Volltext Seite (XML)
1, 2. Januar» Nichtamtlicher Theil. des „Börsenbl. f. d. dtschn. Buchh."). Wir warnten damals vor einer vorzeitigen Publication des Gesetzes und empfahlen die Ucberwcisuug der Vorlage an eine gemischte Sachvcrständigeu- Commission zu nochmaliger gründlicher Nebcrarbeitung, wodurch unseres Erachtens die Emanation des Gesetzes wahrscheinlich nur um ein halbes, höchstens um l Jahr hinausgcschoben worden wäre. Unsere Worte verhallten damals unbeachtet. Die Klagen auf der Heidelberger Versammlung aber zeigen, wie Recht wir mit unserem Wohlgemeinten Rathe hatten. Der damalige noch unfertige Zustand unserer deutschen Angelegenheiten, der es cmpfehlenswerth erscheinen liest, möglichst viele vollendete Thatsachen als Bindemittel ins Leben zu rufen, mochte für die damalige gegenständlich unerklärbare Eile in der Emanation von Bundesgesctzen als rechtfertigendes Motiv gelten. Gegenwärtig aber ist Deutschland fertig und kein äußeres nicht in der Sache selbst liegendes Moment nöthigt mehr, die Gcsctzfabrication mit Dampfkraft zu betreiben. Vielleicht lästt sich, was wir vor fast zwei Jahren anempfahlen, noch jetzt nach- holcn. Das Gesetz vom 11. Juni 1870 ist bekanntermaßen nur ein Torso — das künstlerische Urheberrecht ist ausgelassen und späterer gesetzlicher Regelung Vorbehalten. Jedenfalls wird man daher in nächster Zeit an maßgebender Stelle auf die ganze Materie des geistigen Urheberrechts zurückkommen müssen. Wie wäre cs nun, wenn mau diesen Anlaß benutzte, um zugleich das Gesetz vom 11. Juni 1870 einer nochmaligen Revision und gründlichen Um arbeitung zu unterziehen? Daß cs an Stoff dazu nicht fehlen würde, haben die Heidelberger Verhandlungen dargethan- Die Ausstellungen gegen das Gesetz vom 11. Juni 1870 hatten die Folge, daß der Referent seinen Vorschlag dahin modifi- cirte, daß man bei der Abfassung der Beschlüsse sich au den Inhalt des preußisch-französischen Vertrages und an die Terminologie des Neichsgesetzcs halten wolle. In dieser Form fand er die Genehmigung der Versammlung und mau ging zur speciellen Berathnng über, aus welcher, mit Uebergehung der wenigen wesentlichen und vorzugsweise redactionellcn Abänderungen, nur dasjenige, was von allgemeinerem und tiefergreifcndem Interesse, einer kritisch-rclatorischen Erörterung zu unterziehen, die Aufgabe der nachstehenden Bemerkungen ist. Daß im Art. 1. der von Herrn Härtel mit Recht als vager Begriff bczeichnete Ausdruck „Vortheile" in „Rechte" vertauscht worden ist, wird, wie es seitens der Versammlung mit Einstimmigkeit geschah, auch außerhalb der letzteren ebenso cinmüthigcn Beifall finden, wie der gleichfalls angenommene Vorschlag des Referenten, daß zu den Worten: „die Urheber von Schriftwerken re." aus dem Neichsgesctze die Bestimmung: „gleichviel ob dieselben schon ver öffentlicht sind oder nicht", beigesügt werde, weil dadurch auch die ungcdruckten Erzeugnisse geschützt werden. Der Satz: „Sie haben denselben Schuh — veröffentlicht worden sind" wird als überflüssige Wiederholung gestrichen, der auf die Reciprocität rücksichtlich der Dauer der Schutzfristen bezügliche Schlußsatz aber nach längerer Debatte in folgende Fassung gebracht: „Es sollen ihnen jedoch diese Rechte nur so lauge zustehen, als ihre Rechte in dem Lande, in welchem die erste Veröffentlichung er folgt ist, in Kraft sind, und sie sollen in dem anderen Lande nicht über die Frist hinaus dauern, welche für den Schutz der dort heimi schen Urheber gesetzlich fcstgestcllt ist, so daß bei ungleicher Dauer der in beiden Ländern zu Gunsten der Urheber bestehenden Schutzfristen der dein einen Lande ungehörige Urheber in dem andern Lande immer nur die kürzere der beiden Fristen in Anspruch nehmen kann." Der Art. 2. des Vertrags gab seiner, einen weiten Spielraum lassenden Casuistik halber zu lebhafter Discussion Veranlassung. Die Detaillirung früherer Wünsche und Desidcrieu, die hierbei laut wurden, fanden schließlich ihre Erledigung dahin, daß man eine drei fache Ausnahme vom allgemeinen Nachdrucksverbotc statuirte, in dem erlaubt sein solle: 1. Das wörtliche Aufnchmen einzelner Stellen oder kleinerer Theile eines bereits veröffentlichten Schriftwerkes in ein anderes Schriftwerk.' 