernstliche Be- mühungen fort, um einem ergebnislosen Abbruch die ser Besprechungen vorzubeugen. Die Bedenklichkeit der mit der Abgrenzung Albaniens verknüpften Fragen scheint in einem Teil der europäischen Presse über schätzt zu werden. Gewiß ist über manche Punkte die erforderliche Einigung Europa» noch nicht herbeige, führt, eS wird aber nicht ohne Aussicht auf Gelingen an einem Ausgleich der Interessen gearbeitet. Wir gedenken in diesem Zusammenhang der Entsendung des Prinzen Hohenlohe nach Petersburg. Der geflissent lich verbreiteten Ansicht, daß diese Entsendung ihren Zweck verfehlt habe, können wir nicht zustimmen. Wir glauben vielmehr, daß die politische Fühlungnahme -wischen den Kaisern Franz Joseph und Nikolaus auf die Lösung von Einzelheiten der Balkanfragen erleich- ternd nachwirken wird. Frankreich, Paris, 17. Februar. (Zum Präsi - denren wechsel.) Der „GauloiS* bespricht die Uebertrogung der Prästdentenwürde, um an die Worte PoincareS über das Militärgesetz zu erinnern. Da» Blatt schreibt: Wir zweifeln nicht, daß da» Land alles tun wird, die Worte zu beherzigen, mit denen Poin- carö auSführte, daß Frankreich -u allen Mitteln bereit sei, wenn e» sich um daS Wohl deS Vaterlande» Han- dein würde, und daß alle Parteizwistigkeiten in solchem Falle «in Ende haoen würden, wenn eS sich um die Ehre Frankreichs handelt, und Frankreich gezwungen wäre, den Platz zu behaupten, den die Geschichte ihn angewiesen hat. Da- Blatt schließt: Wir sind weit davon entfernt zu wünschen, daß die französische Zauderpolttik zu einem zweiten Sedan führt. Türkei. Konstantinopel, 17. Februar. (Opfer- Willigkeit türkischer Frauen.) Türkische Frauen beschlossen in einer Versammlung alle ihre Juwelen de. Armee zu opfern. Die Frau des Minister- de» Innern war die erste, die Juwelen von hohem Werte sandte. Amrika. Newyork, 17. Februar. (Direkte Kabelverbtndung En gl and. San FranciS ko.) Da- Seekabel zwischen England und Amerika ist bi» San Francisco verlängert worden, sodaß man jetzt direkt von England nach San Francisko telegraphieret, kann. Von dem RrikgssHouxlotzt wenig Neuer. Kämpfe an der Tschataldschalinie. Konstantinopel, 16 Februar. Amtlich wird gemel det: Die osmanischen AusklärungSiruppen bei Tscha- taldscha setzen ihre Tätigkeit fort Die Bulgaren sind auf den Höhen nordwestlich von Akalan verschanzt und versuchen durch heftiges Geschützfeuer den Vormarsch der türkischen Aufklärer zu verhindern. Ein Detache ment deS türkischen linken Flügels rückte von Sur- gunköj zwischen Siliwri und Kadiköj vor und zwang den Feind, auf Haradschi Tschiülik zurückzugehen. Bui- garen und Serben, etwa 50 000 Mann stark, sollen wiederholt Stürme auf Bulair unternommen haben; die Angriffe wurden jedoch steareich abgeschlagen. Die Bulgaren hatten angeblich 4000 Tote und Verwun- dete. Ein Freiwilligevkorps ist von Kalikratia an der Marmaraküste entlang über KumburgaS, JaloS, Eksasterne und Pigado» nach Siliwri marschiert und stieß in den Weinbergen von Siliwri auf den Feind, der zurückgeworfen wurde. Tie Tücken erbeuteten vier Geschütze. Zur Lage am Balkan. Rom, 17. Februar. Die Memung über die gegen- wärtige Lage am Balkan ist hier eine sehr geteilte. An die Landung griechischer Truppen in Kleinasien glaubt man hier aber nicht und hält eine solche auch für völlig ausgeschlossen. Der baldige Abschluß der bulgarisch rumänischen Verhandlungen würde auch eine plötzliche Aenderung der Kriegslage herbeiführen. Der Abmarsch der Bulgaren von der Tschatald schalinie soll bereits die Region Tschorlu-Lüle Burgas erreicht haben, in der General Sawoff angeblich schla gen will. Das türkische Nachrücken ruft zwar fortwäh- rend kleinere Gefechte hervor, vollzieht sich aber an- scheind nur wenig energisch. Daher herrscht oerzwei- felte Stimmung bei den Bulgaren. Nach einer Buka- rester Meldung überschreiten zahlreiche bulgarische De serteurs die Grenze. Einer von ihnen, ein junger Rechl-student, erzählte, die Stimmung der bulgarischen Truppen sei verzweifelt. Im Lande herrsche starke Ab- neigung gegen