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Ir 116, 22. Mai. Nichtamtlicher Tbeil. 1895 historisch-encyklopädischen Literatur, das für ihn iu dem „Conversa- tions-Lerikon" gipfelte, das sich wesentlich in diesen Jahren zu dem gestaltete, was cs für die deutsche Literatur geworden ist. Die belletristischen Unternehmungen gruppirten sich hauptsäch lich um das Taschenbuch „Urania", das, schon 1809 unternommen, in seinen zwei ersten Jahrgängen von der Hofräthin Spazier hcr- ausgegeben und zusammengestellt wurde, an dessen Redaction aber schon damals Vrockhaus großen Antheil hatte, wie er denn später dieselbe fast ganz in seine Hände nahm. Die „Urania", die sich bald zu einem der werthvollsten unter den deutschen Taschenbüchern emporschwang, verdankt dies hauptsächlich seinem Eifer und richtigen Tact, indem er cinestheils die angesehensten schöngeistigenKräfte für das Taschenbuch zu gewinnen wußte, andcrntheils durch Prcisaus- schreibungcn dasselbe zu einem Mittelpunkt der poetischen Production in Deutschland zu machen versuchte. Obwohl diese Preisausschrei bungen im Grunde nur ein bedeutendes poetisches Resultat auf weisen können — wir meinen die „Bezauberte Rose" von E. Schulze, einem bis dahin fast ganz unbekannten jungen Dichter —, so waren sie doch für das Unternehmen von großer Bedeutung durch die Anregung, welche sic der belletristischen Production gaben, sowie durch die mancherlei Verbindungen, die sic Brockhaus verschafften, und die zu weiterer Verlagsthätigkeit auf diesem Gebiete der Litera tur die Veranlassung wurden. Es würde zu weit führen, wollten wir uns auf Aufzählung von Namen und Werken einlasscn. Hier genüge es, Nückert,' Oehlenschläger, Tiedge, W. Müller, Schwab, Platen, Z. Werner, Jean Paul zu nennen. (Die eigentliche Blüthe- zcit der „Urania" fällt indeß erst nach Brockhaus' Tod, als die be deutendsten Novellisten, Tieck an der Spitze, ihre Mitarbeiter wurden. Bekanntlich veranlaßte das Revolutionsjahr 1848 ihr Aufhören, nachdem sie 38 Jahre lang bestanden hatte.) Eine zahlreiche Ueber- setzungsliteratnr, die überhaupt von Brockhaus in allen Perioden seiner Verlagsthätigkeit mit besonderer Vorliebe gepflegt wurde, schloß sich aus diesem Gebiete der Herausgabe von Originalwerken an. Aber auch die streng wissenschaftliche, sowie die eigentlich ge lehrte Literatur kam bei deu Verlagsunlernehmungcn Brockbans' nicht zu kurz. Es bedarf nur der Nennung von Namen, wie Ersch, Gruber, Pölitz, Murhard, Sprengel, Kiefer, Eschenmayer, Nasse, H. Ritter, von Lenen wichtige, zum Theil sehr umfangreiche Werke in dieser Periode durch Brockhaus veröffentlicht wurden, um dessen Thätigkeit auch in den Fächern der ernsten Literatur zu würdigen. Nicht minder bedeutend als auf dem schönwissenschaftlichen war Brockhaus' Thätigkeit auf dem politisch - publicistischen Gebiete, ja man kann sagen momentan in der großen Zeit von 1812—15 noch einflußreicher, denn Brockhaus war nicht nur ein unternehmender Verleger von richtigem literarischen Urthcil und feinem Geschmack, sondern er war auch vor allem ein feuriger Vaterlandsfreund, in welchem nationaler Sinn und politischer Freimuth sich in glücklichem Einklang befanden, und der in der damaligen Zeit mit zu der Zahl der dem Gedächtniß der Nachwelt aufzubewahrenden Patrioten ge hörte, die mit ihrer Persönlichkeit, mit ihrem ganzen Dichten und Trachten für die Befreiung Deutschlands eintraten, und ihre Thätig keit in dieser Beziehung nicht bloß nach ihrem Beruf oder gar nach ihrem Vorthcil, sondern nach ihrer patriotischen Gesinnung bemaßen. Wie die „Urania" der Mittelpunkt von Brockhaus' belletristi scher Verlagsthätigkeit, so wurden die „Deutschen Blätter" der Angelpunkt, um den sich dessen politisch-publicistischcs Wirken dreht. Gleich bei seiner Ankunft in Altenburg hatte er an die Gründung eines derartigen Unternehmens gedacht; allein die Zeiten unter der französischen Fremdherrschaft waren zu ungünstig, als daß er an die Durchführung einer politischen Zeitschrift hätte denken können. Hatten doch verschiedene