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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 283. 7. Dezember 1914. antragsberechtigt sein sollen. Bisher hat sich jedoch die Regierung trotz der von den verschiedensten kaufmännischen Verbänden gegebenen Anregung zu einer entsprechenden Erweiterung nicht entschließen können. An den Vortrag schloß sich eine rege Diskussion, in der u. a. der Vorsitzende, Justizrat Or. Waldschmidt, auf die im Gegensatz zu frühe ren Kriegen in dem gegenwärtigen Krieg besonders auffallende Tat sache hinwies, daß in diesem Krieg nicht nur Staat gegen Staat gegen einander kämpfen, sondern auch das Privateigentum feindlichen An griffen ausgesetzt sei infolge der englischen Tendenz, Deutschland nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich zu schädigen. Diese Eigen tümlichkeit des jetzigen Krieges verursachte zahlreiche Vorschriften des Bundesrats, die Vergeltungsmatzregeln gegen das feindliche Ausland darstellen und den deutschen Kaufmann vor die Notwendigkeit stellen, sich vollständig veränderten Verkehrsanschauungen anzupassen. Maßnahmen des Handelsvertragsoereins zur Förderung des Anßcnhandels mährend der Kriegszeit. — Der Handelsvertragsverein in Berlin VV, Köthencr Str. 28—29, hat für seine Mitglieder nach stehende Einrichtungen geschaffen: 1. Nachrichtenvermittlungsstellen zur Ermöglichung des Brief-, Geld- und Dokumentenvcrkehrs mit Firmen des Auslandes. 2. Kurierdienst zur Erledigung von Aufträgen zu persönlicher Rücksprache, Intervention usw. 3. Spediteure und Zwischenhändler sin Dänemark, Norwegen, Holland, der Schweiz) zur Vermittlung des Ein- und Ausfuhrhandels mit Ubersee und dem sonstigen weiteren Ausland. 4. Kaufmännische Vertrauenspersonen zur Wahrung der Inter essen deutscher Firmen an wichtigen Außenhandelsplätzen und dem zugehörigen Gebiet. Bei Inanspruchnahme dieser Einrichtungen sind den beteiligten Vertrauenspersonen Honorare und Vergütungen zu zahlen, deren Höhe sich nach der Lage des Einzelfalles richtet. Die Veranstaltung von Kurierreisen hängt davon ab, daß sich jeweils eine genügende Anzahl lohnender Aufträge findet, um die Reise in ein bestimmtes Land zu ermöglichen, ohne daß den beteiligten Firmen eine zu große Ausgabe entsteht. Es werden nur Aufträge übernommen, die militärisch und politisch zu keinen Bedenken Anlaß geben und den in Deutschland erlassenen triegsgesetzlichen Bestimmungen sz. B. dem Handels- und Zahlungsverbot gegenüber französischen und englischen Firmen) nicht zuwiderlaufen. Die Einziehung von Außenständen in England und Frankreich ist infolge der dortigen Zahlungsverbote unzulässig und deshalb, von Ausnahmefällen abgesehen, vor Friedensschluß unmög lich. In Rußland scheint das gleiche der Fall zu sein. 8k. Die Einberufung zum Kriegsdienst und das Sechswochengehalt. — Von der Voraussetzung ausgehend, daß der Arbeitnehmer der wirt schaftlich Schwächere und der Arbeitgeber der wirtschaftlich Leistungs fähigere ist, hat der Gesetzgeber im § 63 detz Handelsgesetzbuchs folgende Bestimmung getroffen: »Ein Handlungsgehilfe, der durch unverschul detes Unglück an der Leistung des Dienstes verhindert wird, behält seinen Anspruch auf Gehalt und Unterhalt, jedoch nicht über sechs Wochen vom Eintritt der Verhinderung hinaus«. Es mar zu erwarten, daß sich die Kaufmannsgerichte mit der sehr wichtigen Frage zu be schäftigen hatten: Ist die Einberufung zum Kriegsdienst ein unver schuldetes Unglück im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Han delsgesetzbuchs oder nicht? Kann der einberufene Handlungsgehilfe also die Fortzahlung seines Gehalts auf sechs Wochen verlangen oder hat er darauf keinen gesetzlichen Anspruch? Es sind denn auch vor vielen Kaufmannsgerichten Klagen auf Gehaltszahlung erhoben worden; auch das Leipziger Kaufmannsgericht hat sich zu der Frage zu äußern gehabt. Im Gegensatz zu vielen anderen Gerichten hat sich das Kaufmannsgcricht Leipzig, unter Abweisung des Klägers mit seinen Ansprüchen auf Zahlung des Gehalts für sechs Wochen vom Tage seiner Einberufung an, auf den Standpunkt gestellt, daß die Ein berufung zum Kriegsdienst nicht als ein Unglück im Sinne des Ge setzes angesehen werden kann. Es sei vielmehr eine Pflicht in Ge mäßheit der Wehrvorschristen, und dem Handlungsgehilfen stehe nach Auffassung des Gerichts für die Zeit seines Militärdienstes kein Ge haltsanspruch zu. Man dürfe eine Verhinderung an der Leistung der Dienste, die auf Grund der Neichsverfassung, des Wehrgesetzes und der Militärgesetze, demnach auf Grund von Staatsgesctzen gefordert werden, nicht als ein Unglück