Volltext Seite (XML)
verbundenen Verthcuerung wohl nur in dringenden Fällen angc- wendet worden. Um diese Kosten ermäßigen zu können, wird die Post wahrscheinlich von dem Verleger die Netto- und Baarpreise verlangen, die dieser dem Sortimentsbuchhändlcr bewilligt und da diese von 25 bis 50 Procent des Verkaufspreises steigen, so ergibt eine leichte Rechnung, daß die Post dem Verleger um die Hälfte und mehr jener Proccnte Nachlassen und die Sendung ganz unentgeltlich leisten kann und dabei doch noch ein sehr gutes Geschäft machen wird. Nehmen wir das Beispiel, daß das Buch 3 Thlr. koste und der Ver leger cs dem Sortimenter mit 33sH liefere, also mit 2 Thlrn., so kann die Post sich mit 16-/Y, also mit 15 Sgr. Rabatt begnügen und wird doch noch — Postanweisung und Postpacket nach jetzigem Tarif mit 7 Sgr. berechnet — mehr als das Doppelte dieser Sätze bei der Bestellung verdienen. Nur bei billigen Lieferungswerken und Flugschriften für einige Groschen wird der Gewinn, gegenüber den bisherigen Portosätzcn, ein geringerer oder verwandelt sich sogar in eine Einbuße, indeß ist davon ein bedenkliches Resultat für den Gesammtcrtrag dieses neuen Verkehrszweiges nicht zu fürchten und stellte es sich trotzdem ein, nun, so überläßt man den Vertrieb solcher Drucksachen dem Colporteur und Sortimcntsbuchhändler und be schränkt die amtliche Hilfsleistung, wie schon der Titel des neuen Instituts sagt, auf Bücher. Soweit wäre die Sache ja ganz hübsch in der Ordnung. Das Publicum hat seinen literarischen Bedarf binnen soviel Tagen, als sonst vielleicht Wochen, es hat sich nicht mit der Verificirnng von Buchhändlerrechnungen zu ärgern und wer etwa eine größere Summe aus Bücher zu verwenden Pflegte und deshalb einen kleinen Rabatt von seinem Sortimentsbuchhändlcr erhielt, nun, dem kann die Post das auch gewähren. Braucht sie doch nur die volle Summe des Rabatts vorn Verleger einzuzichen, der seinen besonderen Vor theil ja darin hat, daß ihm die langen Credite und Ausfälle, Meß abrechnung und Meßbesuch überhaupt fortan ganz erspart werden sollen. In der andern Wagschale liegt freilich der totale Ruin des deutschen Buchhandels, die tiefstgreifende Schädigung des geistigen Lebens der Nation. Die Organisation des deutschen Buchhandels ist eines der eigenthümlichsten und feinsten Kunstwerke des Verkehrs. Mag sie bei dem großen Aufschwünge der literarischen Production und ihrer Wirkungskreise in den letzten Jahrzchendcn hier und da Schwer fälligkeiten gezeigt haben: das sind nur die Fehler viel bedeutenderer Tugenden, Langsamkeit ist Eindringlichkeit. Und daß diese Organi sation noch Lebenskraft genug besitzt, das hat sie in der letzten Zeit zumal bewiesen, indem sie durch die Störung, mit welcher das Wuchern der „wilden Buchhändler" drohte, nicht alterirt worden ist. Der Mittelpunkt dieser Organisation und ihr für Literatur und Volk bedeutsamster Factor ist der Sortimentsbuchhändler. Wo nur das geistige Leben eines Landstriches, sei cs in der Kleinstadt oder selbst in großen Dörfern, ein gewisses kleines Niveau erreicht, da stellt so unfehlbar, wie in den Camps der Nevada der Pedlar, so hier der kleine Buchhändler sich ein. Mit Hilfe von Buchbinderei und Schreibmaterialienverkauf beginnt er sein Wagstück, erst mit Bibel, Katechismus, dann Elemcntarschulbuch, dann versucht cr's mit den Kalendern und endlich geht er an den Schiller, den Körner, die Hempel'schcn, Reclam'schen, Hildburghauscncr Sammelwerke. Es sind schwere, entbehrnugsvolle Zeiten, die der auf Gymnasium oder Realschule gut vorgebildete, in den Lehr- und Gehilfenjahren an die Anregungen geistigen Verkehrs und guter Gesellschaft gewöhnte junge Mann hier hinter seinem Ladentische verbringt; aber nach fünf, nach zehn Jahren haben sich die Rcpositorien gestillt, die ^ Bücherballcn wandern im Strome ein und aus, der Laden ist der Mittelpunkt geworden, von dem der Gebildete wie der Bildungs lustige