Versuche aus nicht publistischem, rein lite rarischem Wege, gewissermaßen verdeckt in bas Gebiet der Politik hinübcrzugreifen, ihm nur Ungelegenheiten, ja Conflicte mit den Behörden und hochstehenden Persönlichkeiten (u. a. dem Fürsten Hatzfeld) bereitet. Jetzt, nach den Siegen der Alliirtcn im August 1813 änderte sich die gan;e politische Constellation, und als gar Fürst Schwarzenberg am 10.October seinHauptguartier nach Alten burg verlegte, benutzte Brockhaus, entschlossen wie er war, rasch die günstige Gelegenheit zur Förderung seiner Absichten auf publi- cistischem Gebiet, indem er sich von Schwarzenberg einen „Befehl" zur Herausgabe eines „periodischen Blattes" erwirkte, das nur der Censur des Platzcvmmandanten zu Altenburg, nicht aber der dor tigen Censurbehörde unterliegen sollte. Das Ergebniß dieses „Be fehls" war das Erscheinen der „Deutschen Blätter", deren erste Nummer vom 14. October, also 2 Tage vor dem Beginn der entscheidenden Völkerschlacht bei Leipzig, datirt, und die bald zu den besten und am meisten gelesenen unter den durch den Befreiungskrieg hervorgerufenen und die Erhebung des deutschen Volkes fördernden Erzeugnissen der deutschen Presse gehören soll ten, und sich ebenbürtig Görres' „Rheinischem Mercur", Luden's „Nemesis" und der „Nationalzeitung der Deutschen" zur Seite stellen durften. Wenn auch die gewaltigen Ereignisse der dama ligen Zeit gewissermaßen den wirksamsten Mitarbeiter an einer solchen Zeitschrift, deren erstes Bestreben war, ein schneller Herold derselben zu sein, abgaben, so trugen doch auch die durch Inhalt wie Gesinnung ausgezeichneten patriotischen Aufsätze, die der Zei tung von allen Seiten zuströmten, nicht wenig zu ihrer Verbreitung und dem Einfluß, den sie gewann, bei. Waren doch unter ihren Mitarbeitern Pölitz, Saalfeld, Curths (der Historiker), Villers, Hasse, Zcune, Oken, A. W. Schlegel, Perthes und Baumgarten- Crusius. Auch die patriotische Dichtkunst war reich vertreten; mehrere der zündendsten Dichtungen von Körner, Schcnkendors, M. Claudius, Ehr. Graf zu Stolberg, Rückert erschienen zuerst in der selben. Die ganze Seele des Unternehmens blieb übrigens Brock haus selbst; denn wenn auch Hain und Sievers die eigentlichen Re- daetionsgcschäfte besorgten, so war er doch der leitende Geist, der nicht nur als Berichterstatter für sein Blatt dem großen Haupt quartier sich angeschlossen und mit nach Leipzig zur Schlacht begeben hatte, sondern der auch schreibend, rathend und mitrcdigircnt auf alle Weise bei der Herausgabe fördersamst sich betheiligte. Wir können hier nicht umhin, neben den andern zahlreichen und interes santen Actenstücken in Betreff der „Deutschen Blätter", ihrem Pro gramm ic-, welche die Biographie zur Charakterisirung des Unter nehmens mittheilt, besonders auf einen aus der Feder Brockhaus' herrührenden Aufsatz aufmerksam zu machen, der unter der Ueber- schrift: „Noch ein Wort über den Franzosenhaß" ein Thema behan delt, das jetzt von neuem wie von selbst sich der politischen Be sprechung darbietet, und das Brockhaus im Geist und mit dem Feuer des echten Patrioten behandelt. Natürlich mußte mit den weniger hochgehenden politischen Wogen in Len bald folgenden Friedens jahren der Absatz des Blattes sich mindern, und so zog es Brockhaus vor, dasselbe Mitte 1816 eingehen, statt es an der in jener der Publicistik immer ungünstiger werdenden Zeit an der Auszehrung sterben zu lassen. Die „Deutschen Blätter" — aus denen nach deren Eingehen die „Isis", von Oken herausgegeben, sich entwickelte — sind nicht bloß wegen ihres Einwirkens auf die Bewegung der Geister in jener Zeit im Allgemeinen von Bedeutung, sondern speciell für Brockhaus auch dadurch, daß sie ihn mit den besten politischen Schriftstellern der Zeit in Verbindung brachten, die er dann zu Verlagsunterneh mung an sich zu fesseln wußte, Umstände, die seiner Verlagsthätig keit die politische nationale Richtung gaben, die für die nächste Zeit ihr charakteristisches Kennzeichen wurde, ohne Loch den Verleger zu einseitiger Thätigkeit zu verführen. 253*