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Nichtamtlicher Teil. Ausstellung alter Bucheinbände in München. In der Absicht, dem Münchener Buchgewerbe durch Vorführung künstlerisch hervorragender Beispiele alter Binde kunst neue Anregungen zuzuführen, hat das Gewerbeförde rungsinstitut der Handwerkskammer von Oberbayern in seinen Räumen an der Damenstiftstraße in München eine Ausstellung arrangiert, die ungefähr fünf Dutzend alter Bucheinbände, Kabinettstücke der Münchener Hos- und Staats bibliothek, allgemeiner Kenntnis zugänglich macht. Unter dem Gebotenen, das in kleinerem Umfange ein Bild von der Entwicklung des künstlerischen Bucheinbandes zu geben sucht, befindet sich manches charakteristische, bald prachtvolle, bald merkwürdige Exemplar, manches Meisterstück der Bindekunst, das bald mehr durch die technischen, bald mehr durch die künstlerischen Qualitäten in Erstaunen setzt. Am ausgebreitetsten ist naturgemäß die deutsche Buch- bindckunst vertreten. Die Technik des Lederschnitts, die während des ganzen Mittelalters in Übung blieb und in Verbindung mit der Technik des Punzens und Treibens in der Zeit der Gotik zur Blüte gelangte, ist durch zwei wertvolle Einbände charakterisiert. Die Lederbezüge dieser Bände zeigen eine schön und kräftig entwickelte Ornamen- tation in großen Formen. Einen Fortschritt in technischer Fertigkeit bedeuten eine Anzahl Bände aus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, deren Lederbezüge in der Technik der Blindpressung mit dem Streicheisen in einen äußeren Rahmen und ein vertikal gegliedertes Mittelfeld ge teilt und mit kleinen Einzelstempeln dekoriert sind. Sehr schön ist der große Schweinslederband mit der das ganze Mittelfeld überziehenden leichten Rautenranke und eigenartig der kleine Schaflederband mit dem I38-Stempel und dem kräftigen mit Einzslstempeln verzierten Rahmenschmuck. Um die Wende des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts kam die Buchbinderrolle auf, die namentlich von deutschen Buchbindern gern gebraucht wurde und insofern einen Fortschritt bedeutete, als die Umrahmungsborden nun nicht mehr mühsam mit dem Handstempel gepreßt zu werden brauchten, sondern durch Abrollen der runden Metallscheibe mit einer Umdrehung ein ganzer Schmuck streifen gefüllt werden konnte. Wie dieses neue Buchbinder werkzeug in der Zeit der Renaissance Einfluß gewinnt, dafür zeugt eine Reihe größerer und kleinerer Einbanddecken, die auch künstlerisch von Bedeutung sind. Ein Band aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zeigt die Verwendung eines Plattenstempels in der Art der sogenannten nieder ländischen Einbände. Er bringt in Goldpressung ein orna mentales Flächenmuster, das, zwanzigmal aufgedruckt, den ganzen Spiegel überzieht. Die Art des in Sachsen tätigen Buchbindermeisters Jakob Krause charakterisiert ein pracht voller Renaissanceband, dessen Lederbezug eine sehr kräftig wirkende Dekoration aufweist. Für die Dekorationsart des siebzehnten Jahrhunderts ist bezeichnend eine schöne Münchener Arbeit mit einem Flächenstabmuster, das wie eine Gloriole um, den Mittelkern geführt ist und als Viertelkreis auch in den Ecken wieder erscheint. Reichen Schmuck trägt ein Band mit dem Bildnis Luthers im Mittel felde und Umrahmungsborten, die mit der Rolle bedruckt sind, eine Schmuckart, die bei den deutschen Buchbinder meistern der Renaissance sehr beliebt war. In das acht zehnte Jahrhundert führen einige sehr schöne Arbeiten mit Spitzenmustern als Zierat, reicher Linienführung und über sichtlicher Flächenteilung. Die italienische Bindekunst wahrt mit einem Band vom Anfang des 16. Jahrhunderts ihren Zusammenhang mit dem Orient, dessen Formen und Techniken durch die Vermittlung Italiens auch im übrigen Europa rasch bekannt