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6866 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Amtlicher Teil. ^ 130, 8. Juni 1911 Herr Bernhard Sta ar-Berlin: Meine Herren, es war bei den Vorschlägen über die Reform des Börsenblattes auch die und Rede von der Verbesserung des redaktionellen Teils. Zu diesen Verbesserungen würde ich es auch rechnen, daß der kleinliche engherzige Geist verschwindet, der immer dann sich gezeigt hat. wenn man einmal bestehende Mißstände zur Sprache brachte. Es wird anderen Kollegen, die gelegentlich Artikel für das Börsenblatt geliefert haben, gerade so gegangen sein wie mir, daß Artikel, die durchaus maßvoll gehalten waren, die aber einen Angriff oder eine Kritik gegen einflußreiche Persönlich keiten, namentlich in Leipzig, enthalten, einfach zurückgeschickt wurden oder daß man versucht hat, sie zu mildern. Ich halte das nicht für richtig. Es hat sich in weiten Kreisen des Buchhandels die Überzeugung gebildet, daß hier bisher nicht un parteiisch gehandelt worden ist, und die erste Bedingung bei der Leitung des redaktionellen Teils des Börsenblatts müßte die größte Unparteilichkeit sein. Herr Paul Nitschmann-Berlin: Meine Herren, wir wünschen sicher alle, daß die Einnahmen des Börsenvereins in einer Weise erhöht werden, die es ihm gestattet, seine großen Aufgaben im Interesse des Buchhandels zu erfüllen. Ich möchte aber nicht verfehlen, bei dieser Gelegenheit in den Wein des Börsenblattausschusses einige Tropfen Wermut zu gießen, weil ich meine, daß wir mit Vorsicht und genauer Überlegung mehr erreichen werden, als mit einer vielleicht überstürzten Reform. Es ist von Herrn Meiner ausgeführt worden, daß heute eine große Anzahl Börsenvereinsmitglieder das Börsenblatt nicht erhält, infolgedessen auch nicht liest, und in weiterer Folge für die Inserate der Verleger verloren geht. Meine Herren, ich fürchte, wenn die Mitglieder, die das Börsenblatt heute nicht erhalten, jetzt statt eines Beitrags von 6 Mark einen solchen von 22 oder 24 Mark zahlen sollen, daß sie damit nicht einverstanden sein werden, das Börsenblatt hierfür gratis zu erhalten, sondern statt dessen aus dem Börsenverein austreten werden. Die Leute, die heute das Börsenblatt nicht beziehen, gestehen damit ein, daß sie es entweder nicht wollen oder für ihren Betrieb nicht brauchen. Wir haben im Börsen verein eine große Menge Mitglieder, die wenig oder kein Interesse für das Börsenblatt haben, und ich fürchte, daß die Folge sein wird, daß sie bei einem solchen geplanten Zwangsabonnement aus dem Börsenverein austreten. Herr Meiner hat ferner gesagt, daß der große Vorzug dieser sogenannten Reform darin bestehen soll, daß jedes Mit glied tagtäglich frühmorgens das Börsenblatt erhält. Meine Herren, bei den Firmen, die das Börsenblatt in erster Linie und am nötigsten brauchen, ist das auch heute schon der Fall; ob ich es um 8 Uhr mit der ersten Post, oder fl, 10 Uhr mit dem Ballen bekomme, ist gleichgültig. Diese Firmen bekommen also das Börsenblatt jetzt schon täglich, den kleineren Firmen aber, die es nur ein paarmal in der Woche bekommen, genügt das vollkommen. Also auch hier wird eine Besserung nicht eintreten. Wenn nun von einem Rückgang der Einnahmen des Börsenblattes gesprochen wird und dem Fortfall vieler Inserate, so ist das eine Frage, mit der wir uns indirekt ja gestern beinahe den ganzen Tag beschäftigt haben. Sie hängt eng damit zusammen, daß der Verlagsbuchhandel weniger inseriert, weil er mehr und mehr direkt arbeitet, und ich fürchte sehr, daß bei der sehr erheblichen Verteuerung der Jnsertionspreise, wie sie hier geplant ist, der Verlagsbuchhandel nicht mehr, sondern weniger inserieren wird, denn Sie müssen berücksichtigen, daß bei der Vierspaltung der Seite einspaltige Inserate überhaupt nicht mehr existieren werden, die würden so schmal sein wie ein Bleistift. Jeder, der heute ein einspaltiges Inserat hat, wird künftig mindestens zweispaltig inserieren müssen, auch die Auslaufszeilen werden sich in der Kostenberechnung ungünstiger stellen. Ich möchte darum dringend bitten, daß diese Sache nicht bis zum Herbst durchgepeitscht wird, sondern man lieber ein Jahr oder ein halbes Jahr verstreichen läßt und die Sache dafür gründlich durcharbeitet. Ich habe mit vielen Herren darüber gesprochen und gehört, daß sie sich von dieser Reform ebensowenig Erfolg versprechen wie ich. Im Grunde wird es nur auf eine Verteuerung des Börsenblattes und seiner Inserate hinauslaufen. Was den redaktionellen Teil betrifft, so scheint aus dem Börsenblatt eine literarische Fachzeitschrift oder ähnliches geschaffen werden zu sollen. Auch davor möchte ich warnen. Das Börsenblatt enthält schon heute einen ganzen Wust von unnötigen Dingen, deren Durchsicht viel Zeit kostet; ich erinnere an die vielen Statistiken, die sich durch viele Seiten hin durchziehen und die die wenigsten mit Sorgfalt und Liebe durcharbeiten werden, weil sie keine Zeit haben. Ich möchte bitten, daß der Ausschuß diese meine Bedenken berücksichtigen wolle. Herr Alexander Francke-Bern: Ich möchte mich nur gegen einige Ausführungen des Herrn Nitschmann wenden. Ich habe die feste Überzeugung, daß diese Reorganisation des Börsenblattes uns allen, Verlag wie Sortiment, sehr dienen wird. Weshalb zersplittern wir unsere Kräfte so? Weil wir von allen möglichen Seiten Anzeigen bekommen. Wir be kommen einmal in der Woche das Zettelpaket mit einem großen Stoß von Zirkularen; wir bekommen das Börsenblatt, außerdem werden uns mit jeder Post noch besondere Zirkulare direkt zugesandt. Das bedeutet für den Sortimenter eine große Zersplitterung seiner Arbeitskraft. Nach meiner Erfahrung muß ich sagen, daß die Verleger, die ihre Zirkulare direkt schicken, nicht das erreichen, was sie zu erreichen glauben. Es ist dem Sortimenter unmöglich, die mit jeder Post an- kommenden Zirkulare M lesen; er wird vielfach genötigt sein, sie auf die Seite zu legen; dann wächst der Berg. Ich habe vor Jahren in einem kleineren Aufsatz im Börsenblatt den Gedanken ausgesprochen, das Börsenblatt sollte das Zentral organ des ganzen Buchhandels für alle Anzeigen sein, für Verleger wie Sortimenter. Es gibt viele Verleger, die glauben nur dann rechte Erfolge zu erzielen, wenn sie neben den Börsenblattinseraten auch noch Zirkulare schicken. Das wirkt nur verwirrend und verursacht dem Verleger unnötige Kosten. Man erinnert sich nicht recht: Hast du das Inserat schon gelesen? Und so unterbleibt vielleicht auch eine Bestellung, weil man glaubt, man habe schon bestellt. Wenn dagegen jetzt die Mög lichkeit gegeben ist, auch Illustrationen als Proben beizugeben, so wird für die Mehrzahl der Verleger das Zirkular über flüssig werden. Wir werden täglich angezeigt bekommen, was den Buchhandel angeht und werden imstande sein, das täglich zu erledigen. Ich möchte also befürworten, daß gerade in diesem Sinne die Reform von Ihnen gutgeheißen werde; ich bin überzeugt, dem Verleger wie dem Sortimenter wird damit sehr gedient sein. Herr vr. Erich Ehlermann-Dresden: Meine Herren, die Reform des Börsenblattes, jede einschneidende Änderung an dem Börsenblatt ist eine Sache, die — wie man zu sagen pflegt — dem Börsenverein an die Nieren geht. Das Börsen blatt ist das starke und breite Fundament, auf dem unsere ganze Finanzgebarung aufgebaut ist. Schon der Hinweis auf diesen Umstand, der von jedem von uns und besonders vom Vorstand klar erkannt wird, könnte Herrn Nitschmann be ruhigen, daß unter keinen Umständen eine überstürzte Reform eintreten wird. Wenn der Wunsch ausgesprochen worden ist, daß vielleicht bis zum Herbst diese Reform einer Hauptversammlung unterbreitet werden könnte, so hat das nahe gelegen