2. Die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriftwerke von geringerem Umfange in ein größeres Ganze, sobald dieses nach seinem Hauptinhalte ein selbständiges wissenschaftliches Werk oder zum Schul- und Unterrichtsgcbrauche bestimmt ist. 3. Die Veröffentlichung von Auszügen oder Bruchstücken, welche mit erläuternden Anmerkungen oder mit Uebersetzung zwi schen den Zeilen oder am Rande versehen sind, aus Schriftwerken zu einem cigcnthümlichen literarischen Zwecke oder zum Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgcbrauch. In der Hauptsache laufen diese Abänderungen nur auf eine präciscre Formnlirung der ziemlich vagen Fassung des Vertrages hinaus. Neu und sehr zweckmäßig ist dagegen die Bestimmung, daß in den Fällen sub Nr. 2 und 3 der Urheber oder die benutzte Quelle bei Vermeidung einer durch die Landcsgcsctzc zu bestimmenden Strafe angegeben werden muß. Eine lebhafte Debatte rief der Art. 3. des preußisch-französi schen Vertrags, welcher von den zu Wahrung der im Vertrage ge währten Rechte erforderlichen Formalitäten handelt, hervor. Im Wesentlichen bewegte sich dieselbe um die vom Referenten gestellte Vorfrage, ob man überhaupt solche Formalitäten als Bedingung der Nechtsausübnng in den Vertrag ausgenommen wünsche? Der Ver trag des Norddeutschen Bundes mit der Schweiz hat bekanntlich alle Formalicn fallen lassen und dieser Auffassung schloß sich der Refe rent an, indem er geltend machte, warum der Deutsche dem Aus länder ein in seiner Heimath anerkanntes Recht erst Nachweisen solle? Theoretisch sei man sich schon länger klar, daß man vo.. den Eintragungen ganz abschen müsse und auch der Entwurf zu dem über die Kunstwerke zu erwartenden Gesetze habe dieselben beseitigt. Vom Standpunkt der französischen Prätcnsionen aus befürwortete Herr Härtel den Eintrag zur Sicherung des Rechtsschutzes in Frankreich beizubehalten, indem er die Befürchtung aussprach, daß, wenn die Diplomatie auch in dem internationalen Vertrage vom Einträge absehe, die französischen Gerichte dennoch bei der Forderung würden stehen bleiben — eine Ansicht, die von mehreren Seiten (Bonz und Ruprecht), unter Hinweis ans die Verträge Frankreichs mit Bayern, Baden und der Schweiz, in denen die Eintragung nicht vorgeschriebcn sei, Widerspruch fand. Eine Anfrage des Herrn Enslin, wie man wohl über die Eintragung im Bundeskanzler amt denke, vermochte der Vorsitzende zwar nicht erschöpfend zu beant worten; derselbe verwies jedoch auf die in allen internationalen Verträ gen herrschende Tendenz, daß man vom Autor verlange, seineAbsicht, von seinem Rechte Gebrauch machen zu wollen, durch den Eintrag zu erkennen zu geben. Wenn er nun auch gegen die Abschaffung der Verpflichtung zum Eintrag an und für sich nichts habe, so frage es sich doch, ob die französische Gesetzgebung es gestatten werde, von jener Seile davon abzugchen, und dann müsse man sich entscheiden, ob man dem Ausländer mehr als dem Inländer an Rechten ge währen wolle. Dieser Mahnungen ungeachtet wog die Stimmung für Besei tigung aller Formalien in der Versammlung vor und fand schließlich Ausdruck in der Fassung, welche fast wörtlich dem Art. 3. des Ver trages des Norddeutschen Bundes mit der Schweiz entlehnt ist. (Vcrgl. Art. XI. des Entwurfs zum Normalvcrtrage.) Unserer persönlichen Hochachtung für die Männer, welche die Heidelberger Versammlung bildeten, und unserer Anerkennung ihrer allgemeinen sachlichen Befähigung unbeschadet will es uns doch be drucken, als ob man cs mit der vorstehend ventilirteu Frage etwas zu leicht genommen habe. Wir vermissen namentlich die eingehende Jnbctrachtnahmc zweicrMomeute von überwiegend praktischer Trag weite: einmal die an Gewißheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß