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Wir gaben oben das historisch-encyklopadischc Gebiet als die drille von den drei Richtungen an, denen sich Brockhaus in seiner Verlagsthätigkeit vorzüglich hingab. Man kann seine Thätigkeit auf diesem Gebiet wieder unter drei Untcrabtheilungen einordnen, von denen die eine politische Zeitbroschüren, die zweite größere geschicht liche Werke, die dritte vorzugsweise das „Conversations-Lerikon" umfaßt. Die reichste unter diesen Gruppen ist jedenfalls die erste, da die kriegerisch wie politisch so sehr bewegte Zeit der massenhaften Entstehung von Flugschriften und dergleichen kürzeren Werken vor züglich förderlich war. Natürlich war die Mehrzahl der auch bei Drockhaus erschienenen nur von vorübergehender Bedeutung; doch haben mehrere auch historischen Werth behalten, so die Broschüren, die von A.W. v. Schlegel, damals Cabinetssecretär des Kronprinzen von Schweden, in deutscher und französischer Sprache erschienen, ferner die von Villers und Saalfeld, Krug, Müffling, Clausewitz, Lüders, Curths,Fouche. Alle dieseZeitbroschüreu sind entweder histo rischen, besonders kriegsgeschichtlichen, oder gemeinnützlichen, oder politisch-raisonnirenden, oder polemischen Inhalts, von denen sich die vorletzt genannten hauptsächlich mit der Deutschland zu gebenden Verfassung beschäftigen, die letztgenannten aber vorzugsweise sich gegen Napoleon und die bald sich geltend machenden Rückschrittstendenzen richten; auch kleine poetisch-patriotische und satyrische Erzeugnisse befinden sich darunter. Neben diesen Zeitbroschüren verlegte Brockhaus während der Altenburger Periode auch eine Reihe wissenschaftlich-historischer Werke, zum Theil größer» Umfangs und meist die neueste Zeit be handelnd, so u. a. die „Allgemeine Geschichte der neuesten Zeit" und die „Geschichte Napoleon Buonaparte's" von Saalfeld, Venturini's „Geschichte der Befreiungskriege" rc., mehrere Werke von Hormayr über den Tyroler Aufstand rc., die darum von Wichtigkeit find, weil der Erzherzog Johann als der eigentliche Verfasser hinter Hormayr stand, und die deshalb zu Verhandlungen und Händeln mit der oestcrreichischen Preßpolizei Veranlassung gaben. Hier ist auch eines zeitgeschichtlichen Unternehmens Erwähnung zu thun, das damals begründet und noch lange Jahre, bis 1841, fortgeführt wurde, der „Zeitgenossen. Biographien und Charakteristiken". Dieselben er schienen periodisch in Heften und erfreuten sich lange Zeit großer Theilnahme. Das Hauptwerk aber von Brockhaus' Verlag, dem er seit seiner Niederlassung in Altenburg seine vorzüglichste Thätigkeit widmete, und das unter allen Unternehmungen von nun an immer den eigent lichen Mittelpunkt seines Schaffens bildete, war das „Conversations- Lerikon", um das er bald lebhafte Kämpfe gegen den Nachdruck zu bestehen hatte. Brockhaus, sagt in dieser Beziehung die Biographie, begann und vollendete wesentlich während der Altenburger Zeit die als sein eigenstes Verdienst zu betrachtendeUmarbeitung des „Conversations- Lerikons", durch welche dieses erst seinen eigentlichen Charakter und diejenige Gestalt erhielt, in der es fähig wurde, auf die Bildung der Zeit eingreifenden Einfluß zu üben und rasch eine in der Geschichte des Buchhandels einzig dastehende Verbreitung zu gewinnen. Die angekaufte erste Auslage war in jeder Weise ungenügend und auch durch die Nachträge nothdürftig ergänzt. Im Jahre 1812 begann Brockhaus in Altenburg die Umarbeitung des Werkes in einer zweiten Auflage. Diese neue Bearbeitung unterschied sich von der ersten nicht nur durch eine Erweiterung des Inhalts, sondern auch durch gründlicher» Gehalt und genauere Darstellungsweise. Die patriotische Gesinnung machte sich geltend, die Zeitgeschichte, na mentlich die zeitgenössische Biographie, gelangte zu ihrem Rechte; Politik, Staatswirthschaft, alte und neue Literatur, Archäologie, Philosophie, Naturwissenschaften, Mathematik, populäre Heilkunde und Jurisprudenz, selbst Gewerbs- und Handelskunde wurden theils zum ersten Mal, theils in erweitertem