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6876 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Amtlicher Teil. ^ 130, 8. Juni 1911. mäßer Form zu § 19 zu stellen. Meiner Meinung nach ist das nicht korrekt. Wenn wir Buchhändler uns einmal auf den Standpunkt stellen wollen, daß wir uns in Streikfällen untereinander auf Erfüllung oder Schadenersatz nicht verklagen, daß wir uns also als Arbeitgeber solidarisch erklären, so meine ich, müßte das eine Solidarität sein, die durch den ganzen Buchhandel geht. Man darf nicht zu Gunsten der Kommissionäre ein Sonderrecht schaffen. Ich glaube, daß eine gewisse Unpopularität, auf die der Antrag hier stößt, wohl hierauf zurückzuführen ist. Ich möchte deshalb bitten, daß man vielleicht wieder darauf zurückkommt, den Antrag zu Z 2 zu stellen. Auf der anderen Seite möchte ich auf die außerordentliche Tragweite des Antrages Hinweisen. Wir stehen vielleicht im Herbst vor schweren Lohnkämpfen; für solche Kämpfe ist es wünschenswert, eine Stütze in der Solidarität des ganzen deutschen Buchhandels zu haben. Wenn Sie heute den Antrag aus anderen Gründen ablehnen, so könnte das dahin aus gelegt werden, daß das Solidaritätsgefühl der Arbeitgeber im Buchhandel versagt habe. Wenn wir Kommissionäre im Herbst nachgeben und höhere Löhne bewilligen müßten, so könnten wir sie nicht aus unserer Tasche bezahlen. Daß eine so bedeutende Erböhung der Spesen auf die Komittenten abgewälzt werden muß, das brauche ich nicht erst dar zutun. Ich bitte deshalb heute für den Antrag einzutreten, um die Solidarität der Arbeitgeber im deutschen Buchhandel zu stärken. Herr Albert Brock Haus-Leipzig: Meine geehrten Herren, wenn ich nicht gesprochen habe, als dieser Antrag zu §2 gestellt worden war, so hatte das darin seinen Grund, daß ich glaubte, die Rücksicht auf die Herren Vorstandsmitglieder verbiete es mir, bei jedem Punkte, wo ich persönlich anderer Meinung bin, vor Sie zu treten und diese Meinung zu äußern; ich habe aber offen gestanden die Hoffnung gehabt, daß der Antrag von anderer Seite bekämpft und von Ihnen abgelehnt werden würde. Wie die Verhältnisse in den großen Leipziger Kommissionsgeschäften liegen, kann ich nicht beurteilen, denn ich habe ein ganz kleines. Ob die Herren in den großen Komissionsgeschäften tatsächlich unleidliche Verhältnisse mit ihren meist organisierten Hilfsarbeitern haben werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Wenn sie das haben, so bedauere ich das außer ordentlich; wenn ich mich aber recht erinnere, habe ich in meinem Komissionsgeschäft nicht einen einzigen organisierten Hilfs arbeiter, und ich erwarte infolgedessen, daß wenn auch ein Streik unter den organisierten Arbeitern ausbricht, bei mir nicht ein Einziger streiken wird. Die Herren werden nun sagen, da du kein persönliches Interesse an der Sache hast, empfiehlst du die Sache abzulehnen, wir aber sind gefährdet. Das liegt mir fern, und es tut mir leid, daß ich meinem Freund Volckmar widersprechen muß. Aber der Grund, weshalb ich das tue, ist ein solcher allgemeiner Natur. Es handelt sich hier um eine Durchbrechung des Prinzips des bürgerlichen Rechts, daß ein Streik an sich keine vis nmjor ist, im Buch handel (Z 2) soll er auch nicht vis nmjor sein, aber im Leipziger Kommissionsgeschäft (8 19) soll er es seinl Da sageich: wir ermessen nicht die Tragweite dieses Beschlusses. Wir können nicht eine solche Bestimmung den Gerichten melden; die werden sagen: Menschenskiuder, habt ihr denn ein Sonderrecht für die Kommissionäre, und zwar nur für die Leipziger Komissionäre? Es tut mir leid um den Antrag, der wie ich höre, von einem mir übrigens gänzlich unbekannten »Buch händlerischen Hilfsverband« ausgeht, der sich in ganz berechtigter Weise eines oder des anderen Mitglieds eines Leipziger Vereins bedient, um eine solche Bestimmung als wünschenswert hier durchzubringen. Aber heute kann ich ihn nicht empfehlen. Die liebenswürdigen Worte des Herrn Kommerzialrat Müller kann ich nicht ganz akzeptieren, aber wenn ich auch noch so lange darüber nachdenke, kann ich nicht zu dem Resultat kommen, daß ich Ihnen empfehlen könnte, einen Antrag von solcher Tragweite hier aus dem Handgelenk in ein buchhändlerisches Verkehrsgesetz hineinzunehmeu. Ich bitte Sie, lehnen L-ie den Antrag ab. Und wenn daraus Wirtschaftliche Nachteile hervorgehcn sollten, so werden Sie und wir sie tragen müssen, wie Sie und wir solche auch bisher zu tragen gewußt haben. Herr Hans Volckmar-Leipzig: Meine Herren, ich habe ja das Gefühl, daß ich der Person des Herrn Brockhaus gegenüber wahrscheinlich der unterliegende Teil sein werde, aber ich halte es doch für meine Pflicht, noch einmal auf die Sache eiuzugehen. Ich hatte vorhin gesagt, ich würde wünschen, daß der Antrag wieder zu Z 2 genommen würde. Dann würde ein, für den ganzen Buchhandel gültiges Recht geschaffen, nicht mehr ein Sonderrecht für die Leipziger Kommissionäre. Vieles von dem, was Herr Brockhaus gesagt hat, würde damit hinfällig. Wenn ein Verlagsgeschäft vom Streik bedroht wird und beispielsweise seine Zeitschriften nicht rechtzeitig herausbringen kann, so kann deren Bezieher vielleicht auch da ein gewisses Recht auf pünktliche Lieferung der Zeitschriften geltend machen. Alle diese Fragen wollen wir berücksichtigen. Der Antrag soll der Allgemeinheit des Buchhandels zugute kommen. Außerdem glaube ich, daß ebenso wie durch Sonder- Verträge von Firma zu Firma dasselbe erreicht werden kann, was der Antrag als Gesetz für den Buchhandel einführen will, umgekehrt jede Firma, die sich diesem Gesetz nicht fügen will, durch Sonder-Verträge dies für sich wieder ausschließen kann. Es steht also jedem, der sich dieser Bestimmung nicht unterwerfen will, frei, sich durch Privat«Vertrag davon aus zuschließen. Das einzige, was heute für uns in Betracht kommen sollte, ist, durch Annahme des Antrages die Solidarität des deutschen Buchhandels zu beweisen. Vorsitzender Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin: Herr Prager hat noch ums Wort gebeten, ich gebe es ihm in der Erwartung, daß er bei der vorgerückten Stunde nur kurz sprechen wird. Herr R. L. Prager-Berlin: Zwei Minuten. — Die Bedenken, die Herr Brockhaus geäußert hat, sind für mich allerdings auch schwerwiegend. Die Schwierigkeit ist dadurch entstanden, daß dieser auf K 2 gemünzte Antrag plötzlich auf 8 19 übertragen worden ist. Dadurch sind Dinge hineingekommen, die eigentlich fortbleiben müßten. Es war gestern schon 10 Uhr, als die Sache verhandelt wurde, dadurch ist die Unsicherheit entstanden. Ich möchte bitten, auf die Änderung ganz zu verzichten, es kann ja jeder Kommissionär mit seinem Kommittenten ein Abkommen in dieser Beziehung treffen. Vorsitzender Herr Kommerzienrat Karl Siegismund-Berlin: Wünscht der Herr Antragsteller das Schlußwort? — Er verzichtet. Dann schließe ich die Diskussion über diesen Punkt. Es liegen drei Anträge vor, der Antrag Lomnitz: (Wird in der geänderten Fassung verlesen.)