ansehen. Was französische Schulkinder lernen. — In der »Täglichen Rund schau« lesen wir: Vor mir liegt ein französisches Schreibheft aus einer der un- teren Klassen einer französischen Volksschule aus dem Jahre 1913. Das Heft hat ein Bekannter, der nach schwerer Erkrankung aus dem Feld zurückkchren mußte, mitgebracht. Es ist so recht bezeichnend für den »chauvinistischen« Geist in den französischen Schulen. Die Vor derseite des Heftes zeigt ein buntes Bild: französisches Fußvolk an einer Landstraße, hinter Bäumen versteckt, schießend. Daneben Ar tikel 12 aus der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Aus der Rückseite ein kleines nicht farbiges Bildchen: Kamps französischer Kürassiere mit preußischem Fußvolk. Daneben Auseinandersetzung über die Pflichten gegen das Vaterland im allgemeinen und die mili tärischen Pflichten im besonderen. Zur Einprägung dieser Pflichten dienen noch eine Reihe von Fragen und fünf Ausgaben. In der linken Ecke ein kleines Schlachtgedicht. Der Inhalt des Schreibheftes besteht aus Rechenaufgaben und Diktaten. Letztere sind meist geschichtlich und politisch. Sie beginnen mit Napoleon I., dessen Eroberungskriege zwar verurteilt werden, als deren gute Folge aber die Verbreitung freiheitlicher Ideen in Preußen und dem übrigen Deutschland sowie in Spanien bezeichnet wird. Der Krieg von 1870 wurde natürlich durch die »Fälschung« der Emser Depesche Bismarcks hervorgerufen. Der Krieg selbst wird sehr kurz behandelt; hervorgehoben wird nur, daß die »Ulanen das Land durchzogen, immer bereit zu plündern, Häuser in Brand zu stecken und Menschen zu erschießen, sobald einige Freischärler Miene machten, ihnen zu widerstehen«. Das nächste Diktat ist überschrieben »k.e relöverneul 6e ja k'ranee«. Hier werden die kolonialen Erwerbungen und die Bünd nisse eingehend dargestellt. Neben dem Bündnis mit Rußland werden »Ententen« mit Italien, Spanien und besonders England erwähnt. Am Schluß wird hervorgehoben, daß Frankreich seine gegenwärtige machtvolle Stellung der Republik verdanke, welche die Fehler des Kai sertums vermieden habe. In einem geographischen Diktat über Frankreich wird hervorge hoben, daß auch der Rhein einst ein französischer Fluß gewesen, aber 1870 verloren worden sei. Das Diktat schließt mit den Worten: »3e sui8 deureux ck'etre kranyaw«. Soldaten als Zeitungsschreiber. — Die Garnison der Feste Boyen hat sich die Zeit der Belagerung dieses Platzes und der Stadt Lötzen damit vertrieben, eine Kriegszeitung mit eigenen Beiträgen und amt lichen Meldungen herauszugeben, in der auch der Humor in Poesie und Prosa zu seinem Recht kommt. Diese Kriegszeitungen der Feste Boyen und der Stadt Lötzen werden fortgeführt: die Einzelnummer wird künftig um 5 Pfennig, die ersten zehn Nummern zum Preise von 1 Mark, soweit der Vorrat reicht, abgegeben. Der Ertrag wird für die im Felde stehenden Truppen verwendet und ist vorher an das Er satz-Bataillon Nr. 147 nach Lötzen zu senden. PersonaliMrWen. Arnold Lang st. - Am 3l>, November ist Prost Or. Arnold Lang im Alter von SS Jahren nach langem, schweren Leiden in Zürich ge storben. Einer der bedeutendsten Schüler Ernst Hacckels und einer der gründlichsten Forscher auf dem Gebiet der Entwicklungslehre, hat er na mentlich die Klärung der Bercrbungsprobleme durch eine Reihe scharf sinniger Untersuchungen gefördert. Sein »Lehrbuch der vergleichenden Anatomie« und sein mit mehreren Fachgenosfcn herausgegebenes »Handbuch der Morphologie« gehören zu den bedeutendsten Werken der neueren Fachliteratur. Leopold Pfass st. — In Wien ist der ehemalige Ordinarius des Bürgerlichen Rechts an der Wiener Universität, Hofrat Prost vr. Leopold Psafs im Alter von 77 Jahren gestorben. Sein wichtigstes Werk ist der »Kommentar zum österreichische» allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch«, den er in Verbindung mit F. Hofmann 1877 in zwei Bänden versasttc. Seit 1882 gab er die Sammlung der zivilrechtlichen Erkenntnisse des obersten Gerichtshofes heraus. Hans Begchaupt st. — Am IS. November ist als Oberleutnant der Reserve und Führer cincr Landwehrkompagnie vr. Hans Wcge- haupt aus Hamburg gefallen. Zn seinem besonderen Arbeitsgebiet hatte er die Werke Plutarchs gemacht, z» deren Kritik und Erklärung er eine Reihe von Einzclbciträgcn veröffentlicht hat und von denen er in Verbindung mit mehreren Fachgcnossen eine graste, ans um fassende Handschristcn-Vcrgleichung gegründete Ncuausgabe vorbe reitete. Mehrere seiner, zumal in methodischer Hinsicht wertvollen Arbeiten sind in den Abhandlungen der Berliner Akademie der Wis senschaften verössentltcht worden.