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Unter diesem Gesichtspunkt, und auf die Gefahr hin, ein Störenfried genannt zu werden, der ich nicht sein will und bin, möchte ich zu dem vorliegenden Punkte des Geschäftsberichtes einige Worte sagen, oder besser: weniger zu dem konkreten Gegenstände dieses Punktes, als zu den Begleiterscheinungen, die er gezeigt hat. Lassen Sie mich gleich hinzu- fügen, daß ich als Sprecher kein Amt, sondern nur eine Meinung habe, daß ich, ohne jeden Auftrag, keine andere Meinung vertrete, wie die meinige. Meine Herren, ich bin einer derjenigen 47 Verleger, die im Sommer des vorigen Jahres gegen die prinzipielle Entscheidung, die der Vereinsausschuß auf Veranlassung des Börsenvercins zu tz 12, 1 der Verkaufsordnung getroffen hatte, ihr Veto eingelegt hatten. Auf den stofflichen Inhalt dieser Entscheidung werde ich hier nicht eingehen, sie wird uns an anderer Stelle und zu anderer Zeit beschäftigen. Lassen Sie mich ui dieser Beziehung hier nur streifen, daß jene 47 Ver leger zum Instrumente eines solchen Protestes griffen und greifen mußten, weil ihnen durch jene Entscheidung eine Aus legung der Verkaussordnung auferlegt wurde, der sie sich als gewissenhafte und redliche Männer nicht fügen konnten. Begründet aber haben sie jenen ihren Einspruch auf zwiefache Weise: Sie haben dargetan, daß der Vereinsausschuß den Rahmen seiner Kompetenz überschritten habe, und sie haben ihre Überzeugung begründet, daß hier ein Fehlgutachten oorliege. Meine Herren, der Börsenvereinsvorstand hat sich jenen Darlegungen nicht verschlossen; er hat in der außer ordentlichen Hauptversammlung des Deutschen Verlegervereins im November des vorigen Jahres in loyaler Weise eine Erklärung abgegeben, die darauf hinauslief, daß auch er die Auslegung des 12 Absatz 1 der Verkaufsordnung durch das Gutachten des Vereinsausschusses nicht für genügend geklärt erachte, und daß er nach wie vor von Fall zu Fall entscheiden und einen Ausschuß für die Revision der Verkaufsordnung einberufen werde. Meine Herren, ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich sage, daß jene 47 Verleger inhaltlich auch heute noch voll zu ihrer damaligen Protesterklärung stehen. Persönlich aber möchte ich rückschauend dazu sagen, daß das Wort »zurückweisen« darin nicht glücklich gewählt war. Ich bedaure meinerseits die Härte dieses Ausdrucks, bitte den Börsen vereinsvorstand um Entschuldigung und glaube, daß ein gleichbedeutendes, aber milderes Wort keine geringere, sondern eine größere Wirkung getan hätte. Auf jene Erklärung der 47 Verleger ist dann eine Kette von Einsprüchen ans dem Sortiment erfolgt, die in den verschiedensten Tonarten und Stärkegraden gehalten waren. Zu einem großen Teil tun sie nichts anderes, als was ihr gutes Recht ist: Sie bringen die gegenteilige Meinung, die wir respektieren müssen, in Formen zum Ausdruck, gegen die nichts einzuwenden ist. Aber es gibt auch andere darunter, die diese Linie der Rücksichtnahme nicht Anhalten. Wenn beispielsweise die Buchhändler zu Mannheim die Hoffnung aussprechen, »daß der Verlegerverein sowohl wie der Börsen verein Mittel und Wege finden werden, den Sonderstandpunkt dieser 47 Verleger in seine Schranken zurückzuweisen«, so ist das schon eine Ausdrucksweise, die nicht versucht, den Gegner zu verstehen, sondern ihn zu reizen, mit der man sich aber am Ende noch mit den Worten des Demetrius im Sommernachtstraum absinden kann, der Zettel und Schnock sein »gutgebrüllt« zuruft. Aber einen Schritt vom Erlaubten weiter entfernt es sich, wenn die Karlsruher Buchhändler sich zusammentun und sagen: »Das Sortiment hat sich, indem es auf eine loyale Auslegung des Verlages