wurden. Dieser Band hat vier Lederschließen, auf denen die aus dem Orient eingeführte Goldpressung auftritt. Be merkenswert ist ferner ein venezianischer Lederband mit schlichter Umrahmung und kräftigen Goldstempeln an den Ecken und im Mittelfeld. Übertroffen werden diese Arbeiten aber durch ein köstliches Exemplar schönster italienischer Luxuskunst im Geschmack des großen Bibliophilen Thomas Maioli. Die Decke trägt auf braunem und grünem Grunde eine prachtvolle goldgepreßte Renaissance-Ornamentik, Band- und Rollwerk und Kartuschen. Den Bindegeschmack der französischen Renaissance charakterisieren zwei Bände. Der eine, ein Maroquinband, zeigt auf dem Grunde der Deckelfläche, die ganz mit Lilien und Monogrammen überstreut ist, als dominierendes Schmuck motiv das Wappen Franz' I. Der andere, ein Mosaikeinband mit farbigen Lederauflagen, kennzeichnet die Art der Grolier- bände. Jena hat ein schönes Gegenstück in einem großen Maroquinband Heinrichs IV., einem Geschenk des französischen Königs an den Herzog Wilhelm von Bayern. Ganz hervor ragend schön ist ein Maroquinband im sogenannten Fan- sarenstil vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts. Die Decke zeigt eine minutiöse, an Filigranarbeit erinnernde Technik. In zierlich geführten Spiralen breitet sich die Ornamentik über die Fläche. Auch die Dekorationsart des französischen Buchbindermeistsrs Le Gascon ist mit einem Beispiel ver treten. Weiter die Schmuckarten des achtzehnten und be ginnenden Jahrhunderts bis zum eintretenden Verfall. L. 8. Die Bonaparte in bibliographischer Beziehung. Nach einer kurzen Glanzzeit wurde der erste Napoleon an die kahlen Felsen von St. Helena gefesselt, aber der Reiz seiner Person und seiner Taten wirkt weiter. Noä) nach einem Jahr hundert beschäftigen sich zahlreiche Federn in unseren Tagen mit der Epoche des ersten Kaiserreichs. Indessen dürfte es eine unp assende kritische, unparteiische Geschichte des napoleonischen Zeit alters nicht geben, woran ja manche fast unüberwindliche Schwierigkeiten schuld sein mögen, z. B. die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit der Benutzung der Archive der verschiedenen Staaten Europas, die mangelnde Kenntnis der verschiedenen Sprachen der europäischen Völker, die ja so ziemlich sämtlich mit Napoleon zusammengestoßen sind, bei dem einzelnen Forscher und der ungeheure Umfang der Literatur über Napoleon und seine Zeit. Zudem fehlt eine vollständige Bibliographie der Napoleonliteratur, die allein schon ein vielbändiges Werk dar stellen würde. Herr Friedrich M. Kircheisen in Genf, der sich feit Jahren mit dem Plane einer Geschichte der napoleonischen Zeit beschäftigt, hat nunmehr als Vorarbeit dazu das Material zu einer Bibliographie derselben gesammelt, deren erster Band vor zwei Jahren bei Mittler L Sohn in Berlin erschienen ist. Herr Kircheisen verfügt über mehr als 70 000 verschiedene Werke und Zeitschriftenaufsätze für seine Napoleonbibliographie (und teilweise in seinem Besitz), die mit den zahlreichen Ausgaben und Übersetzungen die Zahl von 200 000 Titeln erreichen mögen, und in kritischer Auswahl in Kircheisens Bibliographie dargeboten werden. Hoffentlich ist es Herrn Kircheisen vergönnt, seine auf 8 bis 10 Bände berechnete Geschichte Napoleons und seines Zeitalters in nicht allzu ferner Zeit durchzuführen. Kircheisen bedauert im Vorwort zum ersten Bande seiner Napoleonbibliographie die Tatsache, daß manche sonst sehr ein sichtsvolle Gelehrte die Bibliographie als Wissenschaft noch immer von einem sehr laienhaften Standpunkte ans betrachten. »Wenn die wissenschaftliche kritische Bibliographie«, sagt Kircheisen, »in gelehrten Kreisen weiterhin so vernachlässigt wird, wird es in einigen Jahrzehnten und Jahrhunderten sehr schlecht um die