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6862 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Amtlicher Teil. 130, 8. Juni 1911. worden? Die Verkaufsordnung ist deshalb geschaffen worden, um die Schädigungen die der sogenannte Verlegerparagraph dem Sortiment mehr und mehr zufügte, aus der Welt zu schaffen. Und was haben wir bekommen? Die Paragraphen 10, 11 und 12. Wenn ein Redner gestern gesagt hat: wir sind getäuscht worden, so mag der Ausdruck vielleicht scharf sein, aber enttäuscht sind wir gewiß. Ich habe ja selbst von Anfang an an den Verhandlungen über die Verkaufsordnung nütgearbeitct; ich habe ihr schließlich zugestimmt und habe meinen Kollegen empfohlen, ihr zuzustimmen, weil wir angenommen haben: hier sind gewisse Dinge sestgelegt, die sich so und so entwickelt haben; wir wollen da dem Verlag weiter eine gewisse Latitüde lassen, andererseits aber sollte durch die Vcrkaufsordnung der Zweck erfüllt werden, den Verlcgerparagraphen einzuschränken. Das läßt sich nicht bestreiten, das wird keiner unter uns bestreiten, die Folge aber ist gewesen: eine Ausdehnung des Verlegerparagraphen. Nun werden Sie sagen: wir müssen doch unsere Bücher unterbringen. Gewiß, aber Sie müssen den Eckstein des deutschen Buchhandels und den Eckstein des Börsenvereins stehen lassen, wenn sie weiter behaupten wollen: wir sind für Erhaltung des Sortiments. Der Eckstein ist der Ladenpreis, und wenn Sie auf der einen Seite dem Sortiment auferlegen, den Ladenpreis zu halten, ob jemand nun für eine Mark kauft oder für 1000 Mark, wenn Sie dem Sortimenter die höchste Strafe androhen, der sich gegen den Ladenpreis vergeht, so muß der Verlag das nobilo olüoium haben, auch seinerseits den Ladenpreis zu halten. (Bravo.) Meine Herren, wo kommen wir hin? Leute, die, ich will einmal sagen, ein bischen viel Temperament haben wie Herr Paetsch, die kommen dann dahin, dem Verlag offene Fehde anzusagen. Ich billige nicht jedes seiner Worte. Sie waren aber nicht derartig, daß ich als Vorsitzender dagegen hätte einschreiten können; die Freiheit der Rede muß und soll gewahrt bleiben. Bedauert aber habe ich die Worte doch, bedauert habe ich sie deshalb, weil ich zwecklose Drohungen für gefährlich halte. Wenn man jemandem eine Ohrfeige androht, so Pflegt man gewöhnlich, ehe die Antwort da ist, selber eine zu haben. (Heiterkeit.) Wenn ich also die Worte bedaure und ihre Form bedaure, so können Sie aber doch aus ihnen ersehen, welche Stimmung heute im Sortiment herrscht. Wenn Herr vr. de Gruyter diese Stimmung bedauert, so stimme ich ihm voll ständig bei; aber sie ist einmal da und sie kann nur dadurch abgestellt werden, daß der Verlag sich auch seiner Pflichten erinnert, nicht blos dessen, was er getan hat und was, wie Herr vr. de Gruyter selbst zugibt, doch wesentlich in seinem Interesse mit getan worden ist; daß er sich auch der Pflichten erinnert, die die Erhaltung der Organisation ihm auferlegt. Meine Herren, es ist immer von den 47 Verlegern die Rede, diese Zahl gibt zu denken. Sie haben ca. 750 Verleger im Verlegerverein. Sie haben im ganzen etwa 2000; die Ziffer mag nicht ganz richtig sein, es kommt aber nicht darauf an für das, was ich sagen will. Nun kommen also die 47 Verleger und sagen: wir halten das und das für falsch und verlangen, daß das Sortiment einfach dazu Amen sagt. Meine Herren, sehen Sie nicht an der Ziffer 47 wie der Hase läuft? Es ist ja mehrfach ausgesprochen worden: die Klagen, die gegen die Überspannung des Verlegerparagraphen in den Satzungen, m der Verkaufsordnung bei dem Börsenverein und bei den einzelnen Vereinen eingegangen sind, von wem rühren sie her? Gehen sie von dem Sortiment aus? Nein! Von Verlegern kommen sie. Der Verlag will es sich selber nicht mehr gefallen