Umfange in den Rahmen des Werkes gezogen. Erst 1819 jedoch, in Leipzig, vermochte Brock haus, der, durch ausgebreitetc Kenntnisse in Politik, Literatur und Sprachen dazu wohlbefähigt, die Seele und der Hauptleiter der Redaction des Conversations-Lexikons war, dasselbe mit dem 10. Bande zu Ende zu führen. An der raschen Vollendung wurde er außer durch die Kriegsereignisse hauptsächlich durch den ganz un erwarteten Absatz gehindert, den die neue Umarbeitung gleich bei ihrem Hervortrcten fand. Schon nach dem Erscheinen der ersten vier Bände machte sich 1814 und 15 eine dritte Auflage derselben nöthig, die dann neben der zweiten fortgeführt wurde, und neben der, noch bevor sie vollendet war, von 1817—19 eine vierte Auf lage veranstaltet werden mußte. Noch 1819 sah sich Brockhaus in der angenehmen Lage, eine fünfte Auflage in 10 Bänden besorgen zu müssen. Der materielle Ertrag dieses die kühnsten Erwartungen über steigenden Absatzes lieferte zugleich die feste Grundlage des von ihm in Altenburg so gut wie neubegründeten Verlagsgeschäfts. Aber bald sollte die geistige Werkstatt Brockhaus' zu Altenburg zu eng werden für dessen rastlose Thätigkeit und seinen unternehmenden Geist. Er sah bald, daß Altenburg nicht der Platz war für ein Ver lagsgeschäft von dem Umfange und der Bedeutung, zu der sich das seinige emporgeschwungen, weder in Betreff der geistigen, noch der materiellen Hilfsmittel, die es bot. Weder konnten die Altenburger Pressen seinen Bedarf befriedigen, noch war Altenburg für den buchhändlerischcn Verkehr ausreichend, noch endlich gewährte das geistige Leben Alteuburgs die literarischen Hilfsmittel, deren er von Tag zu Tag mehr bedurfte: seine fortwährend sich erweiternden literarischen Beziehungen, sowie die beabsichtigten neuen buchhänd lerischen Unternehmungen verlangten einen größeren Schauplatz und besonders eine eigene Druckerei. So kam Brockhaus zu der Ansicht, daß nur eine Stadt in Deutschland, Leipzig, als der Mit telpunkt des deutschen Buchhandels, als lebhafte Handelsstadt über haupt, als Sitz einer Universität und eines regen geistigen Verkehrs, seinen Anforderungen genügen könne, und er entschloß sich, sein Geschäft dahin zu verlegen. Doch brachte er Len Entschluß nicht auf einmal und rasch zur Ausführung; er zog vielmehrOstern1817 vorsichtig erst allein dahin, und erst als er sah, daß der Schritt ein richtiger sei, nahm er allmählich die Uebersiedelung seines Geschäfts und seiner Familie vor. So wurde Leipzig, wie er schon in Amster dam gewollt, der Hafen, in welchem sein Lebensschiff nach manchen Widerwärtigkeiten vor Anker ging. Zugleich wurde cs aber die bleibende Stätte der von ihm gegründeten Firma, auf welcher diese sich im Laufe des auf seinen Tod folgenden halben Jahrhunderts nach dem genialen Plan ihres Begründers und doch in einer Weise entwickelte, wie er es selbst wohl kaum zu hoffen gewagt hatte. Mit der Uebersiedelung nach Leipzig beginnt der letzte Abschnitt in Brockhaus' Wirken, für den uns, da der bis jetzt veröffentlichte erste Theil der Biographie mit dem Verlassen Altenburgs schließt, das von R. Brockhaus zur Säcularfeier des Geburtstags F. A. Brockhaus'unter dem Titel: „Die Firma F. A. Brockhaus" in splendider Ausstattung herausgegebene Festalbum zum willkom menen Führer dienen wird. Fürs erste verband Brockhaus seit 1818 mit dem Verlagsgeschäft eine eigene Druckerei, die der damals bestehenden Jnnungsverhältniffe halber als „Zweite Teubner'sche Druckerei" firmirte, und kaufte drei Jahre später ein größeres Grundstück in Leipzig, dasselbe, in dem sich noch gegenwärtig alle geschäftlichen Zweige der Firma befinden, welches er nach und nach ausbaueud zu vergrößern begann, um sich darin mit seinem ganzen Geschäft niederzulassen, namentlich der Druckerei, deren Leitung sein ältester Sohn Friedrich, der speciell die Buchdruckerei bei Viewcg. in Braunschweig erlernt und sich durch Reisen in diesem Fache wei ter ausgebildet hatte, 1820 selbständig übernahm und unter der Firma: „Friedrich Brockhaus" bis 1829 führte.