den Krieg. Bulgarien sei vollständig erschöpft, materiell und moralisch. Die serbische Re- gierung hat sich nun unerwarteterweise doch entschlos sen, Bulgarien jede verlangte militärische Hilfeleistung zu gewähren, um den Krieg möglichst schnell zu been- den. Dieser Entschluß der R gierung soll hauptsächlich infolge d-S Drucke« seitens deS König« gefaßt worden sein, weil König Peter erklärte, j-tzt den König Ferdi- nand unmöglich im Stiche lassen zu können. Serbien wird nunmehr, weil keine anderen mehr vorhanden sind, auch von der bosnischen Grenze größere Truppen körper nach Bdrianopel und Gallipoli entsenden und ebenso alle nur zu entbehrenden schweren Geschütze au- Nisch dorthin schicken. Ferner ist noch die interes. sante Meldung zu verzeichnen, daß die neuerlichen Be- mühungen deS Ministerpräsidenten Paschitsch, eine Zu- sammenkunft mit dem österreichischen Minister deS Aeußeren, Grafen Berchthold, zu ermöglichen, erfolglos geblieben sind. Adrianopel erweist sich nach wie vor al» unerschütterlicher rocsier sie bronre und trotzt er folgreich dem bulgarischen Geschoßhagel. UebrigenS scheint Fräulein Mariannen« beträchtliche« Schmol len über de« Bulgaren Hartherzigkeit gegen die Adrianopeler Fremden großen Eindruck wenn nicht auf daS nur schwach entwickelte bulgarische Gemüt, so doch auf den besser entwickelten bulgarischen Hirnkasten ge macht zu Halen. Es ist in Sofia beschlossen worden, daß den Konsuln und denjenigen Ausländern, welch« die Stadt verlassen wollen, die Möglichkeit dazu gebo ten werden solle, sobald eine Liste mit den Namen der jenigen Personen überreicht wird, die da- Recht haben, al- Ausländer die Stadt zu verlassen. Könnte man eine ähnliche Herrschaft de- Verstan- de« über da- Gefühl bet der Sofioter Regierung auch in der rumänischen Frage feststellen, so würde Europa sehr erleichtert aufatmen. Vormarsch der Türken bei Tscha taldscha Konstantinopel, 17. Februar. Die türkische Armee ist 6 Kilometer vor Tschataldscha vorgerückt. Die Bul- aaren haben ihre Stellung bei Kuschkovja sowie die Ortschaft Ormanli geräumt. Diese find von den Türken besetzt worden. Die Bulgaren haben sich auf Baradja- und Tschrslik zurückgezogen. — Bet einem neuerlichen Angriff der Montenegriner auf Skutari sollen diese zurückgeschlagen und einen Verlust von ca. 3000 Toten und Verwundeten, sowie mehrerer Geschütze zu beklagen haben. Attentat aus Enver Bei. London, 17. Februar. Die .Central News* erhiel ten ein Funkentelegramm au« Konstantinopel, daß gestern abend ein Attentat aus Enver Bei verübt wurde. Er wurde schwer verwundet. — Zum Attentat auf Enver Bei läßt sich da» ,B. T.* noch melden, daß der Mordanschlag auf einem Schiff oorgefallen sei, und schreibt dann weiter: Daß sich Enver Bei zurzeit auf einem Schiff befindet und daß ein Teil der Truppen ihm feindlich ist, geht aus einem Telegramm hervor, daß der „Daily Expreß* von seinem Sonderkorrespondenten erhalten hat, der sich augenblicklich an Bord de« Dampfer» „Herakles* vor Gallipoli befindet. Danach habe Enver Bei, der sich bei den Truppen Fahri Pascha» befand, dort nicht bleiben können, da die Truppen ihm äußerst feindlich gesinnt seien und ihm die Ermordung Nasim Pascha» nicht verzeihen könnten. Er befindet sich augenblicklich an Bord de» „Haireddin Barbarossa*. Sein gesamte- Expedition« korp» sei dagegen in Gallipoli, während er selbst von den Bulgaren zurückgeworfen worden sei, al- er versuchte, bei Jdje Burnu, zwischen Scharköj und Gallipoli, zu landen. Die ganze Bucht von Galli poli sei augenblicklich voll von Kriegsschiffen und Tran-- portdampfern. Die Zahl der Transportdampfer be trägt 27, die der Kriegsschiffe 11. Eine große Schlacht scheine sich augenblicklich an dem Höhenzug de» Kuru Dcjv vorznbereiten. Neueste direkte Meldungen von Hirsch'« Telegraphen-Bureau. Berlin, 18 Februar. (Beileid Kaiser Wil helms für Scott) Kaiser Wilhelm hat in einer Botschaft an den König von England sein tiefstes Beileid und aufrichtige Bewunderung für die Helden der Scoü'schen Südpolexpedition