Nahrung, Lehre und Rath zieht, die höhere Cultur hat nun erst ihre feste und sichere Stätte gefunden, wie weder das Bureau des Herrn Landraths noch die Kanzel des Herrn Pastors sie rcprä- sentirtcu. Der Franzose mag seine Cafös haben, aus denen die großen Mittelschichten des Volkes sich ihre Anregungen und Mei nungen holen, dem Engländer erweist die große, stoffreichc Zeitung ähnlichen Dienst: der Deutsche — und das ist wahrlich nicht sein schlechtester Zug — geht da etwas langsamer und gründlicher zu Wege. Neben dem flüchtigen und etwas mißtrauisch aufgenommenen Reiz des Tageblattes, neben der leichten Fluglcctürc des Romanes aus der Leihbibliothek will er von Zeit zu Zeit auch etwas Ernste res, sei das allgemeineren Interessen zugewendet oder diene cs ihm zur Fortbildung in Berus und Amt. Aber die Katze im Sacke kaust er nicht, der Buchhändler hat ihm das Buch „zur Ansicht" zu ver schreiben, er schneidet's auch erst von der Seite auf und hat es die Probe bestanden, dann zieht er den Beutel. Ohne die Möglichkeit solcher Prüfung und Auswahl würde er sich noch weit mehr besinnen, als er es ohnehin schon thut, seine schönen Thaler und Gulden in Bücher zu stecken. Und diese Prüfung, diese Auswahl macht ihm eben nur der Buchhändler möglich durch seine festen Kreditbezie hungen zum Verleger, durch seine Erfahrung und Urtheilsfähigkeit inmitten des wegelosen Oceans, so man Büchermarkt nennt. Soll der „Buch-Amts-Vorsteher" das etwa künftig thun? Soll der Mann außer all dem weitverzweigten Wissen, das sein Beruf erfordert, auch die Hinrichs'schen Büchcrkatalogc studiren und das Buchhändler-Börsenblatt, und das nicht bloß von Tag zu Tag, son dern Jahrzehende zurück, um aus einer lückenhaften oder gar falschen Titelangabe das Buch sich richtig zu construiren, das ein Kunde gern haben möchte? Und wäre das selbst der Fall, soll er die bestellten Bücher, die mit der Post bei ihm eingehen, erst einer kleinen Re vision unterwerfen, um doch wenigstens sx xost ein ganz dürftiges Stückchen jener Bücherkenntniß zu erlangen, die den Buchhändler befähigt, Auskunft zu geben bei der Wahl eines Buches, zuzurathen oder abzurathcn, je nachdem er von dem Namen der Verlagsfirma oder des Verfassers auf das Solide und Geeignete des Werkes schließen kann? Und würde selbst das ihm aufgcbürdet und ver möchte er selbst das zu erfüllen, würde dann das Buch-Amt nicht erst recht das werden, was man unter dem ominösen Titel zu Maria Theresia's Zeiten verstand, nämlich ein Censur-Amt, bei welchem das Gewissen des Beamten sich an Stelle der freien Kritik setzt und wo der Betreffende ob seines guten Ansehens nach oben hin sich hüten muß und hüten wird, dem Anfragenden von einem freisinnigen Buche etwas Gutes zu sagen. Freilich glauben wir gern und sagen es auch freiwillig gern, daß der jetzige Rcssortchcf mit diesem seinem Projekte keine derartigen Hintergedanken verbindet, aber wir sind in Preußen gewöhnt genug daran, daß amtliche Auffassungen und Interpretationen im Laufe der Zeit aus Weiß in Schwarz sich wandeln.... Will man aber dem neuen Institute diese Ausdehnung nicht geben, sollen die Buch-Aemtcr nur die Aufgabe haben, Demjenigen, der ein genau nach Verlagsort und Titel bezeichnetes Werk fest und gegen sofortige Vorauszahlung des ihm bekannten Preises zu er halten wünscht, dies schneller zu vermitteln, als bisher auf Buch- händlcrwegen geschah: nun, so wird das Ganze freilich nicht die Be deutung erlangen, auf die es schon nach seinen nothwendigen Vor bereitungen rechnen müßte, aber es wird immerhin noch kräftig genug sein, den deutschen Buchhandel ganz wesentlich zu schädigen und in Unordnung zu bringen. Mögen die Verleger nicht zu sicher der Vortheile harren, die ^ ihnen aus einem geringen: Rabatte, den sie vielleicht der Post nur ^ zu gewähren hätten, sowie aus den prompten Baarzahlungen er blühen sollen. Denn wünschen sie diesen direkten Verkehr mit dem 421'