rechnete, einer großen Täuschung hingegeben, wie die Erklärung der 47 Verleger vom 1. Oktober zeigt«. Und in die Tonart der Drohung geraten die Rheinisch-Westfalischen Buchhändler wenn sie erklären, »daß sie fest entschlossen sind, ihre Vertriebskraft in erster Linie den Vcrlags- sirmen zu widmen, die durch ihre Stellungnahme zeigen, daß es ihnen mit dem Schutze des Sortiments und der Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit wirklich ernst ist«. Meine Herren, eine solche Sprache rückt schon nahe an die Grenze des Ulti matums, und ich möchte Sie doch vor ihrer Wiederholung auf das ernsteste warnen. Die stärkste Leistung ist aber diejenige der Heidelberger Sortimenter, wenn sie erklären: »Mit Wissen und Willen des Verlages ist dem Sortimente von Jahr zu Jahr mehr an Absatzmöglichkeiten genommen worden«. Meine Herren, »wo Liebe rechnet, ist sie bettelarm« ist ein gutes Shakespearewort. Aber, besonders im geschäft lichen Leben, manchmal geht es nicht anders. Und so lassen Sie mich einmal die beiden Konten von Verlag und Sortiment vergleichen. Sie werden mir zustehen müssen, wenn ich sage, daß die Geschichte des Börsenvereins seit 30 Jahren eine einzige zusammenhängende Kette der Fürsorge für die Erhaltung des deutschen Sortimentes ist; daß in dem Börsenvereinsvorstande, der die Geschicke des Buchhandels mit soviel Entsagung geleitet hat und leitet, in der Mehrzahl deutsche Verleger die Geschäfte geführt haben; und daß in der Chronik der deutschen Verlegervereine und des Deutschen Verlegervereins eines der umfassendsten Kapitel von der Hilfsbereitschaft handelt, an dem Wohle des Sortiments mitzuarbeiten. Der ganze Gesetzgebungs- und der ganze Verwaltnngsapparat des Börsenvercins ist seit jener Zeit in der Hauptsache für das Sortiment tätig gewesen. Das hob an zu Anfang der achtziger Jahre mit der deutschen Verlegererklärung, dem Beginn der Rcformbewegung. Es folgten dann die heißen und erfolgreichen Bemühungen, das Sortiment aus dem Chaos eines verwilderten Kundenrabatts zu befreien. Daran schloß sich der Kampf mit den sogenannten Buchbinder-Komissionären. Die Einschränkung der direkten Lieferung an die Autoren durch die Verleger. Die Warenhäuser wurden gezwungen, sich in die Reihen des Börsenvereins einzugliedern und seine Verkaufsbedingungen anzuerkennen. Der Bibliotheks- und Kundenrabatt wurde geregelt. Der heiße Kampf um den § 26 war wesentlich eine Maßregel im Sinne des Sortiments. Auf Veranlassung des Börsenvereins faßte der deutsche Verlegerverein in der Hauptversammlung des Jahres 1908 jene auf eine Erhöhung der Sortimenterrabatte zielenden Be schlüsse, deren Wirkung Sie heute ableugnen, ohne den Beweis dafür erbringen zu können. Die Verkehrsordnung und die Verkaussordnung wurden in einer Weise revidiert, daß sie als wesentliche Verbesserungen zu Gunsten des Sortimentes vom Sortiment anerkannt worden sind. Sodann, es gehört der jüngsten Vergangenheit an, haben die Verleger eingewilligt, daß die freiwillige sogenannte Verlegererklärung zu einer pflichtmäßigen und satzungsmäßigen gemacht wurde. Und endlich hat der Verlag, Hand in Hand mit dem Vorstand des Börsenvereins, den Kampf gegen die Vereinsbnchhandlungen ausgenommen. Meine Herren, damit soll nicht gesagt sein, daß nun für das Sortiment eine goldene Zeit angebrochen sei; es soll auch nicht gesagt sein, daß nicht an Stelle des überwundenen Widerstandes neue und vielleicht schärfere Hemmnisse ein getreten seien; es soll auch anerkannt werden, daß die neuen Bahnen der wirtschaftlichen Entwicklung mit ihren kapita listischen und genossenschaftlichen Tendenzen in erster Linie dem Sortiment gefahrdrohend geworden sind. Aber das eine 889*