ausgesprochen. Gmunden, I8. Februar. (Besuch desKaiser-- paares in Gmunden.) Den neuesten Dispositionen zugige ist das Eintreffen des deutschen Kaisers und der Kaiserin für den Monat März hier zu erwarten. Die Kaiserin führt bei dieser Gelegenheit ihre Tochter den Schwiegereltern zu. — Die Prinzessin Viktoria Luise richtete an die Herzogin von Tumberland ein äußerst herzliches Handschreiben. E seuach, (8 Febr. (Drama auf den Schienen) G-stern legten sich in der Nähe des Westbahnhofes der 22jährige Fabrikarbeiter Rudlcff, der (8 jährige Arbeiter Schumann und die 20 Jahre alte Margarete Rickardt auf die Schienen, um sich von einem einfahrenden Güter zug überfahren zu lassen. Om letzten Augenblick riß das Mädchen den Kopf zurück und wurde nur leicht verletzt währerd die andern getötet wurden. Das Mädchen lief, auf dem Bahnhof und erstattete Anzeige von dem ent setzlichen Vorfall. München, (8. Februar. (865 Begnadigungen in Bauern) sind aus Anlaß der Uebernahme der Regentschaft durch den Prinzen Ludwig vorgenommen worden. Unter den Begnadigten bifinden sich (87 Ge fangene, die in Freiheit gesetzt wurden. Pcterslnrg, 18. Februar. (Ein Ultimatum Rumänien- an Bulgarien?) Nach unkontrol- lierbaren hier umlaufenden Gerüchten verlautet, daß Rumänien an Bulgarien ein Ultimatum gestellt habe. Rom, 18. Februar. (Blutige Vorgänge bet einer Demonstration.) Zur Unterstützung einer Interpellation der cxtremen Linken in der Kammer begab sich gestern eine große Menschenmenge nach dem Parlame t-gebäude, wobei e« rn einigen Gemeinden zu Ruhestörungen kam, in deren Verlauf die Polizei etnschritt und von der Waffe Gebrauch machen mußte. Wie eS heißt, sind mehrere Demonstranten getötet oder verwundet worden. Eine große Anzahl Verhaftungen wurde vorgenommen. Konstantinopel, 18. Februar. (GriechischeTrup- penlandungen in der Bat von Bestka. Nachrichten zufolge, die ein SchiffSkapitän gestern hier privatim e> stattete, befindet sich in der Bat von Bestka eine griechische Flotte von 20 Transportschiffen. Die Griechen sind augenblicklich mit der Ausschiffung großer Truppenmassen beschäftigt. Der Kapitän be merkte diesen Vorgang, al» er in die Dardanellen ein lief. — Ferner wird gemeldet, daß die Griechen weitere Truppen im Golfe von Saro« auSgeschifft haben. Gestern vormittag wußte man cn amtlicher Stelle in Konstantinopel noch nicht» von diesen griechischen Truppenlandungen. Konstantinopel, 18. Februar. (Zur Lage in Adrianopel.) Gestern abend wurde hier folgende- offizielle» Bulletin au»gegeben: In der Nacht ist in Adrtanopel alle» ruhig geblieben. Der Feind hat im Lauf« de» Tage» 125 Kanonenschüsse auf die Stadt abgefeuert. Konstantinopel, 18. Februar. (Feuersbrunst.) Eine Feuersbrunst legte mehr al« 200 Häuser de» Stadtviertel« Sultan Ahmed zu Stambul in Asche. Kopenhagen, 18. Februar. (NeueHilfe fürdte Schröder-Stranz-Expedition) Au« Christi- anta wird der „Politiken* gemeldet: Infolge der Initiative de« Minister« de» Aeußeren, Ihlen, wurde gestern eine Konferenz abgehalten, an der der deutsche Gesandte Oberndorf, Fritjof Nansen und die beiden Ipitzbergenforscher Stcxrud und Hoel tetlnahmen. Die norwegische Regierung hat für eine neue Hilf-expedi- tion em Schiff zur Verfügung gestellt und innerhalb 14 Tagen soll diese Expedition von Tromsö abgrhen, um der deutschen Expedition Schröder-Stranz Hilfe zu bringen. Da keine grönländischen Hunde vorhanden sind, nimmt man Renntiere mit. Die Führung der Expedition soll Stcxrud oder Hoel übernehmen. Der deutsche Gesandte hat bereit» seiner Regierung von dem Beschluß Mitteilung gemacht. Newyork, 18. Februar. (Die Revolution in Mexiko.) lieber die gestrigen Gefechte in Mexiko wird nur bekannt, daß heftig gefeuert wurde. Eine Prtvatmeldung an einen hiesigen Bankier besagt, daß da» Feuer gestern zerstörender gewesen sei al» je zu einer Zeit vorher. — Präsident Taft erklärte gestern in Beantwortung einer Anfrage, daß die Landung amerikanischer Truppen nicht bedingt worden sei. Von großer Wichtigkeit sei aber die Wiederherstellung dkS Frieden» und der Ordnung.