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«V 18, 23. Januar 1914. Redaktioneller Teil. schaulichkeit diente eine 1874/75 vollendete 2. Auflage des »Bildcr-Atlas. Jkonographischc Enzi>klopädic der Wissenschaften und Künste«. Eine Volksausgabe desselben großen Werkes folgte 1886. Das »Kleine Konversations-Lexikon« erschien in mehreren Auflagen. Gleich dem grossen Lexikon wurde auch dieses durch bildliche Beigaben bereichert und dem Verständnis nähergerllckt. Das große Monumentalwerk Ersch und Grubers »Allgemeine En zyklopädie der Wissenschaften und Künste«, von dem bis jetzt 167 Teile vorlicgen, wurde um 18 Teile vermehrt. Das dem Buchhändler wertvolle Heinsinsschc »Allgemeine Bücher-Lexikon« wurde um 5 weitere Bünde vermehrt (bis 1894> und mit dem 19. Bande abgeschlossen <1769-1892). Viele große Sammelwerke rief vr. Eduard Brockhaus ins Leben. Von der »Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek« <1873—1889) erschienen 68 Bände, vom »Neuen Plutnrch« <1874 — 1888) 12 Teile. Von anderen großen Sammelwerken kennt der fachmännische Leser Bolze, »Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen« <25 Bände), Riehls <ursprünglich Räumers, später von Maurenbrecher weitergeführtcs) »Historisches Taschenbuch«, 5. und 6. Folge (insgesamt 62 Jahrgänge), vr. A. Vollerts »Neuen Pilaval« <24 Bände), »Deutsche Klassiker des Mittelal ters«, »Deutsche Dichtungen des Mittelalters«, »Deutsche Dich ter des 16. Jahrhunderts«, »Deutsche Dichter des 17. Jahrhun derts«, »Bibliothek der deutschen Nationalliteratnr des 18. und 19. Jahrhunderts«. Viele neue Bände und neue Auflagen fallen in den Zeitabschnitt seiner Geschäftsleitnng. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die gesamte, unge mein rege Vcclagstätigkeit des zur Ruhe gegangenen lieben Kol legen im einzelnen zu verfolgen. Sie bewegt sich, wie bekannt, auf den Gebieten der politischen Geschichte, Kulturgeschichte, Bio graphie, Memoiren, Briefe, Theologie, Philosophie sin der Arthur Schopenhauer als ragende Größe hervorleuchtet), der Rechts- und Staatswissenschaft, der Archäologie (Heinrich Schliemann!), der neueren Kunstlileratur, Reiscliteratur (Stanley, Nordenskiöld, Baker, von den Steinen). Auch die Militär- und die Marinelite- ratnr, ebenso die Jagdliteratur zeigen namhafte Vertreter. Wis senschaftliche Übersetzungen sind zahlreich, mehr noch fremdspra chige Werke, letztere zum Teil in bändereichen Sammlungen. Ein geschränkt als Verlagsgebiet wurde die früher sehr gepflegte Me dizin, ebenso der früher gleichfalls lebhaft betriebene Verlag von Romanen und Erzählungen, doch finden sich auch in der vr. Eduard Brockhausschen Verlagspcriodc viele namhafte und wertvolle Werke dieser Gattung. An Lehrbüchern mancherlei Richtung ist in dieser Zeit außerordentlich viel ans dem Brock hausschen Verlage hervorgegangen, namentlich auch an kleinen wie großen Wörterbüchern. Hatte die vierte Periode im Leben des großen Verlagshauses <1850—1874), an der, wie wir wissen, seit 1854 auch Nr. Eduard Brockhaus lebhaft tätigen Anteil hatte, eine Gesamtheit von 956 Verlagswerken gebracht, so hat er selbst in der fünften Periode <1874—1895), die seiner eigenen Leitung unterstand, an zahlen mäßiger Menge neuer Veröffentlichungen sich Zurückhaltung auf erlegt. Sein verlegerisches Neuschasfen in dieser Zeit beschränkt sich auf 415 Werke. Doch darf hierbei einerseits ein gewisser Überreichtum Heinrich Brockhausscher Verlagsproduktion in Be tracht gezogen werden, der eine Einschränkung zur kaufmännischen Pflicht gemacht haben mag, anderseits auch der vorwiegend wis senschaftliche Charakter der Werke seines Nachfolgers und nicht zuletzt übrigens Wohl auch die gegen weit zurückliegende Jahr zehnte inzwischen erheblich gewachsenen Ansprüche aller, die bei Schaffung und Ausgabe eines neuen Buches beteiligt sind. Am 1. Juli 1895 traten die Brüder vr. Eduard Brockhnus und Rudolf Brockhaus von der Leitung des großen Hauses zurück und legten sie in die Hände ihrer Söhne. In den neunzehn Jahren seit seinem Rücktritt vom Geschäft ist vr. Eduard Brock haus nicht nur dem altgewohnten Arbeitsplatz treu geblieben, sondern hat sich anch weiter mit gewohntem Ernst und hingebcn- dcr Treue in den Dienst des beruflichen Gemeinwohls gestellt. Bis zu seinem nun erfolgten Hinscheiden verwaltete er seit Schaffung der »Historischen Kommission« des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler <1876) das Ehrenamt ihres Vorsitzenden, nur unterbrochen von den Jahren, in denen er als Zweiter und s als Erster Vorsteher des Börsenvereins anderweit ehrenamtlich in Anspruch genommen war. Auf seinen, in der Form durch die »Historische Kommission« gestellten Antrag, beschloß die Haupt- Versammlung der Ostermesse 1877 die Schaffung einer »Geschichte des Deutschen Buchhandels«. Es ist bekannt, welchen Wechselfäl- Icn und Schwierigkeiten diese Arbeit begegnete, bis es endlich ihrem letzten Bearbeiter vr. Johann Goldfriedrich gelang, das von Friedrich Kapp verheißungsvoll begonnene Werk mit dem erst vor wenigen Wochen erschienenen 4. <Schluß-)Bande zu glücklichem Ende zu führen. Mit fast jugendlicher Begeisterung verfolgte der alte Herr die Vollendung des Werkes und nahm ungeduldig, mahnend und ermunternd den regsten persönlichen Anteil an sei nem Wachsen und Reifen. Seine Vollendung empfand er mit innigster Genugtuung. Um aber sein aufopferndes Wirken im Börsenvcrcin der Deut schen Buchhändler vollkommen würdiget, zu können, müssen wir weiter zurückgreiscn. Sehr weit sogar, denn schon zur Ostermessc 1857, unter der Vorsteherschaft von vr. Moritz Veit, berief die Hauptversammlung des Börsenvereins ihn, der erst wenige Jahre zuvor, 1855, die Mitgliedschaft erworben hatte, in das Amt des Ersten Schriftführers im Vorstande. Als solcher beteiligte er sich im Oktober 1857 mit bewährter Sachkunde an den Beratungen des vom Börscnvercin eingesetzten Ausschusses zur Vorbereitung eines ilrhcberrechtsgesetzes, und im August 1858 vertrat er den Börsenverein bei der Gedenkfeier des dreihundertjährigen Be stehens der Universität Jena. Sein Amt führte er dem Turnus gemäß bis 1859. Immer mit reger Aufmerksamkeit und Teilnahme den öffent lichen Angelegenheiten des Buchhandels folgend, gern auch per sönlich für das Wohl des Berufes eintretend — wie er insbe sondere auch durch sein langes und eifriges Wirken im engeren, für die zentrale Organisation hochwichtigen »Verein der Buch händler zu Leipzig« bekundet hat —, fand er sich auch im um fassenderen Kreise des Börsenvereins immer in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Kollegen und sah sich von ihrem Vertrauen getragen. So fanden auch seine schon erwähnten An regungen zur Einsetzung einer »Historischen Kommission« und zur Ausarbeitung einer »Geschichte des Deutschen Buchhandels« beim Börsenvereinsvorsland verständnisvolle Würdigung und führten zu den gemeldeten Anträgen, die 1876 bzw. 1877 von der Hauptversammlung angenommen wurden. Die »Historische Kommission« ist stets unter Hinzuziehung namhafter Gelehrten und Schriftsteller — wir erinnern an Gustav Freytag, Friedrich Zarncke, Karl Lamprecht — gebildet worden und hat dankens werteste Arbeit getan. Wie gleichfalls schon mitgeteilt, wurde vr. Eduard Brockhaus schon 1876 zu ihrem Vorsitzenden bestellt. Er hat dieses von manchem Schicksal, mancher entmutigenden Lage nicht verschonte Ehrenamt getreu und fest geführt, zunächst bis 1888 und dann in spätem Alter wieder von 1895 bis jetzt, wo der Tod ihn abrief, nachdem er wenige Wochen zuvor hochbeglückt den lange erwarteten Schlutzband des interessanten Geschichts werks empfangen hatte. Ein Vorläufer dieses zusammensassenden, abgerundeten Werks war das gleichfalls von vr. Eduard Brockhaus angeregte, vom Börsenverein in die Hand genommene »Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels«, ein im Verlage des Börsenvereins erscheinendes und neben dem vorgenannten werdenden Buche lange fortgeführtes periodisches Unternehmen. Herausgegeben war es von der »Historischen Kommission« des Börsenvereins, bearbeitet von dem langjährigen Bibliothekar des Börsenvereins F. Hermann Meyer (H 1892) und vr. Albrecht Kirchhofs (s- 1902). Auch diesem in 20 Jahresbänden mit Gesamtregister vorliegenden Werk war vr. Eduard Brockhaus ein tatkräftiger Förderer. Noch i» hohem Alter schritt er zur Anregung einer weiteren beim Bör senverein einzurichtenden Sammelstätte buchhandelsgeschichtlicher Urkunden, des »Deutschen Buchhandels-Archivs«, einer Fundgrube für spätere Forschung, wie sie unter vr. Goldfriedrichs Obhut seit 1909 im Deutschen Buchhändlerhause zu Leipzig besteht. Obwohl in den Wegen znm Ziele anfangs nicht mit den weitgehenden Vorschlägen Adolf Kröncrs einverstanden, be kannte er sich nach reiflicher Prüfung doch zu dessen Reformen, die sich in den achtziger Jahren im Buchhandel nötig gemacht 119