lassen, daß eine kleine Gruppe von Verlegern, die allerdings durch die Wucht ihrer Geschäfte und durch die Wucht ihres Kapitals führend ist, ihnen etwas aufzwingt und sie zwingt, ebenfalls Dinge zu tun, die sie, mögen sie selbst dem Buchstaben des Gesetzes gerecht werden, gegen die Organisation, gegen die Erhaltung unseres ganzen Buchhandels gerichtet erkennen. So liegt die Sache, und ich glaube, selbst unter diesen 47 wird manchem nicht recht wohl bei dem ganzen Verlauf sein; es wird manchem auch nicht recht Wohl gewesen sein, wenn er die Antworten gelesen hat. Mögen die Ant worten vielfach über das Ziel hinausgeschossen haben, mögen sie auch sachlich nicht vollkommen einwandfrei gewesen sein, so sind aber doch daraus die Zeichen der Zeit zu erkennen, Sie sehen daraus, woran das Sortiment krankt, Sie sehen auch den Fall, der eigentlich Anlaß gegeben hat zu der Erklärung des Vereinsausschusses und dann zu der Erklärung der 47 Verleger. Ein Verleger gibt einer Organisation, einer Aktiengesellschaft, eine Anzahl seiner Bücher zu billigem Preis: diese gibt sie ihren Angestellten zu demselben Preis. Die Sortimenter in der Stadt, die sich mit den Büchern versehen haben, bleiben nicht nur mit ihren Exemplaren sitzen, sondern sie erscheinen auch noch als die teuren Leute; ihre Kunde» kommen auch ein andermal nicht wieder, sie sagen: wenn der in diesem Falle soviel verdient, so überteuert er uns auch sonst. Meine Herren, ich komme zum Schluß. Ich rede nicht zum Krieg; ich glaube, das haben Sie aus meinen Aus einandersetzungen gehört, das würde auch unrecht sein, denn ich bin überzeugt von den guten Absichten des Herrn vr. de Gruyter und will auch von den anderen Verlegern nicht anderes annehmen. Aber, meine Herren, es wird nicht anders sein: wenn Sie das Sortiment stützen wollen, so muß bei der Revision der Verkaufsordnung die Einschränkung gemacht werden: der Ladenpreis ist das oberste Gesetz im Buchhandel und das Gesetz muß bestehen bleiben. (Lebhaftes, anhaltendes Bravo und Händeklatschen.) Vorsitzender Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin: Meine Herren, es hat sich niemand mehr zu diesem Punkt des Jahresberichts zum Wort gemeldet; wir gehen weiter. Verbandsbuchhandlungen, — Maßregeln wegen geflissentlicher Verletzung der Verkaufsordnung, — Warenhausbuchhandel, — Besprechung des Börsenvereinsvorstandes mit den Vorsitzenden der Kreis- und Ortsvereine, — Außerordentlicher Ausschuß zur Abänderung der Satzungen, — Gewährung von Sonderrrabatt, — Anerkennung als selbständiges Organ des Börsenvereins, — Schmutz- und Schund literatur, — Geschäftsstelle, — Amtliche Stelle, — Unterstützuugsverein Deutscher Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen. Herr Rudolf Hofmann: Meine Herren, es sind nur wenige Worte, die ich an Sie zu richten habe. Wenige, aber von Herzen kommende Worte des Dankes für die reiche Spende, die Sie wie der gesamte deutsche Buchhandel dem Unterstützungsverein zur Feier seines 75 jährigen Bestehens bescheert haben. Ich freue mich, diesen Dank von dieser Stelle hier aussprechen zu können, denn es war auch ein Kantatesonntag im Jahre 1836, als hier in Leipzig der Unterstützungs verein begründet wurde. Sie alle haben den Jubiläumsbericht wohl gelesen, der Ihnen zugegangen ist. Er hat Ihnen ein Bild gegeben von der Begründung und Entwickelung unseres Vereins bis auf den heutigen Tag. Und Sie werden dabei ein Gefühl des Stolzes empfunden haben in dem Bewußtsein, daß alles das, was dem Uuterstützungsverein an Mitteln gewährt worden ist, was er Gutes und Segensvolles hat leisten können, daß wir dies alles allein uns selbst verdanken. Es gibt keine freie Erwerbsgenossenschaft im Deutschen Reich, die sich eines solchen Besitzes erfreuen kann.